Die richtige Mischung macht‘s

16. August 2022

Den passenden Futtermischwagen zu finden, ist kein leichtes Unterfangen, gibt es doch laut Expertenmeinung aktuell knapp 800 verschiedene Modelle am Markt. Wie Sie trotzdem das richtige Gerät finden, dazu gibt Prof. Dr. Olaf Steinhöfel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Tipps.

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie weiß, worauf es beim Kauf eines Futtermischwagens ankommt.

Milchpur: Was interessiert Landwirte Ihrer Meinung nach, wenn Sie einen neuen Mischwagen suchen?

Prof. Dr. Steinhöfel: Ich bin zunächst jedes Mal erstaunt, einerseits welche ungetrübte Ausstrahlung farbig gestalteter Stahl auf Männeraugen ausübt und andererseits über die Gewichtung der Kriterien, welche die Kaufentscheidungen wirklich motivieren. Kommt man auf Agrarmessen mit Besuchern ins Gespräch, sind es sicher zuerst Argumente wie Preis und Arbeitswirtschaft, Robustheit und Service, persönliche und betriebliche Passfähigkeit sowie Optik, Ergonomik und Komfort. Das Thema Tierernährung wird entweder gar nicht oder sehr spät benannt. Dies kann natürlich auch ein Vertrauensbonus sein, welcher der Branche entgegengebracht wird.

Milchpur: Warum sollte die Tierernährung ­Ihrer Meinung nach eine größere Rolle bei der Kaufentscheidung spielen?

Prof. Dr. Steinhöfel: Die Kaufentscheidung muss erstrangig durch den Verwendungszweck definiert werden. Die Rinderfütterung findet immer mehr im ernährungsphysiologischen Grenzbereich statt. Kleinste Abweichungen können mit Leistungsdepressionen, Gesundheitsproblemen oder Fruchtbarkeitsstörungen bestraft werden. Die Fütterungstechnik hat dabei einen nicht unerheblichen Einfluss. Einerseits muss sie die hohe rechnerische Genauigkeit der Rationsoptimierung umsetzen. Anderseits sollen Futtermittelstruktur geschont, das Futter so vermischt werden, dass die Kuh es nicht mehr selektieren kann, und hygienische Risiken vermieden werden. Diese Qualitäten offenbaren sich erst beim Einsatz. Ich möchte jedoch damit nicht die genannten Kriterien wie Kosten, Service, Komfort etc. kleinreden, nur die Gewichtung etwas verschieben.

Milchpur: Was ist Ihrer Meinung nach die wesentliche Krux des Verfahrens an sich?

Prof. Dr. Steinhöfel: Grundsätzlich ist ein Fütterungsverfahren nur so gut, wie es durch den Nutzer umgesetzt wird. Dabei spielen neben der Gewohnheit, Sachkunde und Motivation insbesondere die betrieblichen Bedingungen eine entscheidende Rolle. Welche Futtermittel will ich mischen? Wie sind die Silos und Lager beschaffen? Wie viele Tiere in welcher Zeit sind zu versorgen? usw.
Wer den Wagen nicht vor der letztendlichen Kaufentscheidung unter den konkreten Bedingungen testet, handelt meiner Meinung nach sehr oberflächlich. Aber es gibt auch objektive Nachteile, welche man nicht vermeiden, aber minimieren muss. Zunächst haben wir mit der TMR-Fütterung ein Verfahren, welches der Gruppenfütterung verpflichtet ist. Dies bedeutet immer einen Spagat zwischen Unterversorgung und Verfettung. Der Kraftfutteraufwand wird in der Regel höher als in der Einzelfütterung. Um dies abzumildern, müssen wir die Tiere entsprechend Leistung, BCS und Fruchtbarkeitsstadium möglichst homogen Fütterungsgruppen zuteilen. Dies verschlechtert die Arbeitswirtschaftlichkeit und Einsatzwürdigkeit des Verfahrens insbesondere bei kleineren Beständen und erzeugt Umstellungsstress bei den Tieren. Ein weiteres Handicap ist mit verfahrensbedingten Präzisionsfehlern und Strukturzerstörung der Grobfuttermittel verbunden.

