Weide-Bündnis kämpft vehement um Haltestufe 4
Mit scharfer Kritik reagiert Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Hannover auf die neue Anweisung des Handels an Molkereien: Hintergrund ist eine neue Kennzeichnung des Lebensmittelhandels für Milch und Milcherzeugnisse und damit auch eine neue Einordnung der Weidemilch.
Weidemilch soll künftig mit Milch aus Laufstallhaltung oder aus einem Offenfrontstall auf einer Stufe stehen. Die Ministerin befürchtet: Die mit zusätzlichem Aufwand erzeugte Weidemilch befinde sich dann in einem Topf zusammen mit Milch aus Labels, die keine Weidehaltung vorschreiben. In einer Presseverlautbarung des Ministeriums heißt es: »Eine angemessene Bezahlung für dieses Mehr an Leistung lässt sich den Erzeugerinnen und Erzeugern von Weidemilch nicht mehr zuordnen. Auch die Verbraucher werden dadurch in die Irre geführt. Das Bündnis fordert daher, dass die vielfältigen Effekte der Weidehaltung zwingend einer Haltungsstufe, die diese Bezeichnung auch beinhaltet, vorbehalten sein sollte – nämlich der Stufe 4 (»Haltungsstufe 4 – Weide«). Mit diesem Schritt könnte der mit der Weidehaltung verbundene Mehraufwand zielgerichtet und angemessen entlohnt werden.« Die Kennzeichnung von Haltungsform.de finden Verbraucherinnen und Verbraucher auf Verpackungen bei ALDI Nord, ALDI SÜD, Bünting Gruppe, EDEKA, Kaufland, LIDL, Netto Marken-Discount, PENNY und REWE.
Dr. Arno Krause, Geschäftsführer des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen und Vorsitzender des Kuratoriums ProWeideland: »Sollte ProWeideland mit seinen fachlich fundierten Haltungsvorgaben nicht in der einzig dafür vorgesehen Haltungsform-Stufe 4 eingeordnet werden, wird das den Rückgang der Weidehaltung noch deutlich beschleunigen. Es ist völlig unverständlich und entbehrt aus unserer Sicht einer fachlichen Begründung, warum Weidebetriebe unbedingt zusätzlich einen Laufhof am Stall vorweisen müssen, die einer Eingruppierung von ProWeideland in Stufe 4 einzig im Wege steht.« Manfred Tannen, Milchviehhalter und Mitglied des Kuratoriums ProWeideland: »Um mit der Neuordnung bei der Haltungsform den Rückgang der Weidehaltung nicht dramatisch zu beschleunigen, gibt es eine moralische Verpflichtung der Akteure des Lebensmitteleinzelhandels, mit uns Landwirten in die Diskussion um die Kriterien der neuen Haltungsform 4, genannt Auslauf/Weide, einzutreten.« Anne Hamester, Geschäftsführerin von PROVIEH, Deutschlands Organisation für Nutztierschutz: »Trotz eindringlicher Forderungen und Gesprächsgesuche wurde offensichtlich entschieden, Weidemilch in der Stufe Frischluftstall abzuwerten. Damit trickst der LEH Verbraucher wie Landwirte aus, um Tierwohl-Milch günstiger einkaufen zu können, und gefährdet ganz klar die Weidehaltung in Deutschland. Jetzt muss die Notbremse gezogen und das Label Haltungsform schnellstmöglich angepasst werden. PROVIEH fordert: Weidemilch gehört in die Haltungsstufe Weide, nicht in die Stufe Frischluftstall!« Stephanie Töwe, Agrarexpertin von Greenpeace Deutschland: »Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel will mit einer modifizierten Haltungskennzeichnung, Weidemilch mit Milch von Kühen gleichsetzen, die nie in ihrem Leben eine Weide betreten haben. Das ist ein riesiger Fehler, nicht nur aus Tierschutzsicht. Der Handel nimmt sich damit selbst eines der wichtigsten Instrumente zum Erhalt der Artenvielfalt. Denn Weiden gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Wer die Weidemilch degradiert, bringt diese Lebensräume in Gefahr. Wir fordern vom LEH, dieses Vorgehen umgehend zu stoppen. Weidemlich muss in der Haltungsform des LEH höher eingestuft werden und fair bezahlt werden.«
hs