Was Kühe wirklich wollen – Teil 1: Ruhe & Raum

5. Juni 2024

Natürlich wünscht sich jeder Milchviehbetrieb motivierte, gesunde, langlebige und leistungsstarke vierbeinige Mitarbeiterinnen. Damit dies gelingt, muss man ihnen aber ein optimales Umfeld bieten. Je mehr die Führungskraft Landwirt über die Bedürfnisse und Anforderungen seiner Mitarbeiterin Kuh weiß, desto besser und erfolgreicher läuft ihre Zusammenarbeit.

Die Führungskraft Landwirt sollte seiner Mitarbeiterin Kuh ein optimales Umfeld bieten. Foto: LK NÖ Horn

Wie für uns Menschen, hat auch der Tag einer Kuh nur 24 Stunden. Im Laufstall sieht der Arbeitstag der Kuh folgendermaßen aus (nach Cook 2004 und Reynolds 2010):
12-14 h Liegen
3-6 h Fressen und Trinken
2-8 h Stehen, Bewegung und Sozialkontakte
2-3 h Melken

Deutliche Verschiebungen dieser Zeitbudgets nach oben oder unten wirken sich negativ auf das Wohlbefinden der Kühe aus. Dauert beispielsweise das Melken aufgrund eines zu klein dimensionierten Melkstands viel zu lang, warten die Kühe zusätzliche Stunden vor dem Melkstand bzw. nach dem Melken im Fressgitter und verlieren Liegezeit. Ein weiteres Beispiel sind zu wenig Fressplätze. Rangniedrige Kühe stehen dann sehr lange hinter dem voll belegten Futtertisch und warten bis sie einen Platz finden. Dies wirkt sich negativ auf Fress- und Liegedauer aus.

Welche Faktoren beeinflussen den Kuhkomfort?

Die oben genannten Beispiele veranschaulichen sehr deutlich, wie komplex die Zusammenhänge im Kuhstall sein können. Kommt der Arbeitstag der Kuh aufgrund von suboptimalen Haltungsbedingungen durcheinander, bedeutet dies für das Tier Stress pur. Damit die Kuh ihren Arbeitstag stressfrei absolvieren kann, sind sechs Faktoren entscheidend, welche den Kuhkomfort wesentlich beeinflussen, nämlich Ruhe und Raum, Futter und Wasser, sowie Licht und Luft.
Dabei spielen das Alter des Stalls und die Stallform nur eine untergeordnete Rolle. In jedem Stall gibt es einfache Maßnahmen, um den Kuhkomfort nachhaltig zu verbessern. Worauf es bei den einzelnen Bereichen ankommt, dem widmet sich die Serie »Kuhkomfort« in drei Teilen.

Ruhe

Ruhe, also genügend Liegezeit, ist für Kühe ausgesprochen wichtig. Kühe wollen zwölf bis 14 Stunden am Tag ruhen. Damit dies ermöglicht wird, muss einerseits genügend Liegefläche zur Verfügung stehen und diese Liegefläche auch eine ausreichende Qualität aufweisen. Ist dies nicht der Fall, nimmt die Liegezeit merklich ab und fällt auf unter zwölf Stunden täglich. Dies bedeutet u.a. eine unnötig hohe Belastung für Klauen und Gelenke. Deutlich erhöhte Liegezeiten, über 14 Stunden täglich, können auf Klauenprobleme oder rutschige Laufflächen hindeuten. Es gibt also sehr gute Gründe, die Betten für unsere Kühe optimal zu gestalten. Eine sehr einfache Art zu überprüfen, wie gut dies im eigenen Stall gelingt, ist es, drei Stunden nach der Futtervorlage die im Stall liegenden Kühe zu zählen und diese Zahl mit der Gesamtzahl der Kühe im Stall zu vergleichen. Liegen mindestens zwei Drittel der Kühe drei Stunden nach Futtervorlage, also z.B. 20 liegende Kühe bei 30 Kühen im Stall, ist das ein sehr gutes Zeichen. Alarmzeichen bezüglich des Liegekomforts sind hingegen Kühe, die mit den Vorderbeinen oder mit allen vier Beinen in den Liegeboxen stehen. Dies deutet auf unzureichende Liegeboxeneinstellungen und/oder auf zu harte/rutschige Liegeflächen hin.

