Grünland düngen mit Selen
Selen ist für Rinder ein essentielles Spurenelement. Aber Deutschlands Böden sind selenarm. Häufig nehmen deshalb Rinder über das Futter zu wenig Selen auf. Das bestätigen Futteranalysen: Der angestrebte minimale Gehalt an Selen in Futterpflanzen liegt bei 0,1 mg/kg Trockenmasse. In der Praxis werden aber häufig nur Werte unter 0,05 mg/kg TM erreicht. Deshalb sollte eine Ergänzung vorgenommen werden.
Wie unser Autor Adrian Urban vom Landesarbeitskreis Düngung Bayern anhand eines Versuches zeigt, ist die Selengrundversorgung bei Milchviehherden über die Düngung des Bodens möglich.
Warum ist Selen so wichtig?
Selen hat viele wichtige Funktionen im Körper: es schützt vor Stoffwechselradikalen, wirkt entzündungshemmend und ist Bestandteil von Enzymen und Proteinen. Besonders Milchkühe haben einen hohen Bedarf an Selen: Der Selengehalt des Blutplasmas sollte mindestens 70 Mikrogramm pro Liter betragen. Nur wenn eine tragende Kuh ausreichend mit Selen versorgt wird, kommt auch das neugeborene Kalb mit einem Blut-Selengehalt zur Welt, der eine gute Lebensfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und gesunde Entwicklung ermöglicht. Andernfalls sind Infektionen, Durchfälle und Atemwegserkrankungen vorprogrammiert. Sind die Kälber hingegen ausreichend mit Selen versorgt, sind diese merklich vitaler und fitter. Oft tritt bei Rindern der Mangel an Selen latent auf. Das bedeutet, die Mangelerscheinungen sind verborgen, werden nicht erkannt und führen zu einer reduzierten Leistung. Bei latentem Selenmangel kann es zu Fruchtbarkeitsstörungen und einem Rückgang der Milchleistung kommen. Bei einem akuten Selenmangel sind unmittelbare Auswirkungen auf die Tiergesundheit, wie zum Beispiel Infektionen, Gelenkentzündungen und ein vermehrtes Auftreten von Zysten, zu erwarten. Untersuchungen bestätigen einen Zusammenhang zwischen dem Selengehalt im Blut und dem Milchzellgehalt. Je mehr Selen sich im Blut befindet desto niedriger die Zellzahl in der Milch.
Wie können Rinder mit Selen versorgt werden?
Zur Versorgung mit Selen gibt es drei Möglichkeiten:
- Nahrungsergänzung mit Mineralfutter, Mineralstoffboli oder Lecksteine,
- Spritzen oder orales Verabreichen von selenhaltigen Präparaten durch den Tierarzt,
- die Verwendung selenhaltigen Düngemitteln.
Diese drei Möglichkeiten bringen unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich:
Lecksteine versorgen die Herde nicht ausreichend mit Selen, da sie nicht regelmäßig von allen Tieren genutzt werden. Außerdem enthalten Lecksteine anorganisches Selen, welches die Tiere aufgrund der Vormagen-Verhältnisse schlecht verwerten. Das gilt auch für die meisten Mineralfutter.
Handeslübliches Mineralfutter enthält ebenfalls anorganisches Selen, welches die Tiere teilweise nur zu 25 bis 30 Prozent verwerten können. Auch kann anorganisches Selen bei eisenhaltigem Tränkewasser durch die Bildung von Eisenselenit unverfügbar werden.
Selenhaltige Düngemittel können hingegen die Grundversorgung der Tiere sichern. Meist wird aber ihr Potenzial unterschätzt.
In unseren Böden ist wenig bis gar kein Selen vorhanden. Das wenige vorhandene Selen liegt in der nicht verfügbaren Selenitform vor. Das verfügbare Selenat wird mit der Zeit zu Selenit umgewandelt. Unter Luftmangel kann aus dem Selenit auch elementares Selen oder Selenid entstehen. Beide Formen können von den Pflanzen nicht aufgenommen werden (siehe Abb. 1). Selenat ist hingegen ein Anion und wird sehr gut von den Pflanzen aufgenommen – ähnlich wie Nitrat und Sulfat. Das als anorganisches Anion aufgenommene Selenat wird in der Pflanze organisch in Form von Selenomethionin gebunden. Somit steht den Tieren, die dieses Futter fressen, eine sehr hochwertige Selenquelle zur Verfügung. Ein großer Vorteil einer mit Selen angereicherten Silage ist die gleichmäßige Verteilung des Mineralstoffes im Futter. Wird Mineralfutter in den Futtermischwagen geben, ist es sehr schwer dieses einwandfrei und gleichmäßig in die Mischration einzumischen.
