Kontroverse Studie zum Milchmarkt
Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) geplanten Eingriffe in die Milchwirtschaft würden die Erzeugerinnen und Erzeuger erheblich schwächen und die gesamte Wertschöpfungskette Milch mit Mehrkosten in Höhe von im Schnitt 100 Mio. € pro Jahr zusätzlich belasten. Dies ist das Ergebnis einer veröffentlichten Studie der Fachhochschule (FH) Kiel und des ife Instituts Kiel letzte Woche.
Im Rahmen eines parlamentarischen Frühstücks in Berlin, zu dem der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) eingeladen hatte, sagte Prof. Dr. Holger Thiele (FH Kiel und ife Institut) zu den Plänen der nationalen Umsetzung des Artikel 148 GMO: »Die Ziele sind die richtigen, die Maßnahmen aber die falschen.« Ein staatlicher Eingriff in die Milchverträge sei kontraproduktiv und würde keinen positiven Effekt für die Erzeugerebene bringen.
Dies sieht auch DRV-Hauptgeschäftsführer Jörg Migende: »Das Ergebnis der Wissenschaftler ist eindeutig: Die nationale Umsetzung des Artikels 148 würde die gesamte Wertschöpfungskette Milch und insbesondere auch die Erzeugerinnen und Erzeuger schwächen, statt sie zu stärken. Sie hätten mit erheblichen finanziellen Einbußen zu rechnen. Dazu darf es nicht kommen. Die Pläne zur nationalen Umsetzung des Artikels 148 müssen endgültig vom Tisch, so wie es der DRV und auch viele Politikerinnen und Politiker schon lange fordern.« Wichtig ist Migende, dass in der Diskussion auch stets mitgedacht wird, dass die Genossenschaften in ihrer Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit zum Wohl ihrer Mitglieder gestärkt werden müssen.
In einer konstruktiven und zielorientierten Diskussion erteilte Albert Stegemann (agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) der nationalen Umsetzung des Artikels 148 eine klare Absage: »Die Ziele sind gut gemeint, funktionieren aber in der Realität überhaupt nicht.« Das Marktumfeld sei für die Preise entscheidend. Verträge könnten hier wenig helfen. Karlheinz Busen (Agrarpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion) stellte heraus: »Wir stehen voll und ganz hinter der freien Marktwirtschaft.«
Migende sagte abschließend: »Die genossenschaftliche Milchwirtschaft zeichnet für rund zwei Drittel der in Deutschland produzierten Milch verantwortlich. Es ist das ureigene Interesse der Genossenschaften, ihre Mitglieder wirtschaftlich zu stärken. Sie arbeiten täglich für die bestmöglichen Milchpreise für die in der Genossenschaft organisierten Mitglieder und behaupten sich in offenen Märkten mit gewachsenen Einflüssen globaler Angebots- und Nachfrageentwicklungen. Staatlich verordnete Vorgaben zur Gestaltung der genossenschaftlichen Liefer- und Eigentümerbeziehungen sind hierbei kontraproduktiv.«
»Ein Ergebnis, wie vom Auftraggeber gewünscht«
Mehrere Verbände kritisierten das Diskussionspapier »Analyse und Effekte von Milchliefervertragsänderungen bei Umsetzung des Art. 148 der GMO in Deutschland«. Aus Sicht der MEG Milch Board geht die Studie von grundsätzlich falschen Voraussetzungen aus. »Soweit durch die verpflichtende Einführung vertraglicher Vereinbarungen von einem Eingriff in den Markt gesprochen wird, wird schon der Grundgedanke des Art. 148 verkannt, der die Erzeuger in der Wertschöpfungskette stärken soll. Die Erkenntnis, dass die Erzeuger nicht an der Wertschöpfung partizipieren, sondern durch das System der Andienungspflicht einem Wettbewerbsausschluss unterliegen, ist spätestens seit der Sektoruntersuchung Milch des Bundeskartellamtes offenkundig. Es geht darum, durch die verpflichtende Vereinbarung konkreter Mengen und Preise vor der Lieferung den Wettbewerb überhaupt erst zu eröffnen«, stellt der Vorstandsvorsitzende der MEG Milch Board Frank Lenz klar.
Im Ergebnis wird deutlich, dass die Studie verhindern möchte, dass die Politik das aktuelle System vom Kopf auf die Füße stellt und eine Preisbildung von unten nach oben ermöglicht. »Nach wie vor erschließt sich nicht, warum es ausgerechnet den Milcherzeugern verwehrt werden soll, eigenverantwortlich Verträge über die auf ihren Betrieben gewonnene Milch abzuschließen und in diesem Rahmen insbesondere die zu liefernde Menge und den zu zahlenden Preis mitzubestimmen. Diese Freiheit, auf der unsere gesamte Wirtschaftsordnung aufbaut, soll es für die Erzeuger offensichtlich auch weiterhin nicht geben, um die Profite der Industrie zu sichern«, resümiert Lenz.
»Da haben zwei Wissenschaftler genau das Ergebnis geliefert, das ihre Auftraggeber sich gewünscht haben«, stellt BDM-Vorsitzender Karsten Hansen fest. »Die Argumentation der Professoren Thiele und Tiedemann zeigt deutlich, wie extrem an einer kompletten Verlagerung des Marktrisikos auf die Milchviehhalter festgehalten werden soll«, betont BDM-Vorstand Manfred Gilch. »Die Tatsache, dass man nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, wie das Marktrisiko gleichmäßiger innerhalb der Wertschöpfungskette verteilt werden könnte, spricht Bände. Und eben weil das so ist, brauchen wir ja überhaupt ein Umdenken und die Umsetzung des Art. 148 GMO.«
pm