Biosicherheit und Hygiene im Rinderstall

3. Mai 2022

Tierhygiene ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Rinderstall. Mit geeigneten Hygienemaßnahmen lassen sich Tierwohl und Leistungen verbessern.

Kuhbürsten sollten regelmäßig gereinigt werden, damit sie keine MiIbenschleudern werden. Foto: Sontheimer

Ihr Nachbar ist beim Tiefstreu-Stallausmisten und hat zwei Zinken an der Gabel abgebrochen. Also kommt er mal eben schnell in seiner Arbeitskleidung zu Ihnen rüber und fragt, ob er Ihre Mistgabel haben kann. Er läuft über den Hof und sucht Sie bei den Kälber-iglus, im Melkstand, auf dem Futtertisch und bei den Futtersilos und findet Sie endlich hinten im Hof im separaten Krankenstall, wo Sie gerade nach Ihren fußkranken Kühen schauen. Eine Situation, wie sie tagtäglich auf unseren Höfen passiert. Man hilft sich ja schließlich gerne und vielleicht brauchen Sie morgen schon die Hilfe des Nachbarn. Doch haben Sie auch die Kehrseite der Medaille bedacht? Mit seinen dreckigen Gummistiefeln und der verschmutzten Arbeitskleidung stapft der Nachbar nämlich durch den kompletten Betrieb und schleppt Keime in den Stall. Keime, die Ihre Kühe krank machen können.

Was bei den Schweinehaltern seit vielen Jahren gang und gäbe ist, findet in vielen Rinderställen leider noch zu wenig Beachtung. Tierarzt, Besamungstechniker, Berufskollegen und Nachbarkinder gehen im Kuhstall ein und aus. Während die letztgenannten vermutlich noch am wenigsten Rinderkeime an sich tragen, so können die ersten drei durchaus Keime von Stall zu Stall verschleppen. Wir denken, Rinder sind robust, weil sie sich im Allgemeinen schon länger im Stall aufhalten und mit der Keimflora auseinandergesetzt haben. Doch es gibt durchaus auch im Kuhstall hygieneempfindliche Bereiche wie die Abkalbebucht, den Kälberstall oder den Melkstand.

Hygiene ist das A und O

Tiergerechtheit, Kuhkomfort, Tierwohl oder artgemäße Tierhaltung sind Stichworte, in die Hygienemaßnahmen hineinspielen, genauso wie Tiergesundheit, Seuchenprophylaxe, kostengünstiger Stallbau und funktionierende Verfahrenstechnik, wiederkäuer- und leistungsgerechte Fütterung oder Melkhygiene für die Lebensmittelsicherheit. Nicht zuletzt ist der Landwirt auf eine erfolgreiche Rinder- und Milchproduktion angewiesen. Stichwort Seuchenprophylaxe: BVD, BHV1, Paratuberkulose, Q-Fieber, Brucellose, Tuberkulose oder die Maul- und Klauenseuche führten in den vergangenen Jahrzehnten und führen auch heute noch zu hohen Kosten in der Rinderhaltung weltweit. Einige der Krankheiten und Seuchen sind nahezu ausgerottet, andere flackern in einigen Ländern wieder auf und drohen wieder zu uns zurück zu kommen, weitere führen bei fehlendem Freiheitsstatus zu Handelshemmnissen. 

Doch bis zu den Seuchen muss man gar nicht gehen, auch bei vielen Faktorenkrankheiten dienen grundsätzliche Hygienemaßnahmen als Vorbeuge. Viele Dinge wie Liegeboxengestaltung, Anordnung der Tränken- und Kraftfutterstation, Gestaltung der Abkalbebucht oder Auswahl und Sauberhalten der Böden spielen in mehrere der genannten Schlagworte hinein und vernetzen diese. So begünstigen verschmutzte, nasse und rutschige Spaltenböden Klauenkrankheiten wie Mortellaro und Panaritium, schlecht gestaltete und ungepflegte Liegeboxen sind für zu kurze Liegezeiten, Karpalgelenksverletzungen und mangelnde Eutergesundheit verantwortlich. Das eine hängt vom anderen ab, ein schlechtes Management macht die Grundlage eines tiergerechten Stalles mit angepasster Belegung und auf das Tierverhalten abgestimmten Stalleinrichtungsmaßen wieder zunichte und eine gute Melkhygiene macht schlechtes Futter nicht wett. Aus dieser Fülle von Faktoren und Maßnahmen werden stellvertretend einige herausgenommen und diskutiert.

