Entwicklungen auf dem nationalen und internationalen Milchmarkt
Es wird ein weiter steigender Verbrauch von Milch und Milchprodukten erwartet, der zum einen durch eine wachsende Weltbevölkerung und zum anderen durch Einkommenszuwächse insbesondere in den Entwicklungsländern verursacht wird. Unter den getroffenen Annahmen steigt die Importnachfrage weltweit an und die Preisprojektionen bis 2030 zeigen steigende Weltmarktpreise für Milchprodukte: eine Annahme zur Entwicklung des Milchmarktes aus der neuen Thünen-Baseline 2020 bis 2030.
Mit Agrarökonomischen Projektionen für Deutschland beschäftigt sich der Report „Thünen-Baseline 2020 – 2030“ (146 Seiten). Die Erstellung und Veröffentlichung dieser Publikation erfolgt alle zwei Jahre. Die Verfasser betonen, dass die Thünen-Baseline „keine Prognose der Zukunft darstellt, sondern die erwarteten Entwicklungen auf den Agrarmärkten bei einer Beibehaltung der derzeitigen Agrarpolitik bzw. Umsetzung bereits beschlossener Politikänderungen unter bestimmten Annahmen zur Entwicklung exogener Einflussfaktoren, beschreibt.“ Jahresspezifische Auswirkungen unvorhersehbarer Ereignisse (Krisen, Naturkatastrophen etc.) werden in der Baseline nicht abgebildet. Dargestellt werden durchschnittliche mittelfristige Entwicklungen.
Weltmarktpreise:
Zwar werde in einigen Regionen (Entwicklungsländer) die Milchproduktion überproportional ausgedehnt, insbesondere in Indien und Pakistan, allerdings werden die zusätzlich anfallenden Mengen vorrangig zur Versorgung der eigenen Bevölkerung verwendet. Dadurch werden die Weltmarktpreise nur indirekt beeinflusst. Das nach verschiedenen Reformen abgesenkte EU-Stützungsniveau bei Milch, der Ausstieg aus dem Milchquotensystem, der global steigende Bedarf an Milchprodukten, der einher geht mit einem weltweit wachsenden Importbedarf auf dem Weltmarkt sowie unregelmäßige Ertragsschwankungen haben mittlerweile zu einem nicht ganz regelmäßigen Zyklus der Weltmarktpreise für Milchprodukte geführt.
Zyklischer Preisverlauf auf nationaler Ebene:
Auch bei Milch und Milchprodukten beziehen sich alle Ausführungen auf eine Situation ohne Maßnahmen, die die Auswirkungen von COVID-19 begrenzen. Die Erzeugerpreise für Milch und Milchprodukte in Deutschland werden vergleichsweise stark vom Verlauf der Weltmarktpreise geprägt, da in Deutschland mehr Milch produziert als verbraucht wird und in der Folge bei steigender Milcherzeugung mehr Milchprodukte in die EU und insbesondere auch dem Weltmarkt abgesetzt werden müssen. Nach wie vor rangieren Erzeugerpreise in Deutschland sehr leicht unter dem EU-Durchschnitt, und innerhalb Deutschlands ist zudem ein Gefälle von Süd- nach Norddeutschland zu erkennen, da im Norden mehr Verarbeitung zu Standardprodukten stattfindet. Da auf dem Weltmarkt die Nachfrage weiterhin als gut eingeschätzt wird, könnte eine steigende Exportnachfrage theoretisch wachsende Produktionsmengen aus Deutschland aufnehmen. Allerdings müssen die Unternehmen dann entsprechende Abschlüsse tätigen können, was bei einem entsprechenden Wettbewerb und zu erfüllenden Anforderungen nicht immer einfach ist. Rasche Produktionsausdehnungen könnten sich in diesem Zusammenhang als schwierig erweisen. So ist die Milcherzeugung Ende 2019 und Anfang 2020 in Deutschland gegenüber dem Vorjahr ausgeweitet worden, was seitdem den Markt belastet.
EU-Markt/Heimischer Markt/Export:
Während bei Frischmilchprodukten insbesondere der heimische Markt und auch der EU-Markt für das Marktergebnis ausschlaggebend sind, spielt bei den lagerfähigen Produkten der Export eine zunehmende Rolle.
