Zeitenwende in der Milchwirtschaft
Rückblick: Mitte März trafen sich auf dem 14. Berliner Milchforum Vertreter aus Praxis, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Das Thema lautete: Bewegte Zeiten in der Milchwirtschaft: Wie stellen wir die Zeichen für die Zukunft?
Als alljährlicher Branchentreff bot das Berliner Milchforum auch 2024 den Akteuren der Milchbranche die Bühne für heiße Diskussionen und enge Vernetzung. Die 14. Auflage des Milchforums stand unter dem Titel Zeitenwende. Im Zentrum stand neben agrarpolitischen Vorhaben wie der Novelle des Tierschutzgesetzes und der Bedeutung des ländlichen Raums auch die Frage, wie Milchviehhalter in Zukunft rentabel wirtschaften können. Das Forum wurde in diesem Jahr wieder vom Deutschen Bauernverband und dem Milchindustrie-Verband in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Raiffeisenverband und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft ausgerichtet. Die Veranstaltung fand im Titanic -Chaussee-Hotel an zwei Tagen statt, woran 500 Vertreter aus der Branche teilnahmen. Am ersten Tag fand eine Podiumsdiskussion statt und ein Begrüßungsempfang mit Eröffnung der Fachausstellung sowie der Verleihung der Bundesehrenpreise für Milcherzeugnisse. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion standen Vertreter der politischen Parteien und Wirtschaft zum Thema »Milchpolitik im Wahljahr 2024« Rede und Antwort.
Am zweiten Tag stand die Fachtagung im Mittelpunkt. Das Thema lautete: Zeitenwende in der Milchwirtschaft – wie geht es weiter? Die heutige Zeit wird nämlich von zahlreichen Herausforderungen und tiefgreifenden Veränderungen geprägt, wie Klimawandel, geopolitischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Veränderungen, aber auch vom technologischen Fortschritt. Die deutsche Milchwirtschaft will sich auch in diesen anspruchsvollen Zeiten des Wandels bewähren, die Herausforderungen und Chancen für die gesamte Wertschöpfungskette mit sich bringen. So standen die Themen Markt, Milchwirtschaft und Tierwohl, »Neues Essen« und Nachhaltigkeit auf der Agenda der Fachveranstaltung. Dort hielten kompetente Rednerinnen und Redner Vorträge und tauschten ihre Meinungen mit dem Publikum aus.
Die Eröffnungsrede hielt Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrieverbades. So erfordert Zeitenwende sich anzupassen, flexibel zu sein und neue Wege zu finden. Sie bietet die Chance, aber auch die Notwendigkeit, sich neu zu definieren und Stärken in einer sich schnell verändernden Welt zu entfalten. Die Welt wird immer komplexer, alles hängt mit allem zusammen. So ist gesunde Ernährung genauso wichtig wie Klimaschutz. Der soziale Standard soll gewährleistet sein, gleichzeitig ist für das Tierwohl und eine faire Preispolitik zu sorgen. Obendrauf verändern sich die Weltwirtschaftsströme, neue Konkurrenten entstehen, Lieferketten brechen zusammen oder Warenströme werden umgeleitet. Aber neue Techniken und Verfahren helfen mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Die Milchbranche steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Zum Glück gibt es eine starke Gemeinschaft, die hilft, den Wandel zu gestalten und die Branche auf die Zeitenwende vorzubereiten.
Inflation statt Intervention
Als erste Referentin sprach auf der Tagung Monika Wohlfahrt, Geschäftsführerin Zentrale Milchmarkt-Berichterstattung GmbH. Ihr Thema lautete: Milchmarkt im Wandel: Inflation statt Intervention. Nach zwei guten Jahren mit überdurchschnittlichen Milchpreisen sind diese Anfang 2024 wieder gesunken. Dies ist auch in Folge von Marktpolitik hin zu Nachhaltigkeitspolitik begründet. Das Milchaufkommen hat kurzfristig auf höhere Milchpreise reagiert, ist aber seit 2020 wieder gesunken und erst kürzlich leicht gestiegen. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie mehr Wetterextreme dämpften die Produktion. Das betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder in der EU und Exportländer. Insgesamt stagniert seit 2020/2021 bei leichten Schwankungen die weltweite Milcherzeugung. Dazu haben auch Preis- und Kostenschwankungen auf allen Ebenen beigetragen. Das Angebot stagniert, aber auch die Nachfrage ist zurückgegangen. Vor allem die schwächere Nachfrage aus China, wo die heimische Milcherzeugung deutlich steigt, erhöht den Wettbewerb am Weltmarkt. Der Milchmarkt ist aber je nach Produkt und Weltregion uneinheitlich. Wenn er bei Milchpulver stark und bei Butter leicht zurückging, ist der Käsemarkt insgesamt weiterwachsend. Der Markt für Magermilchpulver ist durch stärkere Konkurrenz aus Neuseeland zunehmend umkämpft. Die Milcherzeugerpreise in Deutschland und weiteren EU-Ländern sind zuletzt wieder leicht gestiegen, die Verwertung ist aber in den letzten Wochen wieder schwächer, insbesondere auf der Magermilchseite.