Milchpur: Was bedeuten Präzisions­fehler?

Prof. Dr. Steinhöfel: Die Kette möglicher Fehler erweist sich als lang. Sie beginnt beim Einfüllen der Futtermittel, setzt sich fort über das Wiegen und Mischen und endet beim Austragen. Maßstab für Präzision setzt neben den Vorgaben der Bedarfsdeckung an Energie und Nährstoffen auch das Futtermittelgesetz. Der kleinste Stoff, der in der Mischung homogen zu verpacken ist, setzt dabei den Maßstab. Denken Sie hier z.B. an Spurenelemente oder Futterzusatzstoffe. Auf Basis der bisher durchgeführten Untersuchungen haben wir Maßstäbe formuliert, welche auch dazu geeignet sind, Maschinen vor dem endgültigen Kauf auf dem Hof zu testen. Wir tolerieren max. +/− 20 % TM für Grob-/Saftfutter sowie max. +/− 10 % für Kraftfuttermittel beim Einzug und Austrag. Beim theoretischen Milcherzeugungswert werden max. +/− 2 kg akzeptiert und max. +/− 30 % für Spurenelemente.

Milchpur: Was ist mit der Strukturzerstörung?

Prof. Dr. Steinhöfel: Gerade die Siloentnahme- und Futtermischtechnik steht in der Kritik, die Futterbestandteile mehr oder weniger stark zu zerkleinern. Um die Strukturzerstörung der Technik bewerten zu können ist die Erhöhung des Anteils an Partikeln mit weniger als 8 mm, welche durch die mechanische Beanspruchung des Futters verursacht wird, ein geeigneter Parameter. Anhand der vorliegenden Testergebnisse muss der Maßstab bei max. 4 % (40 g je kg TM) Zuwachs an Partikeln unter 8 mm gesetzt werden. Durchgefallen sind immer wieder Entnahmefräsen, obwohl Fräse nicht gleich Fräse ist. Auch beim nachfolgenden Mischen überschritten viele Systeme die 4-%-Grenze. Die Horizontalmischer fallen dabei besonders negativ auf. Dies hat sicher auch zum starken Rückgang der Verkaufszahlen für diese Systeme beigetragen. Aber auch bei den Vertikalen, insbesondere bei Zwei und Mehrschneckensystemen gibt es negative Beispiele. Futtermischwagen und Siloentnahmetechniken sollten schon deshalb grundsätzlich vor der Kaufentscheidung getestet werden, da die betriebsspezifischen Einflussfaktoren wie Struktur, Lagereigenschaften und Qualität der Grobfuttermittel sich genauso unterscheiden können wie ganz spezifische Logistik und Fütterungsbedingungen. Übrigens auch der Bediener kann mehr oder weniger zu dem System passen.

Selbstbefüller besitzen eine Vorrichtung mit der ohne zusätzliches Ladegerät das Futter in den Mischbehälter geladen werden kann. Hierzu werden unter anderem Fräsen, Schneideschilde oder ein im Fahrzeug integrierter Blockschneider verwendet. Foto: Sgariboldi

Milchpur: Welchen Einfluss hat der Zustand bzw. das Alter der Messer?

Prof. Dr. Steinhöfel: Auch hier gilt, es gibt keine Pauschalantwort. Die Systeme reagieren verschieden. Zunächst die Messer auf den Entnahmefräsen. Der Unterschied zwischen alten und neuen Messern lag bei den von uns getesteten Fahrzeugen zwischen 1 und 5 mm. In nahezu allen Fällen verbessert sich die Fräsentnahmeleistung mit den neuen Messern. Während bei einigen Systemen dadurch die Strukturzerstörung abnahm, da die Messer schneiden statt in den Futterstock zu schlagen und einfach weniger Zeit verstreicht, zeigten andere Systeme, dass die Strukturzerstörung mit neuen Messern eher noch zunimmt. Hier war auffällig, dass das Weiterleiten des Futters bei geringerer Fräsleistung oder das Weiterleiten des Fräsgutes bei seitlich installiertem Fräskanal dazu führt, dass ein Futterstau verursacht wird, der ein mehrmaliges Schneiden des Gutes provozierte. Neue Messer innerhalb des Mischsystems auf den Mischschnecken zeigten jedoch eindeutig Wirkung im Hinblick auf eine erhöhte Strukturzerstörung, wenn nicht die Mischdauer gleichzeitig reduziert wurde.

