„Stoffwechsel-Monitoring“ deckt Stoffwechselstörungen auf
Zur Bestimmung des Fett-, Eiweiß-, Harnstoff- und Laktosegehaltes der Milch erstellt der Milchprüfring routinemäßig ein Infrarotspektrum jeder Milchprobe. Umfangreiche Untersuchungen von LKV, MPR, Klinik für Wiederkäuer der LMU München und der Universität von Wisconsin-Madison haben gezeigt, dass sich das Milchinfrarotspektrum gesunder Kühe signifikant vom Spektrum von Kühen mit Stoffwechselproblemen unterscheidet. Ca. 2.800 bayerische Betriebe testeten das neue Frühwarnsystem.
In der Frühlaktation weisen die meisten Kühe eine negative Energiebilanz auf, welche auf die reduzierte Futteraufnahme bei gleichzeitig erhöhtem Energieverbrauch aufgrund der einsetzenden Milchbildung zurückzuführen ist. Ein Abbau der Körperfettreserven ist in dieser Zeit normal. Übersteigt der Abbau allerdings das übliche Maß, kommt es zunächst zu einem Anstieg der anfallenden freien Fettsäuren in Blut und Milch. Die freien Fettsäuren (sogenannte NEFAs, „non-esterified fatty acids“) werden nachfolgend in der Leber zu Ketonkörpern umgebaut, welche von vielen Geweben als Energieträger genutzt werden können. Eine längerfristige mangelhafte Anpassung an die negative Energiebilanz mit verstärktem Körperfettabbau, hohen Konzentrationen an freien Fettsäuren im Blut und daraus resultierender massiver Bildung von Ketonkörpern kann allerdings zu einer Ketose führen.
Während bei einer klinischen Ketose deutliche Symptome feststellbar sind und diese deshalb meist unverzüglich erkannt und therapiert wird, können die aus einer subklinischen („symptomlosen“) Ketose resultierenden verminderten Milchleistungen, Fruchtbarkeitsstörungen und erhöhten Abgangsraten längerfristig hohe wirtschaftliche Einbußen für den Betrieb bedeuten. Betroffen sind vor allem Kühe mit hoher Einstiegsleistung und Tiere, welche in der Trockenstehzeit verfetten und somit nach der Kalbung überproportional viel Fettmasse abbauen.
Durch ein kontinuierliches Monitoring mit frühzeitiger Diagnose und Therapie könnten die beschriebenen Tiere sofort erkannt und diese finanziellen Verluste weitgehend vermieden werden.
Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Schnelltests zur Feststellung einer Ketose etabliert. Hierbei wird meist die Konzentration des Ketonkörpers Betahydroxybutyrat (BHB) in Blut und Urin gemessen. Relativ neu hingegen ist die Nutzung der Infrarotspektroskopie (IR-Spektroskopie) der Milch für die Diagnostik einer Ketose. Bei dem von mpr, LKV und Klinik für Wiederkäuer der LMU München in Zusammenarbeit mit der Universität von Wisconsin-Madison gemeinsam entwickelten Stoffwechsel-Monitoringsystems werden die Infrarotspektren von Tieren mit und ohne verstärktem Körperfettabbau bzw. mit und ohne Ketose miteinander verglichen. Somit können Veränderungen der Inhaltsstoffe, welche bei einem verstärkten Körperfettabbau bzw. einer Ketose auftreten (erhöhter Milchfettgehalt, erhöhte Ketonkörperkonzentration, etc.) schnell erkannt werden. Das Frühwarnsystem für Stoffwechselstörungen kann bei Kühen in den ersten 50 Tagen eingesetzt werden und besteht aus zwei Modulen:
1. „Stoffwechsel-Risiko“: Ausmaß des Körperfettabbaus
Das „Stoffwechsel-Risiko“ beruht auf der Konzentrationsbestimmung an freien Fettsäuren im Blut, welche mittels der Infrarotspektroskopie der Milch berechnet werden können. Dieses erste Modul kann als Frühwarnsystem für sich anbahnende Probleme im Energiestoffwechsel gesehen werden, da die Konzentration an freien Fettsäuren im Wesentlichen von dem Grad des Körperfettabbaus und der Fähigkeit zur Verwertung dieser freien Fettsäuren in der Leber abhängt.
2. „Ketose-Risiko“: Ausmaß der Ketonkörperbildung
Anhand des „Ketose-Risikos“ werden die Konzentration an Betahydroxybutyrat und der Fett-Eiweiß-Quotient abgebildet. Sie informiert also über das Risiko einer Ketose und stellt Stufe zwei der möglichen Stoffwechselentgleisung dar.
Bitte beachten Sie:
- Erhöhte Ketonwerte und erhöhter Körperfettabbau in der Frühlaktation führen nicht zwangsweise sofort zu Krankheitssymptomen. Die Auswirkungen auf die Milchleistung in der Laktation und somit auf die Wirtschaftlichkeit sind schleichend und können während der Laktationsdauer erheblich sein. Zudem ist das Risiko für andere Erkrankungen bei einer übermäßigen Belastung des Stoffwechsels erhöht. Deshalb wird bei einer Warnung eine weiterführende Diagnostik bzw. frühzeitige Behandlung dringend empfohlen.
Bei dem Frühwarnsystem handelt es sich nicht um eine tierärztliche Diagnosestellung. Es ersetzt keine Untersuchung und Behandlung durch einen Tierarzt. Der Praxistest zeigt zwar eine sehr hohe Zuverlässigkeit bei der Vorhersage der Stoffwechselbelastung und des Ketoserisikos, die Befunde sollten allerdings durch den Hoftierarzt geprüft und bewertet werden. - Das Modell ist so gewählt, dass eine größtmögliche Zuverlässigkeit der Meldung „geringes Risiko“ erreicht wird, da diese unserer Erfahrung nach deutlich weniger beachtet wird als die Meldungen „mittleres Risiko“ sowie „hohes Risiko“. Zudem haben die Meldungen „geringes Risiko“ bei weitem den größten Anteil an allen Meldungen. Damit muss aber in Kauf genommen werden, dass die Meldungen „mittleres Risiko“ sowie „hohes Risiko“ eine etwas geringere Trefferrate aufweisen. Bei diesen Meldungen wird aber immer eine weiterführende Diagnostik empfohlen, sodass gesunde Tiere mithilfe dieser zusätzlichen Maßnahmen sicher erkannt werden. Das Stoffwechsel-Monitoringsystem dient also in erster Linie zur Erkennung gesunder Tiere, damit die Aufmerksamkeit gezielt auf die Risikotiere der Herde gelegt werden kann.