Abschließend führte Monika Wohlfarth für die weitere Entwicklung für den EU-Milchmarkt 2024 und für Exporte Chancen und Risiken auf. Als Chancen sieht sie die moderate Milchproduktion in der EU und den wichtigen Exportländern. Auch die Bestände an Milchprodukten sind geringer geworden. Der Weltmarkt ist trotz gesunkener Nachfrage aus China resilient und die Binnennachfrage erholt sich vom Inflationsschock. Vor allem steigt die Käsenachfrage. Als Unsicherheiten führte die Expertin die schwache Wirtschaftslage in Deutschland und weltweit an. Auch die Nachfrageentwicklung in China und weiteren Drittländern ist ungewiss. Was die Politik betrifft, da stehen neue Nitratgrenzwerte und andere Restriktionen an. Auch die Klimadebatte und Ernährungsempfehlungen haben Einfluss auf den Konsum. Aktuell gibt es auf dem Milchmarkt mehr Chancen auf der Fettseite als auf der Eiweißseite.
Raus aus dem Hamsterrad
Über Schlüssel für den Betriebserfolg informierte Dr. Birthe Lassen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft. Gemeinsam mit anderen Experten der Wertschöpfungskette Milch entwickelte sie ein Nachhaltigkeitsmonitoring für die Milchbranche. Dieses wird seit 2016 gemeinsam mit dem QM Milch e.V. als QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch (QMNMM) bundesweit ausgerollt und weiterentwickelt. Jeder vierte Milchviehbetrieb in Deutschland hat daran teilgenommen. Auf dem Podium stellte sie sich in einem Hamsterrad vor, denn auf die Milchviehhalter sind in den letzten Jahren sehr viele neue Aufgaben hinzugekommen, vor allem bürokratischer Wahnsinn, der kaum zu schaffen ist. Da stellt sich die Frage: Was habe ich davon, wann soll ich das alles machen?
Die Wissenschaftlerin versuchte Antwort darauf zu geben. In ihrem Vortrag zeigte sie Fakten aus dem QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch auf. Das beginnt schon mit den Futteranalysen und Rationsberechnungen, die oftmals ungenügend sind. Das Futter ist aber sowohl im ökonomischen als auch im ökologischen Bereich die Stellschraube auf den Betrieben, wo viel erreicht werden kann. Auch zur Milchqualität und Tiergesundheit gibt es viele Daten. Alle diese Informationen müssen die Betriebsleiter aber auch erhalten und verarbeiten können. Dazu muss man noch wissen, dass etwa 60 % von ihnen weder freie Tage in der Woche einplanen noch Urlaub machen. In Betrieben mit weniger als 50 Kühen sind es sogar 70 % der Betriebsleiter. Sie können sich also nicht erholen, um neue Kraft zu tanken. Viele von ihnen geraten dadurch in einen Dauerstress. Ohne eine stärkere Berücksichtigung der sozialen Nachhaltigkeit wird aber eine Transformation der Milchwirtschaft schwierig. Der Rat der Wissenschaftlerin lautet daher: Stärkeres Bewusstsein für Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit generieren. Es kommt auch auf die persönliche Weiterbildung jedes Einzelnen an. Wichtig ist auch die Sicherung von regelmäßigen Auszeiten für Betriebsleiter. Auch die Nutzung von technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Dokumentationspflichten kann hilfreich sein. Und nicht zuletzt lassen sich Rahmen der strategischen Verlässlichkeit schaffen, wie zum Beispiel das QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch.
