So fühlt sich die »Q-Wohl«
In einem neuen Stall ist es einfach, die Bedingenungen für Milchkühe möglichst angenehm zu gestalten. Anders sieht es da in alten Stallungen aus. Damit sich auch hier die Kühe wohl fühlen, gibt es die Initiative »Q-Wohl«. Sie soll helfen, die Haltungsbedingungen wirksam und nachhaltig zu bewerten und zu verbessern.
Die Tierwohldiskussion ist inzwischen auch für den Bereich der Milcherzeugung vielschichtig geworden. Bspw. gibt es seit Anfang 2017 das zweistufige Tierwohllabel des Deutschen Tierschutzbundes »Für mehr Tierschutz« mit einer Richtlinie Milchkühe. Immer mehr Molkereien formulieren immer anspruchsvollere Anforderungen an die Haltungsbedingungen für die Kühe ihrer Lieferanten. Fast zwangsläufig gerät in diesem Zuge die Anbindehaltung von Kühen unter Druck, d.h. perspektivisch wird es schwieriger, Milch mindestens aus ganzjähriger Anbindehaltung zu angemessenen Preisen zu vermarkten. Vor diesem Hintergrund wächst der Bedarf für die Milcherzeuger, insbesondere auch in Bayern, ihre Haltungsbedingungen und Tierwohlsituation für Milchvieh zu prüfen.
Was bringt der neue Katalog?
Herkömmliche Anforderungskataloge für die Haltung von Milchkühen formulieren Vorgaben, die sich in der Regel an aktuellen Beratungsempfehlungen im baulich-technischen Bereich orientieren. Im Widerspruch dazu steht der Zusammenhang, dass auch in alten Stallungen eine gute bis sehr gute Tierwohlsituation geschaffen werden kann. Um diesem Umstand und den Strukturen gerecht zu werden, wurde die Initiative »Q-Wohl« Ende 2016 ins Leben gerufen. Ziel der Aktivitäten der damaligen Landestierschutzbeauftragten Dr. Cornelie Jäger, Prof. Barbara Benz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen, dem LAZBW und der Erzeugergemeinschaft Milch Bodensee-Allgäu (EMBA) war es, ein Instrument zu schaffen, mit dessen Hilfe die Haltungsbedingungen für Milchkühe auch in alten Stallungen wirksam und nachhaltig bewertet und verbessert werden können. Dadurch sollte eine große Reichweite erzielt werden. Alte Haltungssysteme und Stallungen werden nicht von vornherein im Ringen um mehr Tierwohl ausgeschlossen. Entscheidend soll vielmehr sein, wie sich die am Tier ablesbare Tierwohlsituation im jeweiligen Stall tatsächlich darstellt.
Wie funktioniert »Q-Wohl«?
Ausganspunkt war ein Katalog mit baulich-technischen und managementbezogenen Kriterien, die sich grundsätzlich an aktuellen Beratungsempfehlungen orientieren. Für alte Gebäude, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, wurden Alternativen mit Mindestanforderungen im baulich-technischen Bereich formuliert. Die Differenz zwischen Richtwert gemäß Beratungsempfehlung und Mindestanforderung muss durch besondere Maßnahmen im Management (Belegung reduzieren) und der Stalltechnik (z.B. Gummiauflagen in Laufgängen) kompensiert werden.
Die Autoren gehen davon aus, dass über diese Maßnahmen ein gutes bis sehr gutes Tierwohl auch in alten Gebäuden u.a. durch entsprechendes Management erreicht werden kann.
Der Nachweis dessen kann durch die regelmäßige Erhebung von tierbezogenen Indikatoren erbracht werden. Diese bilden mit ihren Richt- und Alarmwerten, neben den Anforderungen an das Haltungsverfahren und das Management die dritte Säule des Systems.
Alternative Haltungsverfahren
Bei Inanspruchnahme der definierten Alternativen im Haltungsverfahren (Abweichungen vom Richtwert, s.o.), werden besondere Anforderungen bezüglich der tierbezogenen Indikatoren gestellt. Da grundsätzlich die Risiken eines beeinträchtigten Tierwohls in einem solchen Altgebäude höher sind, soll z.B. die Risikogruppe der erstlaktierenden Kühe insgesamt keine negativen Befunde bei den tierbezogenen Indikatoren aufweisen. Um die Handhabbarkeit der Kriterien und die Wirksamkeit der Kompensationsmechanismen auf das Tierwohl in der Praxis zu überprüfen, wurde Ende 2016 und Anfang 2017 ein Test auf 30 Milchviehbetrieben im Rahmen eines Pilotprojektes durchgeführt. Anschließend wurde der Kriterienkatalog nach intensiven Beratungen und nach Rücksprache mit externen Experten den vorgefundenen Realitäten etwas angepasst. Im April 2018 fand dann, nach Integration der Anbindehaltung, die Weiterentwicklung zur »Managementhilfe zur Beurteilung und Verbesserung des Tierwohls in der Milchviehhaltung« statt.
Anwendung in der Praxis
Die Datenerhebung und -analyse im Praxisbetrieb kann auf einer Papiercheckliste oder optional mittels einer frei verfügbaren Smartphone-App erfolgen. Die App »Q-Wohl-BW« wird über das reine Erfassen der Daten im Sinne einer Bestandsaufnahme hinaus die Möglichkeit bieten, bei regelmäßiger Anwendung anhand grafischer Auswertungen Entwicklungen zu dokumentieren, wodurch sich deren Interpretation vereinfacht. Die ursprüngliche Intention von »Q-Wohl« war, einen praxisnahen Gegenentwurf zum Tierwohllabel des Deutschen Tierschutzbundes »Für mehr Tierschutz« zu formulieren. Im Laufe der Diskussionen wurde dann deutlich, dass der zusätzliche Nutzen in der Anwendung der Managementhilfe, einen Impuls zur Verbesserung der Haltungsbedingungen für Milchkühe in der Breite zu setzen, ideal durch eine Etablierung des Systems im Bildungs- und Beratungsbereich zu erreichen ist. Diese Aufgabe hat sich das Ministerium Ländlicher Raum in Stuttgart mit den anderen Beteiligten und Zuständigen unter der Überschrift »Q-Wohl-BW« für die nahe Zukunft gestellt.
Uwe Eilers, LAZBW Aulendorf, Prof. Barbara Benz, HfWU Nürtingen