Ein Spaltenreinigungsroboter reinigt selbstständig die Spalten und sorgt für mehr Sauberkeit im Stall. Foto: Imke Brammert-Schröder

Messbare Auswirkungen

Der Tierhalter kann einiges für eine bessere Hygiene im Kuhstall tun. Oft sind es schon kleine Maßnahmen, die messbare Auswirkungen haben. Jede Hygienemaßnahme senkt den Erregerdruck im Stall. Betriebseigene Kleidung, ein Umkleideraum mit Dusche und Waschgelegenheit und das Stallbüro mit Fenster zum Stall sind also auch im Rinderstall kein Luxus, sondern sinnvolle Hygienemaßnahmen. Im Melkstand verhindern Einweghandschuhe und Einwegtücher die Keimübertragung von Kuh zu Kuh. Das altbekannte blaugewobene Allzweck-Handtuch für Melkkammer und Werkstatt sollte der Vergangenheit angehören. In feuchtem Zustand ist es nämlich eine Brutstätte für Bakterien. Neben der täglichen Reinigung des Melkstandes sollte dieser einmal im Monat gründlich mit dem Hochdruckreiniger und Reinigungsmittel gesäubert werden. Eine Stiefelreinigung mit fließendem Wasser ersetzt den Eimer mit brauner Brühe und dreckiger Bürste. Schadnager wie Ratten oder Mäuse können Salmonellen, Leptospiren oder das MKS-Virus und weitere Erreger übertragen.  Deswegen ist eine konsequente Schadnagerbekämpfung wichtig. In den Laufgängen leisten Faltschieber oder ein Spaltenreinigungsroboter wertvolle Dienste, um die Laufgänge sauber, rutschfrei und trocken zu halten.

Abkalbe- und Krankenbucht trennen

Es gibt auch wassergespeiste Geräte, die verkrusteten Kot lösen können, ansonsten sollte der Spaltenboden bei starker Verschmutzung zwischendurch mit dem Hochdruckreiniger gewaschen werden. Gummispalten sind zwar elastischer als Betonspalten, das Material Gummi altert aber mit der Zeit und ist dann ein idealer Nährboden für Keime. Dasselbe gilt für Gummimatten in Hochboxen, die ausgewechselt werden müssen, wenn sie rissig und porös sind. Die Abkalbebucht und die Krankenbucht sollten strikt getrennt werden, denn Fruchtwasser und Blut sind ein idealer Nährboden für Keime. Euterentzündungserreger sind aber das letzte, was eine Kuh nach der Geburt braucht. In der Abkalbebucht muss jeder Rinderhalter größten Wert auf Sauberkeit legen und nach Aborten, Totgeburten oder Nachgeburtsverhalten komplett reinigen und desinfizieren. Zur Abkalbung anstehende Kühe sollten sauber in die Abkalbebox eingestellt werden. Zur Geburtshilfe nur frisch gereinigte Utensilien und Gerätschaften (Geburtshelfer, Stricke, Handschuhe, Eimer mit warmem Wasser) verwenden und die Zughilfe nur so viel wie unbedingt nötig einsetzen.

