Milchwirtschaft fordert Konzentration auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland

29. Oktober 2024

Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes Peter Stahl zeichnete anlässlich der Jahrestagung des Verbandes in Lindau ein Stimmungsbild aus der Branche und ordnet aktuelle politische Entwicklungen ein.

MIV-Vorsitzender Peter Stahl Foto: Archiv

„Unsere Mitglieder stehen für Produktvielfalt und die Innovationsfähigkeit einer mittelständisch geprägten Branche – das ist ein großer Wert für den Verbraucher. Der Mittelstand gilt gemeinhin als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Allerdings beklagen die Verbandsmitglieder weiterhin die hohen Produktions- und Bürokratiekosten, für die die gestiegenen Energiepreise eine der Hauptursachen sind. Darüber dürfen auch die zuletzt gesunkenen Preise nicht hinwegtäuschen. Das setzt die heimische Milch und die Milchverarbeiter unter hohen Druck. Außerdem macht die aktuelle Überregulierung unseren Unternehmen schwer zu schaffen, trotz Zusagen der Politik seit Jahrzehnten, diese abzubauen. Hier muss die Politik dringend gegensteuern – nicht nur aus Sicht der Milch“, forderte der MIV-Vorsitzende.

Kostendruck auf Molkereien wächst

Die Molkereien investieren seit Jahren in den Klimaschutz und setzen dabei verstärkt auf erneuerbare Energien. Doch auch hier sind die gesetzlichen Vorgaben derart kompliziert und zeitraubend, dass unsere Unternehmen nicht nur deswegen immer wieder vor großen Herausforderungen stehen. Es behindert ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den europäischen Nachbarn und auch auf dem Weltmarkt. Durch die ortsgebundene Milcherzeugung können Molkereien nicht kurzerhand den Standort wechseln, das unterscheidet die Milchbranche von anderen Branchen. Ein vergünstigter Industriestrompreis würde nicht nur der Milchbranche, sondern der gesamten deutschen Wirtschaft ein wenig Rückenwind verleihen und dem Verbraucher niedrigere Endpreise in Aussicht stellen. Nicht zielführend sind Überlegungen, Molkereien günstig Strom und Energie nur zu bestimmten Zeiten oder überhaupt zur Verfügung zu stellen. Das funktioniert nicht, wenn eine Molkerei 24/7 Lebensmittel herstellt und verarbeitet.

Preissensible Verbraucher – eine wirtschaftsfreundliche Politik ist gefragt

Die auf Molkereiseite gestiegenen Kosten u. a. für Energie oder hohe Tarifabschlüsse finden sich in den gestiegenen Produktpreisen wieder. Die überbordendende Bürokratie und die Inflation fressen die Bemühungen in den Klimaschutz auf. Die Politik überfordert die Unternehmen mit zu engagierten Zeitplänen oder Umsetzungsvorgaben, der Verbraucher wendet sich ab, weil die Kosten steigen. Milchprodukte sind nicht per se Inflationstreiber – die Preise entsprechen den Dynamiken der heimischen und internationalen Märkte. Aktuell ist festzustellen, dass der Produktpreis für Verbraucher einen besonders hohen Stellenwert bei der Kaufentscheidung hat und diese wieder mehr zu günstigeren Produkten greifen.

Die Politik muss bessere Lösungen finden, bessere Gesetze entwerfen – ein Beispiel ist der nicht bis zum Schluss durchdachte und schlecht umgesetzte Gesetzesentwurf zur EUDR, der jetzt hoffentlich verschoben wird – auf den allerletzten Drücker. Doch verliert Politik hier massiv an Vertrauen bei Bürgern und Unternehmen, die Politikverdrossenheit wächst. Natürlich werden die Molkereien weiter das Ziel verfolgen, Mehrwerte zu schaffen und dies auch dem Verbraucher zu kommunizieren, doch müssen die Konsumenten dafür die nötigen finanziellen Möglichkeiten haben.

Anbindehaltung, Enthornen und Tierschutzgesetz

Tierwohl ist richtig und wichtig. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Branche mit Spannung die weitere Entwicklung bei verschiedenen Gesetzgebungsverfahren. Aus Sicht des Verbands muss die Politik mit der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes oder auch des Tierschutzkennzeichnungsgesetzes die Rahmenbedingungen für Milcherzeuger im Auge behalten. Ziel muss es sein, erstens eine praxisorientierte Umsetzung zu ermöglichen und zweitens eine verlässliche Perspektive zu bieten. Investitionen in Stallbau und Tierhaltung erfolgen auf Jahrzehnte und nicht auf wenige Jahre.

Die ganzjährige Anbindehaltung soll abgeschafft werden. Nun geht es noch um den Zeitplan und für welche Betriebsgröße. Der MIV unterstützt die längere Zeitspanne von 10 Jahren für die Umsetzung und eine Option, über die Kombihaltung kleinbäuerliche Strukturen zu unterstützen. Die Anbindehaltung ist ohnehin schon ein Auslaufmodell, auch wenn sie eine sehr lange Tradition hat. Beim Thema Enthornen zeigen uns Nachbarländer wie die Schweiz, dass man auch die Erzeuger fachgerecht einbinden kann. Wenn faktisch nicht genügend Veterinäre zur Verfügung stehen, um das Enthornen zum richtigen Zeitpunkt auf den Erzeugerbetrieben durchzuführen, dann haben wir am Ende auch kein Mehr an Tierwohl.

„In Deutschland haben wir gute klimatische und natürliche Bedingungen, um Milch zu produzieren. Nun bedarf es auch kluger politischer Entscheidungen, damit wir diese Umstände kraftvoll nutzen können. Wir sollten dieses Potenzial heben und den Milchsektor stärken“, sagte der MIV-Vorsitzende Peter Stahl und fügte hinzu: „Unser gemeinsames Ziel ist, die Rolle der Milch in einer klimaschonenden Ernährung zu stärken und ökologische Kreisläufe zu erhalten – Milchkühen kommt hier eine Schlüsselrolle zu im Nährstoffkreislauf. Die Molkereien stehen weiterhin bereit, um die Menschen mit nahrhaften und köstlichen Milchprodukten bei einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu unterstützen“.

pm

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