Was kann der Betrieb leisten? – Teil 2
Die Ausgestaltung der Leistungen im Hofübergabevertrag: Welchen Bedarf haben die Übergeber nach der Übergabe – wie viel verkraftet der Betrieb – was ist gerecht?
Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb an die nachfolgende Generation übergeben, ist dies bei allen Beteiligten mit bestimmten und naturgemäß unterschiedlichen Erwartungen, aber oft auch mit Ängsten verbunden. Die Umsetzung der Generationenfolge ist ein komplexes Thema, bei dem verschiedene Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen:
Der Hofübernehmer wünscht eine möglichst geschlossene Betriebsübernahme und will die Existenzsicherung sowie Entwicklungsfähigkeit gesichert wissen. Folglich sollen aus dessen Sicht die Belastungen möglichst gering gehalten, für Klarheit gesorgt werden und entsprechende Handlungsfreiheiten gewährleistet sein.
Der abgebenden Generation ist es wichtig, dass das geschaffene Lebenswerk erhalten wird, die Versorgung fürs Alter angemessen abgesichert ist und eine »gerechte« Lösung auch hinsichtlich der weiteren Kinder gefunden wird, sodass der Familienfrieden gewahrt bleibt.
Die weichenden Erben sehen aus dem eher externen Blickwinkel den Vermögenswert und fordern Transparenz und Gerechtigkeit, verbunden mit dem Dank fürs Weichen, ein.
Man kann dieses Zusammenspiel der Beteiligten auch als eine Art magisches Dreieck bezeichnen. Immer wieder führen meist unausgesprochene Interessen und Bedürfnisse zu Differenzen und atmosphärischen Störungen. Nachdem jede Hofübergabe ein individueller Generationenfolgeprozess ist, hilft es, möglichst frühzeitig und offen innerhalb der Familie mit den Beteiligten intensive Gespräche zu führen. Nachdem man einen derartigen Prozess in seiner jeweiligen Rolle im Normalfall nur einmal durchschreitet, ist die Unterstützung durch neutrale Berater und Begleiter unerlässlich. Zudem machen die vielen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen und Fragen die Sache nicht einfacher. Um in dieser für Betrieb und Familie so wichtigen Phase stets den Überblick zu behalten und dem Prozess eine zielführende Struktur zu geben, ist die Begleitung von außen schon fast existenziell notwendig. Auf die Möglichkeiten und Angebote der Begleitung kommen wir im Rahmen der Serie nochmals zurück.
Für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der vor allem aktiv fortgeführt wird, ist eine finanziell erfolgreiche Ausgestaltung der Hofübergabe enorm wichtig. Die Erhaltung von Vermögen und Arbeitsplatz steht hier im Vordergrund. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: »Wie viel Belastung an Gegenleistungen verkraftet der Hof?«
Sich einig werden
Es liegt im Interesse beider Generationen, ein angemessenes Altenteil zu finden, das zum einen die Übergeber absichert und zum anderen den Betrieb nicht über Gebühr belastet. In der Praxis können Art und Höhe der Altenteilsleistungen stark variieren. Diese hängen von der Leistungsfähigkeit des Betriebes, von den Ansprüchen und der Lebensform beider Generationen und auch von der sonstigen Einkommens- und Vermögenssituation vor allem der abgebenden Generation ab. Patentrezepte zur Umsetzung gibt es leider nicht. Eine Lösung muss individuell erarbeitet werden. Aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht ist eine Hofübergabe dann gelungen, wenn
ein angemessenes Altenteil für die abgebende Generation gewährt werden und deren Lebensabend neben den gesetzlichen Rentenansprüchen finanziell abgesichert sein kann;
ein ausreichendes Einkommen für die junge Übernehmerfamilie erzielt werden kann, einschließlich einer angemessenen Eigenkapitalbildung und unter Berücksichtigung der inflationären Entwicklung;
eine Abfindung für die weichenden Erben gelingt, die zum einen für den Betrieb tragbar ist und zum anderen den weichenden Erben das Gefühl gibt, zumindest einigermaßen »gerecht« behandelt worden zu sein.
Wie viel Altenteil ist tragbar?
Die Bedeutung von Geldleistungen hat neben der Gewährung von Sachleistungen in den letzten Jahren bei Hofübergaben immer weiter zugenommen. Dafür sprechen die klare Trennung und Zuordnung bezüglich der einzelnen Interessen und die rechtliche Umsetzung der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen. Man kann deshalb die Vereinbarung über die Geldleistungen als sogenanntes Taschengeld als einen Schwerpunkt der Gegenleistungen im Übergabevertrag bezeichnen.
Die Festlegung über die Höhe des Taschengeldes obliegt dabei allein den Vertragsparteien Übergeber und Übernehmer. Jedoch sind für die Beteiligten Arbeits- und Orientierungshilfen zur Versachlichung der Lösungssuche sehr hilfreich. Das folgende Beispiel kann deshalb nur Anhaltspunkte geben, wie man ein für beide Seiten »angemessenes« Altenteil finden kann. Die Beurteilung der eigenen Situation und die Austarierung des individuellen Spielraums muss stets im Vordergrund stehen. Die erste Frage dazu lautet: Wie viel Geld benötigen die Übergeber im Alter und über welche Einkünfte verfügen sie?