Milchpur: Wie ist das mit der Befüllmenge?

Prof. Dr. Steinhöfel: Viele Landwirte kaufen in Erwartung einer Bestandsvergrößerung oder eines möglichen überbetrieblichen Einsatzes auch überdimensionierte Mischwagen. Dies kann mit Blick auf die Strukturveränderung des Futters problematisch werden. Je weniger Futter im Wagen ist, desto stärker wird es mit den Schneideinrichtungen der Technik konfrontiert und in Folge stärker vermust. In unseren Tests war das Futter im halbgefüllten Mischwagen und bei gleicher Mischzeit in der Regel auch doppelt so stark zerkleinert.

Milchpur: Ist nun dieses Vermusen wirklich das Problem? Das Konzept der »Kompakt-TMR« widerspricht dem doch.

Prof. Dr. Steinhöfel: Richtig, hier gibt es de facto einen Widerspruch. Beim Verfahren »Kompakt-TMR« wird unterstellt, dass durch intensives Vorbereiten und Mischen die mögliche Futterselektion durch die Rinder fast vollständig vermieden wird, d.h. der Futterwert der Futterreste dem der Futtervorlage entspricht. Dies soll zu geringeren pH-Schwankungen in den Vormägen und in Folge zu besserer Futtereffizienz und Leistung sowie ruhigeren Herden führen. Grundsätzlich ist dem Fakt zuzustimmen, dass der Erfolg der TMR auch von der Vermeidung möglicher Kraftfutterselektionen durch die Rinder abhängt. Hier jedoch die Futterselektion über alles zu stellen und die Strukturwirksamkeit der Ration völlig zu negieren, halte ich für einseitig und gefährlich. Offen bleibt für mich auch: Gilt dies für alle Rationen? Wie lange macht der Wagen das mit? Wieviel kostet es wirklich? Kann ich mehrere Leistungsgruppen füttern, wenn ich über Nacht Futter im Wagen einweichen lasse? Ich plädiere aktuell dafür, dass der Mischvorgang so optimiert werden muss, dass sowohl die Strukturwirksamkeit erhalten bleibt als auch die Futterselektion minimiert werden kann. Mit beiden Kriterien kann der geübte Herdenmanager mit der richtigen Technik und Kontrolle des Fütterungserfolges dann auch in Grenzbereiche gehen.

Milchpur: Einige Hersteller bauen Mischwagen aus Edelstahl. Ist das sinnvoll?

Prof. Dr. Steinhöfel: Neben hygienischen Vorteilen kann damit in jedem Fall die Haltbarkeit der Mischwanne verlängert werden. Für mich als Tierernährer hat dies aber noch einen weiteren Vorteil. Viele Landwirte verfüttern überspitzt gesagt in zehn Jahren die Mischwanne an ihre Kühe mit. Die Eisengehalte in den TMR-Mischungen für Kühe steigen seit Jahren an. Der mittlere Gehalt der sächsischen TMR liegt bei knapp 550 mg Eisen je kg Trockenmasse. Das ist mehr als das zehnfache des empfohlenen Bedarfs. Einige Betriebe erreichen mit über 2 g Eisen je kg Trockenmasse Extremwerte. Hier wandelt sich das Spurenelement Eisen zum Mengenelement. Bekanntlich ist Eisen ein Gegenspieler bei der Verwertung von Kupfer, Zink und Mangan. Als alleinige Ursache konnteeine zunehmende Erdverschmutzung ausgeschlossen werden. Eine wichtige Quelle ist der Abrieb der Fütterungstechnik. Unsere Ergebnisse zeigen eine messbare Anreicherung von Eisen nach Benutzung von TMR-Mischwagen im Vergleich zu Labormischungen. Um dies wieder einzudämmen, kann eine nichtrostende Mischwanne durchaus sinnvoll sein.

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