Essen im Wandel
Früher haben die Menschen gegessen, was auf den Tisch kam. Was werden sie künftig essen oder wie beeinflussen Ernährungstrends die Transformation? Darüber informierte Dr. Andrea Lambeck, Geschäftsführerin Berufsverband Oecotrophologie. Unbestritten hat die Ernährung großen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen. Die Expertin nahm verschiedene Ernährungstrends unter die Lupe. So wird eine klimafreundliche und nachhaltige Ernährung gefordert. Der Umweltschutz ist ein Muss. Ein Trend-Cluster ist auch die Gesundheit. Punkte sind dort die Ernährung für den Darm, gesundes Altern, achtsame Ernährung sowie Alkoholersatzprodukte, Selbstoptimierung, digitale Ernährungstherapie und gesundes Essen außerhalb des Hauses. Allgemeines Misstrauen herrscht bei stark verarbeiteten Produkten. Dagegen sind Bioprodukte und Regionalität im Trend. Es gibt aber auch eine pflanzenbetonte und vegane Ernährung. Treiber dieser Trends sind Medien, Social Media und Foodis sowie Wissenschaft und Politik. Neueste Ratschläge zur Ernährung haben die Bundesregierung mit »Gutes Essen für Deutschland«, der Bürgerrat »Ernährung im Wandel« und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) »Gut essen und trinken« gegeben. Aus den Regeln hat die DGE elf Empfehlungen abgeleitet.
Sie lauten:
am besten Wasser trinken
Obst und Gemüse – viel und bunt
Hülsenfrüchte und Nüsse regelmäßig essen
Vollkorn ist die beste Wahl
pflanzliche Öle bevorzugen
Milch und Milchprodukte jeden Tag
Fisch jede Woche
Fleisch und Wurst – weniger ist mehr
Süßes, Salziges und Fettes – besser stehen lassen
in Bewegung bleiben und auf das Gewicht achten.
Besondere Aufmerksamkeit richtete die Expertin auf Milch und Milchprodukte. Diese liefern insbesondere Eiweiß, Calcium, Vitamin B² und Jod und unterstützen die Knochengesundheit. Die Auswahl an Essen ist in Deutschland bedeutend größer und vielfältiger geworden. Da kommt es aber darauf an, sich auszukennen und die richtige Auswahl zu treffen.
Milchkühe geben auch Fleisch
Deutschlands erste Beauftragte der Bundesregierung für Tierschutz ist Ariane Kari. Die Tierärztin stellte auf der Tagung ihre Tätigkeit vor. Sie arbeitet politisch und fachlich unabhängig und fördert mit ihrer Tätigkeit die Weiterentwicklung des nationalen und internationalen Tierschutzes sowie den Austausch zwischen Bund, Ländern und Verbänden. Ihre drei wesentlichsten Aufgaben sind die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, die fachliche Beratung zur Ausarbeitung besserer tierschutzrelevanter Gesetze und Verordnungen sowie die verbesserte Schnittfläche zwischen Tiermedizin und Recht. Sie ist davon überzeugt, dass Wissen Tiere schützt und Unwissen zu Tierleid führt. Deshalb bemüht sie sich, wissenschaftliche Erkenntnisse über tierische Bedürfnisse zügig in die Praxis zu bringen und damit den Tieren in der Öffentlichkeit eine Stimme zu geben. Die drei Säulen basieren auf dem Fundament der Netztwerkarbeit. So werden gebündelte Stimmen eher gehört. Deshalb erfolgt ein Austausch mit Tierschutz- und Tierhalterorganisationen sowie mit Bundestagsfraktionen und -ministerien. Auch ein runder Tisch mit Tierheimeinrichtungen ist angesagt.
Aus Tierschutzsicht gibt es auch Handlungsfelder in der Milchviehhaltung. So erfolgte der Anstieg der Milcherzeugung in Deutschland in den letzten Jahrzenten bei sinkendem Milchkuhbestand. Grund dafür war die höhere Milchleistung je Kuh. So gaben die Kühe aller Rassen 1950 im Durchschnitt 2 600 kg Milch. 2021 waren es 8 550 kg. 2022 wurden in Deutschland von 3,82 Mio. Milchkühen 32,4 Mio. t Milch erzeugt. Handlungsfelder aus Tierschutzsicht sind in der Milchviehhaltung die steigenden Leistungen, der Umgang mit den männlichen Kälbern, das Enthornen und die Anbindehaltung. So kommen die männlichen Kälber bis zur zweiten Lebenswoche überwiegend in Einzelhaltung unter. Vier Wochen verbleiben sie in den Milchviehbetrieben und werden dann verkauft. Nur ein kleinerer Teil der Tiere verbleibt in Deutschland, wo die Mast überwiegend auf Vollspaltenböden erfolgt. Das muss sich ändern. Auch beim Enthornen sind Änderungen erforderlich. Aktuell liegen ein Amputationsverbot sowie ein Betäubungsgebot unter Vorbehalt des Tierarztes vor. Noch ist allerdings der Eingriff vom Landwirt möglich, aber zusätzlich unter Lokalanästhesie durch den Tierarzt. Auch über die Anbindehaltung der Kühe wird hart diskutiert. Diese ist vor allem in Süddeutschland noch stark verbreitet und erlaubt den Tieren keine freie Bewegung. Ein anderes Problem ist die geringe Nutzungsdauer der Milchkühe. Im Durchschnitt erreichen sie kaum drei Laktationen, die Hälfte der Abgänge sind krankheitsbedingt. Da wäre es aus der Sicht der Tierschutzbeauftragten sinnvoll, Zweinutzungsrinder zu halten, die neben Milch auch gutes Fleisch geben. Prüf- und Zulassungsverfahren von Haltungssystemen sollten für den Landwirt für Rechts- und Planungssicherheit sorgen.