Saubere Kinderstube

In sensiblen Bereichen, wie etwa dem Kälberstall, sollten besondere Hygienemaßnahmen gelten. Kälberställe oder -iglus sind Kinderkrippen, die jungen Tiere reagieren auf Hygienemängel beim Tränken schnell mit Durchfall. Die Tränkeeimer und Tränkenippel müssen mit heißem Wasser gereinigt werden können, jedes Kalb sollte seinen eigenen Tränkeeimer haben. Die Tränketemperatur von 37 bis 38° C bei normaler Milchaustauschertränke muss eingehalten werden, die Angaben der Futtermittelhersteller zur Konzentration sind zu beachten. Neugeborene Kälber sollten während der Tränkephase räumlich getrennt von den älteren Tieren in der Gruppenhaltung stehen. Das Reinigen und Desinfizieren nach jedem Durchgang sind ein Muss, eine räumlich getrennte Rein-Raus-Belegung mit ein paar Tagen Leerstand vor der Neubelegung empfiehlt sich. Problemerreger wie Kokzidien oder Kryptosporidien brauchen eine spezielle Desinfektion. Kälberiglus sollten am besten auf befestigtem Boden stehen und regelmäßig versetzt werden.

Der Hof ist nicht nur Aushängeschild, sondern auch Spiegel für die Sauberkeit im Stall. Foto: Jens Nordhof

Ansteckung verhindern

Auslauf und Weide bringen den Tieren Bewegung und Sonnenlicht und sind im Sinne des Tierverhaltens als positiv einzustufen. Für eine gute Tiergesundheit muss der Rinderhalter aber systematisch gegen Weideparasiten wie Würmer, Rinderdasseln und Leberegel vorgehen. In den Empfehlungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für hygienische Anforderungen an das Halten von Wiederkäuern vom 7. Juli 2014 sind weitere Hygienemaßnahmen auf der Weide aufgeführt:

– In der Milchviehhaltung sollten Kälber keine Wiesen beweiden, die im selben Jahr bereits von Kühen oder Rindern im Alter von mehr als 18 Monaten genutzt wurden.
– Wanderschafherden sollten Kälberweiden nicht beweiden; eine Weide sollte, nachdem Schafe dort geweidet haben, für einen Zeitraum von einem Jahr nicht als Kälberweide genutzt werden.
– Es sollte nur Gülle oder Mist des eigenen Betriebs auf Wiesen und Flächen, die beweidet werden.

Bei jedem Tierzukauf kommen neue Keime in den Stall. Transportstress und neue Umgebung können bei den Neuzugängen Krankheiten zum Ausbruch bringen, sodass sich die anderen Tiere anstecken können. Ein Quarantänestall, in dem die Tiere ein paar Tage auf verdächtige Krankheitsanzeichen hin beobachtet werden können, kann dies verhindern. Auch wenn es in der Praxis einiges mehr an Arbeit bedeutet, weil etwa separat gemolken werden muss, so lohnt doch der Aufwand im Krankheitsfall. Der beste Quarantänestall nützt allerdings nichts, wenn man mit derselben Kleidung zwischen den Ställen hin und her läuft. Hände waschen, ein eigener Overall, eigene Stiefel sowie separate Arbeitsgeräte gehören zu einem Quarantänestall dazu. Die Rinder-Hygieneleitlinie des Bundeslandwirtschaftsministeriums empfiehlt sogar das Waschen einzelner neu zugegangener Rinder inklusive der Klauen zur Reduzierung der Erregereinschleppung. Doch oft haben die Dinge zwei Seiten: In der Rinder-Hygieneleitlinie steht beispielsweise, dass das Futter vor Vögeln geschützt werden soll, um gefährliche Kontaminationen zu verhindern. Schwalben sind auf der anderen Seite hervorragende Fliegenvernichter im Rinderstall. Ein anderes Beispiel: Das regelmäßige Gülleaufrühren verhindert Schwemmschichten, auf denen sich Ratten wohlfühlen, und mindert den Fliegenbefall. Wer allerdings mit Güllefliegen gegen Stallfliegen arbeitet, sollte die Schwemmschicht erhalten.

Erfolg im Herdenmanagement

Hygienemaßnahmen im Kuhstall bringen Verbesserungen in der Tiergesundheit, im Tierwohl und in den tierischen Leistungen. Ein gutes Hygienemanagement sichert also letztendlich den Erfolg im Stall. Nicht zuletzt dienen Hygienemaßnahmen der Vorbeuge gegen ansteckende Krankheiten und Tierseuchen und minimieren das Risiko, diese in den Betrieb einzuschleppen.
Angelika Sontheimer

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