Was macht eine gute Liegebox aus?

Liegefläche: Diese sollte weich, eben und trocken sein. Kühe bevorzugen gut gepflegte Tiefboxen. Hochboxen bieten zwar arbeitswirtschaftliche Vorteile, reduzieren aber erwiesenermaßen die Liegezeiten der Kühe. Ist die Liegefläche zu hart, uneben oder feucht, verzögern die Kühe das Abliegen und stehen sehr lange mit vier Beinen in der Liegebox.

Nackenrohr: Das Nackenrohr positioniert die stehende Kuh in der Liegebox. Ist der Abstand zwischen Nackenrohr und Liegefläche (mind. 120 cm), zwischen Nackenrohr und Streuschwelle (mind. 160 cm) oder zwischen Nackenrohr und Bugschwelle (mind. 20 cm) zu gering, legen sich die Kühe nur zögerlich ab und stehen sehr lange mit den Vorderbeinen in der Liegebox.

Bugschwelle: Die Bugschwelle positioniert die liegende Kuh. Sie sollte max. 10 cm aus der Liegefläche herausragen und rund ausgeführt sein. Kühe strecken beim Liegen gerne ein Vorderbein, über die Bugschwelle hinweg, aus. Wird dieses Verhalten im Laufstall nicht beobachtet, müssen die Bugschwelle oder der Füllgrad der Tiefbox überprüft werden.

Liegelänge: Nur ein ausreichender Abstand zwischen Bugschwelle und Streuschwelle (mind. 190 cm) erlaubt es den Kühen vollständig, gerade und bequem in den Liegeboxen zu ruhen. Ist die Liegelänge zu kurz, legen sich die Kühe schräg in die Boxen, Sitzbein und Schwanz ragen über die Streuschwelle hinaus und verschmutzen stark.

Trennbügel: Die Trennbügel steuern die Kuh seitlich beim Betreten der Box. Wichtig ist dabei aber, dass die liegenden Kühe nicht mit Rippen, Wirbelsäule oder Hüfte an den Trennbügeln anliegen. Dies schmerzt die Kühe vor allem beim Abliegen und Aufstehen.

Kopfschwung: Beim Aufstehen holen die Kühe nach vorne mit dem Kopf Schwung, um die Hinterhand zu entlasten und aufzurichten. Dafür benötigen sie, gemessen ab der Bugschwelle,100 cm nach vorne und 80 cm nach oben Freiraum. Ist der Kopfschwung eingeschränkt, werden die Liegeboxen öfter verschmutzt, weil den Kühen das Aufstehen schwerer fällt.

Arbeitswirtschaftliche Vorteile

Die Meinung, dass Liegeboxen sehr knapp eingestellt werden müssen, um sauber zu bleiben, ist in der Praxis weit verbreitet. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Je stärker die Kuh in ihrem natürlichen Abliege- und Aufstehverhalten eingeschränkt wird, desto mehr Harn und Kot werden im Liegen abgesetzt und verschmutzen damit direkt Kuh und Liegefläche. Dies bedeutet mehr Arbeit bei der Liegeboxenpflege sowie beim Melken und erhöht zusätzlich auch noch das Risiko für Euterentzündungen mit Umwelterregern. Viele Beratungsfälle beweisen, dass Liegeboxen und Kühe sauberer werden, wenn die oben beschriebenen Grundsätze eingehalten werden.

