Endlich Wertschätzung
Aufgrund eines Preiseinbruchs bei den Schlachtviehpreisen begann Anton Steiner aus Nesselwang, seine Färsen selber zu mästen und das Fleisch an Bekannte zu verkaufen. Damals eine Notlösung, kann er sich seinen Ho aden heute nicht mehr wegdenken.
„Einen Laden gab es auf unserem Hof seit ich denken kann«, erinnert sich Anton Steiner. Bereits 1826 eröffneten seine Vorfahren auf dem zentral gelegenen Bauernhof in Nesselwang eine kleine Eisenhandlung. Der kleine Laden wurde dann von Generation zu Generation weitergeführt. »Das Sortiment wechselte immer wieder und wurde den jeweiligen Trends angepasst«, berichtet Steiner.
»In den 90er-Jahren fielen die Schlachtpreise aufgrund der Öffnung der DDR in den Keller. Diese Niedrigpreise wollte ich nicht einfach so hinnehmen, also hab ich angefangen zwei Kälber selber zu mästen und von einem bekannten Metzger schlachten zu lassen – als Versuch sozusagen«, erklärt der gelernte Landwirt. Die Hälfte des Fleisches verkaufte er an ein nahegelegenes Wirtshaus. »Dadurch habe ich das erste Mal wirklich Wertschätzung für meine Arbeit erfahren. Wir hatten damals 25 Milchkühe. Die Erzeugnisse daraus hat niemand wertgeschätzt und auch der Milchpreis war sehr schlecht. Wenn ich Fleisch verkauft habe, waren immer alle begeistert von der Qualität und wollten mehr«, schmunzelt er. Genau dieses Erfolgserlebnis habe ihm bei seiner Arbeit als Landwirt zuvor gefehlt. So entstand langsam aber sicher der Gedanke, einen Hofladen mit eigenen Produkten zu eröffnen. Anfang 2000 war es dann soweit. Anton Steiner beschaffte sich die nötigen Informationen, meldete ein Gewerbe an und begann, einen Lagerraum in einen Hofladen mit Kühlraum und Bearbeitungsraum umzubauen. Damals investierte er rund 40 000 DM in sein neues Standbein.
Der Schritt in die Direktvermarktung
»Ich hatte natürlich schon etwas Angst, ob es dann so funktioniert, wie ich es mir vorstellte, aber ich dachte mir nur: Wenn es nicht klappt, dann verkaufe ich eben alles wieder«, verrät der Chef des zertifizierten Zerlegebetriebes. Sein damaliges Ziel lautete: zehn bis zwölf Rinder im Jahr. So baute der Neueinsteiger die Anzahl der Kühe ab und erhöhte dafür den Jungviehbestand. »Ich kaufe regelmäßig Fresser im Alter von vier bis fünf Monaten ein. Mit ca. zwei Jahren sind sie schlachtreif. Das Schlachten selber übernimmt für mich das Duracher Schlachthäusle, ich zerlege das Fleisch und verkaufe es«, schildert der Direktvermarkter. »Inzwischen schlachte ich 16 Rinder. 2005 habe ich auch mit Schweinen angefangen. Im Jahr vermarkte ich momentan ca. acht Schweine«, fügt Steiner hinzu. In Steiners Hofladen gibt es aber nicht nur Fleisch in allen Variationen, sonern auch andere regionale Produkte. Steiner bietet auch Käse an, den er von regionalen Käsereien, bzw. Käskuchen zukauft. »Jede Käserei hat andere Stärken – die nutze ich. Ich hab mir sozusagen von jedem das Filetstück rausgepickt«, verrät er. Dieses Prinzip seines breiteren Sortiments habe außerdem noch einen weiteren Vorteil: »Mehr Lieferanten sind nie schlecht. Man ist nicht nur auf eine Käserei angewiesen, das erspart mir Probleme, falls es mal Engpässe, etc. gibt.«
Zurück zu Steiners Eigenprodukten. Seit einigen Monaten hat der Zerlegebetrieb nämlich etwas ganz besonderes im Sortiment: Dry Aged Steaks. »Bei Dry Aged Fleisch handelt es sich um eine besondere Reifung. Dabei wird ein ganzer Rinder- oder Ochsenrücken für fünf Wochen in einem Spezialschrank abgehangen.
Dadurch bekommt das Fleisch einen besonderen Geschmack«, erklärt der Profi. Der Rinderrücken reift in einem großen Schrank ohne Vakuum bei trockener, keimfreier, kalter Luft. Das Fleisch muss dabei mit einer dicken Fettschicht ummantelt sein. Bei diesem Vorgang verliert das Fleisch sehr viel Gewicht, die Dry Aged Steaks sind deshalb auch hochpreisiger. »Die Nachfrage nach Dry Aged Fleisch ist hoch, vor allem, da ich hiervon nicht so viel produzieren und es aufgrund des langen Reifeprozesses nur alle paar Wochen überhaupt anbieten kann«, erläutert Anton Steiner. Die Kunden würden allgemein beim Einkauf immer mehr nach solchen Spezialprodukten greifen.
Trend zum Besonderen
»Ich werde auch oft nach Porter House Steaks gefragt. Die Leute wollen immer öfter etwas Besonderes«, erklärt der 64-Jährige sich diesen Trend. Für diese Spezialprodukte benötigt der Landwirt viele Edelteile, auf der anderen Seite bleiben deshalb Gulasch und Hackfleisch übrig. Aber auch hierfür hat der Hofladen einen Abnehmer: »Das Gulasch verkaufe ich an ein nahegelegenes Wirtshaus und das Hackfleisch ans Altenheim.« Was die Planungssicherheit angeht, sieht Anton Steiner kein Problem: »Wir schlachten ungefähr alle drei bis vier Wochen. Es muss sich so überlappen, dass nichts ausgeht.
Das fertig zerlegte Fleisch vakumiere ich dann ein. Wenn ich sehe, dass es mal früher knapp wird, kann ich mit meinem Metzger auch kurzfristig einen Schlachttermin vereinbaren. Auf meinem Fleisch sitzen geblieben bin ich aber noch nie.« Außerdem müsse noch genug Zeit zum Reifen eingeplant werden. »Kurz gesagt: Rind soll abhängen, Schwein nicht«, weiß der Experte.
Wie auch viele andere Direktvermarkter darf Steiner seit der Corona-Pandemie noch mehr Kunden in seinem kleinen Laden begrüßen. »Das Bewusstsein bei den Verbrauchern ist durch Corona und die jüngsten Skandale gestiegen. Immer mehr besteht der Wunsch nach regionalem Fleisch, bei dem man weiß, wo es herkommt, was die Tiere fressen und ob sie artgerecht gehalten und geschlachtet werden«, glaubt der Hofladenbesitzer. Der Effekt für ihn? Mehr Kunden und noch mehr Wertschätzung!
Text: Kathrin Wiedemann;
Fotos: Kathrin Wiedemann (2), privat (2)
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