Denken in Generationen
Wie geht Österreich mit der Anbindehaltung um? Antwort auf diese Frage gab Dr. Adolf Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich. Er sprach über Erfahrungen und Projekte aus der Praxis. Österreich verabschiedet sich gerade endgültig von der dauernden Anbindehaltung beim Milchvieh. Die Kombinationshaltung bedeutet verpflichtenden Auslauf und/oder Weide. Der moblierte Auslaufstall zeugt von Kreativität und bietet Anpassungsspielraum. Weil über 90 % der österreichischen Milchproduktion im Berggebiet erfolgt, war es Ziel des Projektes »Berg-Milchvieh« Perspektiven der betrieblichen Weiterentwicklung aufzuzeigen. In Österreich werden derzeit etwa 3,5 Mio. t Milch pro Jahr an 65 Verarbeitungsbetriebe inklusive Molkereien und Sennereien geliefert. Die Milchprodukte werden in 102 Länder exportiert. Über 90 % der Milch stammt aus benachteiligten Gebieten, 66 % aus Berggebieten. Die Kühe geben im Durchschnitt 7 400 kg Milch pro Jahr. 85 % gehören zu den Zweinutzungsrassen Fleckvieh, Braunvieh und Pinzgauer. 100 % der Milch wird GVO-frei erzeugt, darunter Heumilch, Biomilch,Bio-Heumilch und Almen-Milch. Mit vielen Produkten ist auch das AMA-Gütesiegel »Tierhaltung plus« verbunden.
2005 wurde ein einheitliches Bundestierschutzgesetz mit Entwicklungsvorgaben geschaffen. Es verpflichtet zum Auslauf und/oder Weidehaltung bei Rindern. Mit Toleranzregelungen muss es nun bis Ende 2029 umgesetzt sein. Tierwohl braucht Zeit, Tierschutz muss man als Marathon betrachten. Die Weiterentwicklung der Haltungssysteme für eine zukunftsträchtige Milchviehhaltung im Berggebiet hat das EIP-Projekt Berg-Milchvieh vorangebracht. Dazu wurden innovative Baulösungen geschaffen und auch betriebliche Alternativen aufgezeigt. Hauptgründe für bauliche Investitionen waren neben der Verbesserung des Tierwohls auch die der Arbeitsbedingungen. Die Baukosten je Kuhplatz stiegen allerdings in den letzten zehn Jahren nahezu auf das Doppelte und liegen derzeit bei etwa 25 000 €. Innovative Baulösungen heißt aber auch Denken in Generationen. Die Bauern investieren in die Zukunft, auch um Produktions- und Einkommensmöglichkeiten zu erhalten.
Mit Emmi in die Zukunft
Als Tochtergesellschaft der Emmi-Gruppe ist Emmi-Deutschland die Nummer 1 am deutschen Markt mit hochwertigen Schweizer Milchprodukten. Internationale und eigenständige Markenkonzepte in den Bereichen Frische, Käse und Convenience ergänzen das Sortiment. Der Fokus liegt auf dem Eiskaffee Emmi CAFFÈ LATTE und dem höhlengereiften KALTBACH Käse. Matthias Neu und Markus Blatter informierten über dieses Unternehmen. Ihr Thema lautete: Gute Milchprodukte fallen nicht vom Himmel, aber vielleicht aus der Cloud. Matthias Neu gilt als Experte für digitale Transformation und begleitet seine Kunden auf dem Weg in eine technologie-gestützte Zukunft. Markus Blatter verantwortet die Zukunftsstrategie von Emmi und befähigt das Unternehmen somit, den Anforderungen eines volatilen Marktes mit schnellen Kursbewegungen flexibel zu begegnen.