Das Landwirtsehepaar Josef (63 Jahre) und Marianne (59 Jahre) Mayer will zum 1. Juli 2020 das Anwesen an den Sohn Matthias übergeben. Wie in Tabelle 1 beispielhaft aufgeführt, benötigen die Ehegatten Mayer nach der Übergabe 1 985 EUR im Monat. Im Beispiel haben wird unterstellt, dass die Übergeber sich selbst verpflegen. Bei der Tabelle sollen nicht die absoluten Werte, sondern die systematische Vorgehensweise im Vordergrund stehen. Die individuelle Situation alleine ist maßgeblich. Es lohnt sich, die eigene Situation durchzurechnen.
Gesetzliche Regelungen zum Renteneintritt
Bei den verfügbaren Einkünften ist von folgender Situation ausgegangen worden: Josef Mayer wird im April 2021 65 Jahre alt und kann aufgrund der Anhebung der gesetzlichen Regelaltersrente mit 65 und zehn Monaten ab 1. März 2022 die Altersrente von der Landwirtschaftlichen Alterskasse und Gesetzlichen Rentenversicherung (sofern hier Rentenansprüche vorhanden sind) beziehen. Die Ehefrau Marianne beantragt zum 1. März 2022 die Vorzeitige Altersrente gegen Abschläge, was bei vorliegendem Altersunterschied interessant ist. Daneben gibt es weitere kleine Ansprüche aus der Privaten Vorsorge. Im Ergebnis benötigen die Ehegatten Mayer zusätzlich noch 600 EUR im Monat. Im Beispielfall kann Herr Mayer die Rente ab dem darauffolgenden Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. Mai 2021 gegen dauerhaften Abschlag (hier 3 %) beziehen, wenn insgesamt mind. 35 Beitragsjahre bei der Landw. Alterskasse zurückgelegt wurden. Dazu könnte auch die Ehefrau mit dann erhöhtem Abschlag zu diesem Zeitpunkt mit in Rente gehen. Im Einzelfall lohnt es sich, dies genau mit der Beratung zu besprechen.
Kann der Hof dies leisten?
Kein Zweifel: Nach der Hofübergabe sollen den Übergebern angemessene Altenteilsleistungen zustehen. Dennoch darf ein Altenteil nicht die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit des Betriebes gefährden. Wie auch relativ »bescheidene« Altenteilsleistungen den Betrieb fordern können, macht das Beispiel des Betriebes Mayer in der Tabelle 2 deutlich.
Der Sohn und Hofnachfolger Matthias Mayer ist verheiratet und hat drei Kinder. Neben den betrieblichen Belangen ist vor allem auch der private Lebensaufwand der Übernehmerfamilie zu beachten. Nach der Beispielsrechnung verbleiben für ein Baraltenteil rechnerisch gerade noch 5 950 EUR im Jahr bzw. 500 EUR im Monat. Damit klafft eine Lücke zwischen Bedarf und Leistungsfähigkeit von ca. 100 EUR. Diese Differenz ist noch überschaubar, was in der Praxis nicht in allen Fällen so ist. Familie Mayer hat sich auf eine Staffelung der Austragsleistungen verständigt. Mit der Übergabe wird ein Austrag von 600 EUR bezahlt. Ab Vollendung des 75. Lebensjahres von Josef Mayer soll sich der Austrag auf 500 EUR reduzieren, da die Übergeber dann einen geringeren Bedarf sehen. Sollten die Übergeber wahlweise die Verpflegung durch den Übernehmer beanspruchen, so vereinbaren sie eine weitere Reduzierung um 200 EUR im Monat. Darüber hinaus reduziert sich das Baraltenteil um 25 %, für den Fall, dass ein Übergeberteil verstirbt. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang, die Einkünfte und den Bedarf für den Fall des Ablebens eines Übergeberteils durchzurechnen. Dies ist für die Übergeber ein wichtiger Klärungspunkt und verschafft nach Prüfung Sicherheit.
Mit offenen Karten spielen
Der im Hofübergabevertrag zu vereinbarende Baraltenteil muss sich nach dem Bedarf der Altenteiler und der Leistungsfähigkeit des Betriebes richten. Nur wenn alle Beteiligten ihre Bedürfnisse benennen und die wirtschaftliche Situation offengelegt wird, können langfristig tragfähige Lösungen gefunden werden. Denn der vereinbarte Betrag sollte letztlich auch tatsächlich und dauerhaft bezahlt werden können, ohne die Versorgung der Übernehmerfamilie zu gefährden. Darüber hinaus gibt es dazu auch steuerliche und sozialrechtliche Folgen zu bedenken, auf die gesondert im Rahmen dieser Serie noch eingegangen wird. Wichtig ist dazu noch die Sicherung der Kaufkraft des Baraltenteils über eine sogenannte Wertsicherungsklausel.
Isidor Schelle, Referent, Unternehmensberater und Mediator