Eutergesundheit: Vorbeugung lohnt sich

16. Juli 2021

Eine der wirtschaftlich bedeutendsten Erkrankungen der Milchkuh ist die Mastitis. Der ökonomische Druck im Bereich der Milchproduktion nimmt ständig zu, nicht zuletzt hervorgerufen durch eine kurze Nutzungsdauer von durchschnittlich 2,5 Laktationen. Ein Grund hierfür sind mastitis-bedingte finanzielle Einbußen, die insgesamt auf 150-300 EUR pro gehaltener Kuh und Jahr geschätzt werden.

Erregerübertragung beim Melken. Fotos: Hubal

Die Ursachen für die Mastitis der Milchkuh sind vielfältig. Neben Haltungs- und Fütterungsmängeln spielen Probleme bei der Melktechnik und der Stall- und Melkhygiene eine Rolle. Weltweit werden in der Fachliteratur immer wieder Zahlen zu Einkommensverlusten durch Mastitis ermittelt. Dabei reicht die Spannweite von 150-300 EUR je gehaltener Milchkuh und Jahr. Dies sind je nach Herdenleistung 2-4 ct je kg erzeugter Milch! Das ist unbestritten ein entscheidender Anteil des Ertrages, der die Rentabilität eines Milchviehbetriebes beeinflusst. In der Regel nimmt der Milcherzeuger die akuten Mastitisfälle wahr, bei denen hauptsächlich die Behandlungskosten und die verworfene Milch als Kosten bzw. als Verlust ins Auge fallen. Tatsächlich jedoch verursachen Milchverluste durch subklinische Mastitis 5-10-mal höhere Einbußen, die jedoch nicht unmittelbar wahrgenommen werden. Der Eutergesundheitsdienst der LWK Niedersachsen schätzte die mastitis-bedingten Verluste im Jahr 2002 auf 86 Mio. EUR bzw. 220 EUR je Kuh. Davon wären 67 Mio. EUR bzw. 175 EUR/Kuh durch entsprechende Maßnahmen vermeidbar gewesen. Bundesweit werden diese Verluste auf 1,4 Mrd. EUR geschätzt (DVG 2014).

Die direkten Verluste einer akuten Mastitis sind augenfällig: Zunächst erfährt die Kuh eine Behandlung, die Milch wird für mehrere Tage verworfen. Zusätzlich ist ein Mehraufwand an Arbeitszeit für dieses Tier notwendig. Die Angaben für die Behandlung belaufen sich auf ca. 20 EUR je Kuh und Jahr, was schon verdeutlicht, dass hier nicht der Schwerpunkt der Verluste liegt. Auch die verworfene Milch und der erhöhte Arbeitsaufwand führen letztlich zu Kosten von ca. 50 EUR bei einer akuten Mastitis. Bei ca. 50 % klinischen Fällen/Jahr wird jede gehaltene Kuh mit 25 EUR/Kuh und Jahr belastet. Was macht also die Kosten für mangelhafte Eutergesundheit hauptsächlich aus?

Folgeverluste und versteckte Verluste

Die Hauptverluste durch Mastitis werden verursacht durch verringerte Milchproduktion und erhöhte Bestandsergänzung. Bei einem durchschnittlichen Zellgehalt von 220.000 Zellen/ml (MLP-Durchschnitt Schleswig-Holstein 2018) geht bereits über 6 % der Milchleistung verloren. Dies entspricht bei einer durch-schnittlichen Jahresleistung von 8.700 kg über 500 kg/Kuh! Damit verursachen die Milchverluste durch erhöhten Zellgehalt bereits 60-70 % der Gesamtverluste! Da subklinische Fälle weitaus häufiger sind als klinische, ist davon auszugehen, dass diese hohen Verluste unbemerkt auftreten. Dies legt die Behauptung nahe: Vorbeugende Maßnahmen sind die richtige Investition!

Weitere Verluste entstehen in erheblichem Maße durch die erhöhte Bestandsergänzung. Mehr als 11 % aller Kühe verlassen die Bestände aufgrund von Eutererkrankungen. Diese müssen durch Tiere ersetzt werden, die sonst verkauft werden könnten oder sogar zugekauft werden müssen. Dies birgt weitere Risiken. Hierdurch entstehen ca. 20 % der wirtschaftlichen Verluste. Auch andere Folgen von Eutererkrankungen werden oft unterschätzt. So erreichen Kühe mit überstandener Mastitis aufgrund von Gewebsveränderungen oft nicht mehr das Leistungsniveau, welches sie ohne diese erreicht hätten.

 

Aufwand für vorbeugende Maßnahmen lohnt sich

Das Vormelken in den Vormelkbecher reduziert die Erregerübertragung und erleichtert die Vorgemelkskontrolle.

Das Ziel vorbeugender Maßnahmen ist:

  • die Anwesenheit von Erregern im Betrieb so gering wie möglich zu halten.
  • die Übertragung dieser Erreger zu minimieren.
  • die Abwehrmechanismen der Kuh so intakt wie möglich zu halten.

Die Eutergesundheit einer Milchviehherde lässt sich anhand verschiedener Kontrollmechanismen überwachen. So sollte es selbstverständlich sein, die Daten aus der Milchleistungsprüfung regelmäßig zu analysieren. Welche Kühe haben erhöhte Zellgehalte? Mit diesen Daten können Sie subklinische Fälle herausfiltern und entsprechend reagieren. Wie ist der Verlauf der Zellgehalte über die Monate bei den einzelnen Kühen? So können Kühe mit dauerhaft hohen Zellgehalten entdeckt werden, die sonst unauffällig sind. Sind einzelne Kühe krank trockengestellt worden? Wie ist das Fett/Eiweiß-Verhältnis? Stimmt die Fütterung noch?