Käsepreise wieder deutlich über den Butterpreisen: Hinsichtlich des Preiseinflusses dominieren auch bei Milchprodukten oft Geschehnisse am Weltmarkt. Mittel- bis langfristig zeichnete sich bedingt durch hohe Exporte und durch einen stabilen Fettmarkt bei den Käsepreisen eine leicht steigende Tendenz ab. Allerdings nimmt die Käseherstellung den überwiegenden Teil des Anstiegs in der Milcherzeugung auf, was einem Anstieg der Käsepreise enge Grenzen setzt. Trotzdem liegen die Käsepreise wieder deutlich über den Butterpreisen, beide folgen wie erwartet der Entwicklung am Weltmarkt. Die Käsepreise steigen von 3,90 EUR/kg im Jahr 2019 auf 4,41 EUR/kg in 2030, während sich die Butterpreise mit 3,50 EUR/kg im Jahr 2030 nur wenig gegenüber 3,57 EUR/kg im Jahr 2019 ändern. Damit sind die Butterpreise gegenüber dem Durchschnitt 2017-2019 mit 4,77 EUR/kg schon deutlich zurückgekommen. Insgesamt behinderten die niedrigen Preise für Magermilchpulver eine Ausdehnung der Butterproduktion, da die Verwertung der Eiweißkomponente über Magermilchpulver unbefriedigend war und dadurch tendenziell Käse als Kombination der beiden Komponenten bevorzugt wurde.
Butter:
Der Markt für Butter war in den letzten Jahren durch erhebliche Preisschwankungen gekennzeichnet. In den Jahren 2017 und 2018 erreichten die Preise sowohl auf dem Weltmarkt als auch in der EU und in Deutschland ein Rekordniveau, sind seither jedoch wieder deutlich gefallen. Das instabile Preisniveau stellt eine besondere Herausforderung für die Projektion der zukünftigen Preisentwicklung dar, da das zuletzt beobachtete Ausgangsniveau die Höhe des Butterpreises in der Projektion entscheidend beeinflusst. Dies wird bei einem Vergleich der Weltmarktpreisprojektionen der EU-Kommission und OECD-FAO deutlich sichtbar. So geht die Projektion der EU-Kommission, die im Dezember 2019 erschienen ist, im Vergleich zur OECD-FAO von einem deutlich geringeren Preisniveau für Butter aus und berücksichtigt damit, dass der Butterpreis nach Veröffentlichung der OECD-FAO Projektion (Juni 2019) weiter gefallen ist. Auch die Preissteigerung bis 2030 ist in der Projektion der EU-Kommission im Vergleich zur OEDD-FAO geringer. In der Thünen-Baseline 2020-2030 folgt der deutsche Butterpreis der Weltmarktpreisprojektion der EU-Kommission und hat verglichen mit der EU-Preisprojektion einen fast identischen Verlauf. In ihrer letzten Mittelfristprojektion erwartet die EU-Kommission, dass sich der Preisabstand zwischen Magermilchpulver und Butter wieder normalisiert, auch wenn eine stärkere Präferenz für Butter insbesondere bei der Herstellung von Speisen bestehen bleibt.
Magermilchpulverpreise:
Im Gegenspiel zu Butter haben sich nun die Magermilchpulverpreise nach Jahren mit hohen Beständen und extrem niedrigen Preisen erholt. Allerdings implizieren die Projektionen einen weiteren deutlichen Anstieg von 2,15 EUR/kg im Jahr 2019 auf 3,51 EUR/kg im Jahr 2030. Auch wenn die Preise von Magermilchpulver gegenüber von Vollmilchpulver etwas stärker steigen, bleibt trotzdem ein deutlicher Abstand bestehen, da im internationalen Handel bevorzugt Vollmilchpulver gehandelt wird.