Eine Selenüberversorgung durch Mineraldünger, denen Selen zugesetzt wurde, ist bei ordnungsgemäßem Einsatz praktisch ausgeschlossen. Das gilt zumindest für Stickstoffdünger mit Selen, die im deutschen Handel erhältlich sind. Der Bereich zwischen optimaler Versorgung und der Überversorgung ist so groß, dass auch bei Überdosierung oder Überlappung keine bedenklichen Werte erreicht werden. Aufgrund der raschen Aufnahme des Selens durch die Wiesengräser und -kräuter wird nur der auf die Düngung folgende Schnitt mit dem Spurennährstoff angereichert. Deshalb empfiehlt es sich, mindestens zu den beiden ertragsstärksten Schnitten Nummer eins und zwei einen solchen Dünger zu streuen. Optimal ist es die Gesamte mineralische Stickstoffdüngung mit einem selenhaltigen N+S-Dünger durchzuführen. Das zeigen auch Versuche: Mit einer einmaligen Düngung kann der Selen-Gehalt des Grünlandes nicht über die gesamte Vegetationszeit erhöht werden. Wie beim Grünland funktioniert die Selen Düngung auch beim Silomais. Hier reicht hingegen eine einmalige Gabe aus, um den Gehalt zu steigern.
So wurde der Versuch angelegt: In Günzach im Allgäu wurde 2017 ein Grünland Praxisversuch angelegt, der deutlich machte, welches Potential beim Einsatz von selenhaltigen Düngern besteht. Auf einer 10 Hektar großen Fläche wurde zu den ersten drei Aufwüchsen neben der betriebseigenen Gülle ein Kalkammonsalpeter mit Schwefel und Selen gedüngt. Die anderen Flächen wurden hingegen betriebsüblich, mit Gülle und einem Mineraldünger ohne Selen, gedüngt. Die drei Aufwüchse der Versuchsfläche wurden jeweils separat einsiliert und beprobt. Die Untersuchungs-Ergebnisse des Aufwuchses bestätigten, dass sich der Selengehalt der Versuchsfläche gegenüber des Aufwuchses der anderen Fläche verdreifacht hatte. Von Ende Juli bis Ende September wurde schließlich die Silage an die gesamte Herde verfüttert. Vor dem Beginn und kurz vor dem Ende des Fütterungsversuches nahm ein Tierarzt bei fünf Tieren Blutproben. Diese wurden in einem unabhängigen Labor auf den Selenspiegel untersucht.
Das Ergebnis: Bei allen Tieren war der Blutselen-Spiegel deutlich gestiegen. Vor dem Versuch wiesen alle Kühe, bis auf eine, einen deutlichen Selenmangel auf. Nach nur neun Wochen Vorlage der selenhaltigen Grassilage konnte bereits ein annehmbarer Blut-Selenspiegel nachgewiesen werden (vgl. Abb. 2). Das seit längerem eingesetzte Mineralfutter, welches 40 Milligramm pro Kilogramm Selen enthält wurde während des Versuchs konstant in gleicher Menge weitergefüttert. Theoretisch reicht das Mineralfutter aus, um den Bedarf der Tiere zu decken. Die Blutproben zeigten aber deutlich, dass dies nicht der Fall war. Der Grund: Die schlechte Verfügbarkeit des anorganischen Selens.
Aufbauend auf den Versuch im Allgäu wurde im Jahr 2018 in Zusammenarbeit der Molkerei Danone, der Beratungsgesellschaft LKV Bayern und dem Mineraldüngerhersteller Yara weitere Praxisversuche bei Milchviehbetrieben in Rosenheim gestartet. Die bisherigen Ergebnisse zeigen auch hier, dass der Selengehalt im Aufwuchs ohne Düngung des Spurennährstoffes zu niedrig ist. Auf den Versuchsflächen die mit einem Kalkammonsalpeter mit Schwefel und Selen gedüngt wurden waren die Werte hingegen im grünen Bereich.
Fazit zur Selendüngung:
- Selenmangel ist ein häufiges Problem – auch wenn es nicht erkannt wird. Bei Selenwerten im Blutserum unter 70 µg/l sind Probleme wie erhöhte Zellzahlen in der Milch, lebensschwache und wenig saugfreudige Kälber, Fruchtbarkeitsstörungen, Gebärmutterentzündungen und Nachgeburtsverhalten vorprogrammiert.
- Behandlungen aufgrund von Selen-Mangel kosten unnötig Zeit und Geld.
- Die Selen-Versorgung lässt sich sicher, einfach und kostengünstig durch die Düngung von Selenat-haltigen Düngern bewerkstelligen.
- Eine kontinuierliche Zufuhr von Selen über das Grundfutter sorgt für einen stabilen Selenblutgehalt der Tiere.
- Alle Tiere der Herde werden sicher mit Selen versorgt – auch Nachzucht und Trockensteher.
- Optimal ist die Anwendung von selenhaltigen Düngemitteln bei Weidehaltung. So werden Rinder und Mutterkühe einfach und sicher versorgt. Aber auch bei Stallhaltung sind selenhaltige Dünger das Mittel der Wahl für eine dauerhafte Grundversorgung aller Tiere des Bestands.