In ihrem gemeinsamen Auftreten wurde deutlich, warum für Emmi der Weg zu einem cloudbasierten ERP-System unabdingbar war und welche strategischen Herausforderungen das Unternehmen damit meistern kann. Die operativen Besonderheiten von Molkereibetrieben werden in vielen marktgängigen Lösungen nicht ausreichend abgebildet. Dies war jedoch eine der zentralen Anforderungen von Emmi, um bei den Themen Qualitätssicherung, Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit und Reporting den eigenen und den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.
Tiergesundheit im Blick
Milchviehhaltung im Wandel lautete der Vortrag von Prof. Dr. Alexander Starke von der Veterinärmedizinischen Universität Leipzig. Der Experte hat sich einen Namen durch die erfolgreiche Behandlung klauenkranker Tiere gemacht. Auf dem Milchforum richtete der Fachtierarzt für Rinder seine Gedanken auf die Zukunft der Milchviehhaltung aus. So hat Nutztierhaltung Bedeutung für gesunde Lebensmittel von gesunden Tieren und damit auch für die Gesundheit der Menschen. Da stellt sich aber die Frage: Was haben wir mit unseren Nutztieren, den Kühen, gemacht? Seine Antwort: »Wir haben sie nach unseren Vorstellungen domestiziert, also in Ställe gesperrt und bestimmt, was sie fressen sollen. Haltungsumfeld und Gruppengrößen werden vom Menschen bestimmt. Auch die natürliche Selektion ist ausgeschaltet. Deshalb sind wir verantwortlich für unsere Arbeit und die Tiere, welche wir nutzen. So kommt es auch bei hohem Leistungsniveau auf eine gute Herdengesundheit an. Tiergesundheit, Produktivität und Wohlbefinden gehören zusammen.«
Weiter war von Prof. Starke zu hören, dass Probleme in modernen Milchviehbetrieben meistens multifaktorielle Faktorenerkrankungen sind. Lösungsansätze erfordern eine perfekte Datenbasis sowie ein strategisches und prozessbegleitendes Agieren. Die Tiergesundheit in Milchviehbeständen ist ein Arbeitsfeld für Tierhalter, Klauenpfleger und Tierärzten. Dazu gehört auch eine tägliche Kontrolle im Melkstand. Es kommt also besonders auf das Tiergesundheitsmanagement an Allerdings wird die Orientierung auf Tiergesundheit immer mehr auf die Herde ausgerichtet anstatt auf die Krankheit des Einzeltieres. Abgangsursachen sind vor allem Unfruchtbarkeit, sowie Euter- und Klauenerkrankungen. Ein besonderes Problem sind immer noch die Klauenerkrankungen, worunter etwa 25 % der Kühe leiden. Erfolgsrezept in Spitzenbetrieben sind beste Futtergrundlage und gute Rationsgestaltung sowie ordnungsgemäße Ställe und eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter Fachkräfte. Gesunde Klauen und Gliedmaßen sind nämlich die Basis der tierwohlgerechten Haltung von Rindern. Gesundheit ist die Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit der Kühe und damit für ökonomisch erfolgreiche Milchproduktion. Die Klauengesundheit auf den besten Stand zu bringen ist daher vorrangiges Ziel. In Sachsen gibt es sogar eine Kompetenzstelle für Klauengesundheit. Leitbild sind Tierwohl und Tiergesundheit in einer modernen, verantwortungsbewussten und rentablen Milchproduktion. Die in der Branche tätigen Menschen müssen qualifiziert und kompetent an attraktiven Arbeitsplätzen auskömmlich wirken können.
Fazit
Das Resümee der Tagung zog abschließend Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes: »Es war eine erfolgreiche Veranstaltung mit über 500 Teilnehmern. Wir hatten einen bunten Blumenstrauß an Themen. Das hat sich im Motto des Milchforums »Zeitenwende in der Milchwirtschaft« widergespiegelt. Die Vorträge und Diskussionen passten gut in das aktuelle Geschehen. Wir brauchen verlässliche und umsetzbare Rahmenbedingungen aus der Politik mit Anreizen anstatt Verboten. Wichtig sind auch Wertschätzung in der Breite der Gesellschaft, finanzielle Honorierung und abgestimmte Zusammenarbeit innerhalb der Kette mit Milcherzeugern, Molkereien, Handel und Verbrauchern. Nur so schaffen wir auch erfolgreich mit möglichst vielen Betrieben die Zeitenwende der Milchwirtschaft. Dies ist nichts Geringeres als ein Spagat zwischen Ernährungssicherung, Klima- und Artenschutz sowie Tierwohl. Das 15. Berliner Milchforum wird am 13. und 14. März 2025 wiede« in Berlin stattfinden.«
Fritz Fleege