Vollmilchpulver:
Bei Vollmilchpulver wird ein Anstieg der Großhandelspreise von 2,94 EUR/kg im Jahr 2019 auf 3,51 EUR/kg im Jahr 2030 projiziert. Auch die Thünen-Baseline 2020-2030 geht von einem positiven Preistrend für Vollmilchpulver in Deutschland aus, im Vergleich zur EU-Kommission und OECD-FAO ist die Preissteigerung jedoch zu Beginn der Projektionsperiode stärker, flacht dann jedoch ab. Produktspezifische Preisentwicklungen verlaufen relativ gleichförmig mit Ausnahme von Vollmilchpulver, das etwas stärker steigt als die anderen Milchprodukte. Hier wirkt sich vor allem eine verstärkte Nachfrage aus China, Nordafrika und dem Nahen Osten aus.
Milchpreis/Einkommensentwicklung:
Der erwartete leichte Preisanstieg bei den meisten Milchprodukten impliziert ebenfalls einen Zuwachs bei den Erzeugerpreisen für Milch, und zwar von 33,6 ct/kg im Jahr 2019 auf 36,5 ct/kg im Jahr 2030. Damit steigt der deutsche Milchpreis etwas langsamer als der kalkulatorische Weltmarktpreis an, der bei 35,8 ct/kg liegt. Der deutsche Erzeugerpreis übertrifft den kalkulatorischen Weltmarktpreis nur noch geringfügig; das setzt allerdings voraus, dass die Milcherzeugung nur moderat ausgedehnt wird. Milchviehbetriebe profitieren bei steigenden Erzeugerpreisen für Milch (Erlös ab Hof 36,5 ct/kg bei tatsächlichen Inhaltsstoffen) und höheren Milchleistungen je Kuh von einer deutlichen Zunahme der durchschnittlichen betrieblichen Milcherzeugung. Sie können damit trotz höherer Aufwendungen vor allem für Futtermittel sowie für den Unterhalt und die Abschreibung von Maschinen und Gebäuden das Einkommensniveau des Basiszeitraums knapp halten. Das Einkommen der Milchviehbetriebe liegt damit in der Baseline über dem mittleren Einkommen der anderen Betriebsformen. Die bereits in der Export-Entwicklung zu beobachtende Tendenz einer regionalen Konzentration der Milcherzeugung wird stetig fortgesetzt. Eine überdurchschnittliche Ausdehnung ist in den Regionen zu erwarten, in denen schon in der Ausgangssituation eine hohe Milchproduktionsdichte existiert. Eine deutlich überdurchschnittliche Ausdehnung der Milcherzeugung von mehr als 500 kg ha landwirtschaftliche Nutzfläche erfolgt vor allem in den Küstenregionen, am Niederrhein, in einigen Mittelgebirgslagen sowie im Allgäu, im Voralpenland und südlichen Sachsen.
Fazit
Die bei Fleisch dargestellten Faktoren eines gesellschaftlichen Wandels spielen bei Milchprodukten noch eine eher untergeordnete Rolle, auch wenn ein steigender Anteil von Veganern und verstärkte Forderungen nach mehr Tierwohl und einer nachhaltigeren Ernährung auch die Milcherzeugung betreffen. Die Auflagen einiger Milchverarbeiter, „GMO“-freie Futtermittel zu verwenden, beeinflussen Kosten und Preise. Allerdings war bei Milchprodukten in den letzten Jahren ein Trend zu schmackhafteren, fettreichen und „naturnahen“ Produkten zu erkennen, welcher einen Einfluss auf die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten hat. Die Nachfrage nach Milchprodukten steigt in der Periode 2020-2030 weiter an, allerdings deutlich langsamer als in den zehn zurückliegenden Jahren. Bei Käse wird bei moderater Preisentwicklung ein Anstieg von gut 200.000 t projiziert, während bei Butter eine geringfügige Erhöhung erwartet wird. Bei beiden Produkten spielt der Außer-Haus-Verzehr eine steigende Rolle. Dagegen geht die Inlandsnachfrage nach Konsummilch zurück. Die industrielle Verwendung dominiert die projizierte Verwendung bei den Dauermilchprodukten Magermilchpulver und Vollmilchpulver (einschließlich des teilentrahmten Milchpulvers und des Sahnepulvers). Die Magermilchpulvernachfrage im Inland verändert sich nur wenig, hingegen steigt der Vollmilchpulverabsatz aufgrund des einfacheren Einsatzes und der Entwicklung der Preisrelationen. Unklar ist die Bedeutung der fettangereicherten Milchpulver, über die nur sporadische Informationen vorliegen.