Ein weiteres Kontrollinstrument ist der Milchzelltest, der in keinem Melkstand fehlen sollte. Hiermit können kostengünstig verdächtige oder trockenzustellende Tiere untersucht und behandelte Tiere nachuntersucht werden. Auch die Untersuchung von sauber gewonnenen Viertelgemelksproben ist eine unumgängliche Kontrollmaßnahme, die sowohl in klinischen als auch in subklinischen Fällen Auskunft über die im Betrieb relevanten Mastitiserreger gibt.

Einmalhandschuhe und Einmaltücher zum Reinigen sollten auf jedem Betrieb Standard sein.

Vorbereitung ist das halbe Melken
Es kursiert leider immer noch der Irrglaube, hochleistende Milchkühe bedürfen keiner Stimulation, weil die Milch teilweise schon vorm Melken aus den Zitzen läuft. Diese These wurde jedoch schon vielfach durch Untersuchungen widerlegt. Danach sind ca. 20 % der Milch in der Zisterne des Euters gespeichert und 80 % in den Alveolen, für deren Abgabe die Ejektion notwendig ist. Für die Ejektion der Milch ist das Hormon Oxytocin verantwortlich, welches nur bei mechanischem Reiz der Zitzenspitze ausreichend ausgeschüttet wird. Die Kuh benötigt ca. 1 Minute Zeit vom Beginn der Vorbereitungen (Vormelken, Reinigen) bis zur optimalen Abgabe der Milch, ohne Einbrüche im Milchfluss (Bimodalität). Beachtet man diese Grundsätze, so wird sowohl die Melkzeit als auch der Ausmelkgrad positiv beeinflusst. Die Zeit für das Vorbereiten der Kuh (Vormelken, Reinigen) beträgt im Durchschnitt 10-20 Sekunden, sodass bis zum Ansetzen weitere 2-5 Kühe vorbereitet werden können. Dies führt in Gruppenmelkständen (Fischgrät, Side by Side) zu einer Melkroutine, die das Melken von 50-70 Kühen/Stunde/Melker ermöglicht. Das Weglassen der oben genannten Melkroutine führt zu längeren Melkzeiten und schlechterem Ausmelkgrad!

Positionierung und Kontrolle des Melkzeuges
Das Melkzeug sollte frei hängend und gerade unter dem Euter positioniert sein, sodass es Bewegungen der Kuh folgen kann und kein Melkbecher durch Hebel- oder Drehkräfte beeinträchtigt wird. Hierauf sollte auch während des Melkvorgangs immer wieder geachtet werden, um ggf. korrigierend einzugreifen.

Melkende – Ende gut – alles gut?
Das Ende des Melkvorgangs zu erkennen, bereitet vielen Melkern Schwierigkeiten, da der Milchfluss im Schauglas des Melkbechers, wenn vorhanden, nur schwer einschätzbar ist. Ebenso schwer lässt sich dieser im Sammelstück einschätzen. In unseren Regionen wird dieser Vorgang sicherlich zu einem großen Anteil von der Technik übernommen, da die automatische Abnahme in Melkständen sehr verbreitet ist. Wer überprüft jedoch regelmäßig die Funktion dieser Einrichtungen? Untersuchungen in Sachsen ergaben, dass ein beträchtlicher Anteil dieser Geräte nicht zeitge-recht arbeitet! Auch die Beurteilung des Ausmelkgrades macht vielfach Schwierigkeiten, weil die Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Betrieben fehlen und die Nachgemelksmenge in aller Regel nicht quantitativ erfasst wird. Prüfen Sie gelegentlich Nachgemelksmengen mit dem Litermaß. Hierbei sollten im Mittel 300 ml je Kuh nicht überschritten werden. Ab einem Mittel von 500 ml/Kuh sollte eine Verbesserung auf jeden Fall herbeigeführt werden. Nicht jede Kuh ist für die automatische Abnahme ge-eignet. Bis ca. 5 % der Herde kann unter Umständen eine manuelle Abnahme erfordern. Der Abnahmevorgang sollte schonend erfolgen, so dass das Melkzeug erst nach weitgehendem Abbau des Vakuums entfernt wird. Dies lässt sich bei einigen Fabrikaten betriebsindividuell einstellen.

Überprüfungsmöglichkeiten
Sowohl die Melkarbeit als auch die Funktion der Abnahmetechnik lassen sich mit dem LactoCorder überprüfen. Dieses Gerät zeichnet den Verlauf des Milchflusses tierindividuell auf und bietet die Möglichkeit, sowohl über einzelne Tiere, einzelne Melkplätze, die Herde und die Melkarbeit Aussagen zu treffen.

Melkhygiene
Vor dem Melken sollten saubere Kleidung und Melkhandschuhe angelegt werden. Das Vormelken in einen Vormelkbecher verhindert die Übertragung und Verschleppung der Erreger durch die Klauen und ermöglicht eine Beurteilung. Die anschließende Reinigung der Zitzen leitet die Milchhergabe ein und verringert die Anzahl von Keimen auf der Zitzenhaut, sodass das Risiko des Transports von der Haut in die Zitze während des Melkens verringert wird.

Nach dem Melken ist das Dippen der Zitzen mit einem als Tierarzneimittel zugelassenen Zitzendesinfektionsmittel ratsam. Dieses sollte natürlich ausreichend Pflegekomponenten enthalten. So werden auf der Haut verbliebene Keime abgetötet, die Zitze während der kritischen Zeit nach dem Melken vor dem Eindringen von Keimen geschützt und die Zitzenhaut intakt erhalten.

Dr. Michael Hubal
Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Melkzeugzwischendesinfektion

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