Raum

Raum, also genügend Platz ist notwendig, damit Kühe im Laufstall stressfrei und sicher zwischen den Funktionsbereichen Liegen, Fressen, Saufen und Melken wechseln können. Aber nicht nur Abmessungen und Anordnung von Laufflächen, sondern auch deren Beschaffenheit und Sauberkeit spielen eine entscheidende Rolle.

Anforderungen der Kühe an den Funktionsbereich Laufen

Rutschfest: Egal mit welchem Material der Stallboden ausgeführt wurde, die Rutschfestigkeit der Laufgänge lässt oft nach wenigen Jahren schon merklich nach. Die Kühe bewegen sich dann vorsichtiger und weniger fort, reduzieren die Schrittlänge, senken den Kopf beim Gehen, sind sehr vorsichtig bei Richtungswechseln und zeigen deutlich weniger Brunstverhalten, die Verletzungsgefahr steigt. Werden diese Kuhsignale beobachtet, können Laufflächen durch Fräsen oder Schneiden wieder aufgeraut werden. Der Effekt dieser mechanischen Sanierung ist aber meist auf wenige Jahre beschränkt. Deutlich langfristiger, aber auch deutlich teurer, ist die Sanierung der Laufflächen mittels Gummiauflage.

Eben: Stufen und Unebenheiten sind absolute Risikoorte für die Klauengesundheit. Egal ob Zu- und Abgang des Melkstands, die Kraftfutterstation oder der erhöhte Übergang zwischen Lauf- und Fressgang mit Schieberentmistung, jede Stufe im Stall ist eine zu viel.

Sauber und trocken: Die Klauen der Kühe sind ursprünglich dafür gemacht, die Kühe über sanft federnden Weideboden und nicht über verschmutzte Betonflächen zu tragen. Sind Klauen und Unterbeine der Kühe verschmutzt, steigt das Risiko für infektiöse Klauenerkrankungen wie z.B. Dermatitis digitalis (Mortellaro). Außerdem bringen die Kühe über die Klauen auch Schmutz mit in die Liegebox, wobei das Vordereuter stets auf einem Bein ruht und damit auch verschmutzt wird. Spaltenböden sollten zweimal täglich, planbefestigte Böden zwölfmal täglich abgeschoben werden.

Ausreichend breit: In jeder Rinderherde besteht eine strenge Hierarchie. Das bedeutet, dass es ranghohe und rangniedrige Kühe gibt, Kühe, zwischen denen sich Freundschaften entwickeln, aber auch Kühe, die sich lieber aus dem Weg gehen. Engstellen und Sackgassen sind daher besonders für rangniedrige Kühe Risikoorte, die sie nur ungern aufsuchen, weil sie dort den ranghöheren Kühen nicht ausweichen können. In Neubauten werden für Fressgänge mindestens 4 m und für Lauf- und Übergänge mindestens 3 m Breite empfohlen. Auch in Altbauten kann es sich bewähren, die Übergänge zum Fressgang zu verbreitern, weil dadurch die Futteraufnahme und somit Milchleistung und Tiergesundheit gesteigert werden können.

Probleme mit Klauen und Gelenken zählen zu den häufigsten Abgangsursachen in unseren Rinderställen. Deshalb macht es sich auf jeden Fall bezahlt, die oben angeführten Punkte im eigenen Laufstall zu beherzigen. Eine entscheidende Rolle kommt aber auch der frühzeitigen Erkennung von Lahmheiten und der konsequenten Klauenpflege zu. Nicht erst wenn eine Gliedmaße entlastet wird, sondern bereits wenn die Kuh im Laufen oder Stehen einen leicht gekrümmten Rücken zeigt, muss das Tier im Klauenpflegestand kontrolliert werden. Bereits eine leichte, kaum sichtbare Lahmheit kostet erwiesenermaßen Futteraufnahme und erhöht somit das Risiko für Stoffwechsel- und Fruchtbarkeitsprobleme.

Dr. Marco Horn

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