Sinnvoll impfen

30. September 2020

Tierhalter und Tierärzte stehen in der Verantwortung, unsere Nutztierbestände gesund zu erhalten. Das Risiko der Weiterverbreitung von Erregern über Tiertransporte und internationalen Handel ist groß. Moderne Haltungssysteme stellen hohe Anforderungen an das Tiergesundheitsmanagment. Dabei sind Impfungen ein unverzichtbarer Bestandteil der Vorbeugemaßnahmen.

Kuh Impfen Milchpur

Ein kurzer Stich verhilft zu langer Immunität. Foto: Dr. Susanne Seidl, TGD

 

Wie funktionieren Impfungen?

Die Funktionsweise von Impfungen ist bei Mensch und Tier prinzipiell gleich.
Es wird ein abgetöteter oder abgeschwächter Infektionserreger oder ein Bestandteil eines Infektionserregers verabreicht. Das körpereigene Immunsystem bildet dagegen Abwehrstoffe. Durch komplexe Vorgänge im Organismus, aber dennoch auf natürlichste Art und Weise, entsteht im Körper eine spezifische Immunität, mittels derer sich der Impfling gegen bestimmte Erreger zur Wehr setzen kann.
Bei Erkrankungen, die nur von einem einzelnen Erreger verursacht werden, kann so die Erkrankung relativ sicher verhindert werden. Bei einer entsprechenden Impfdecke ist sogar die Ausrottung einer Krankheit möglich (Pocken, Rinderpest).
Impfungen dienen also sowohl dem Schutz des Einzeltieres als auch der gesamten Tierpopulation. Sie fördern Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Nutztiere. Ein gezieltes und konsequentes Impfkonzept kann die Erkrankungshäufigkeit im Betrieb vermindern und damit Tierarztbehandlungen und Antibiotikaeinsatz verringern. Zudem können Impfungen der Nutztiere auch den Menschen vor vom Tier übertragbaren Krankheiten (Zoonosen) schützen.

Die Impfung als Baustein im Tiergesundheitsmanagment

Oft genug haben wir es mit den sogenannten „Faktorenkrankheiten“ zu tun, was bedeutet, dass eine einzelne Maßnahme zur Bekämpfung der Krankheit nicht ausreicht, sondern dass immer mehrere Faktoren gleichzeitig verbessert werden müssen, um Erfolg zu sehen.
Impfungen sind also immer nur ein Bestandteil in der Vorbeugung von Infektionskrankheiten. Allgemeine Betriebshygiene, Haltungsbedingungen, Fütterung und Biosicherheit müssen parallel optimiert werden, damit das Immunsystem stabil genug ist, sodass Impfungen auch voll wirken können.
Jede Impfung wirkt am besten bei einem gesunden, nicht gestressten Tier. Ist ein Tier krank oder immunsupprimiert, kann es passieren, dass die Impfung im besten Fall nicht wirkt oder im schlechtesten Fall sogar negative Folgen hat.

Die „erste Impfung“: Biestmilch

Die wichtigste Vorbeugung gegen die meisten infektiösen Erkrankungen bei Kalb und Jungrind ist die ausreichende Versorgung mit Kolostrum unmittelbar nach der Geburt.
Das Kalb kommt völlig schutzlos zur Welt. Erst durch die Immunstoffe der Biestmilch wird es in die Lage versetzt, sich gegen Erreger zu wehren. Diese Antikörper wirken als passive Immunisierung und sind entscheidend für die Gesundheit des Kalbes. Mittlerweile weiss man, dass das Kolostrum außerdem neben reichlich Energie, Vitaminen und Mineralstoffen auch Stoffe enthält, die für die Ausreifung des eigenen Immunsystem des Kalbes unverzichtbar sind. Eine ungenügende Biestmilchversorgung macht sich daher nicht nur in den ersten Wochen nach der Geburt bemerkbar, sondern lebenslang!
Ein Kalb, das u.a. wegen mangelhafter Immunität schwer an Grippe erkrankt, wird oft dauerhafte Lungenschäden davontragen und womöglich im Laufe seines Lebens immer wieder an Infektionen erkranken.
Ein Kalb, das einen schweren Neugeborenendurchfall übersteht, wird als Kuh wegen Darmschädigung und schlechterer Futterverwertung oft nicht die erwartete Milchleistung bringen.
Insofern kann man eine optimale Biestmilchversorgung als „erste Impfung“ im Leben eines Rindes betrachten. Sie legt den Grundstein für eine starke Immunität gegen Infektionserreger im Kälberalter sowie für gute Leistungsbereitschaft bei stabiler Gesundheit im weiteren Leben.

Wogegen soll man impfen?

Welche Impfungen in welchem Betrieb nötig oder sinnvoll sind, kann nicht pauschal beantwortet werden. Zu unterschiedlich sind die Verhältnisse und Bedürfnisse in den Betrieben und sogar in den verschiedenen Haltungsbereichen (Aufzuchtkälber, Jungtiere, Färsen, Kühe). Der Seuchenstatus der einzelnen Herde bzw. der Region beeinflusst die Risikoeinschätzung. Tierseuchenrechtliche Maßgaben können Impfungen vorschreiben oder auch verbieten. Letztlich spielen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. So können zwei benachbarte Betriebe völlig unterschiedliche Impfstrategien haben. Es sollte gemeinsam mit dem Hoftierarzt ein auf die jeweiligen Bedürfnisse des Bestandes zugeschnittenes Impfkonzept entwickelt werden.
Wichtig ist die entsprechende Diagnostik. Oft müssen die ursächlichen Erreger erst aufgefunden und identifiziert werden (z.B. Nasentupfer, Kotproben, Sektionen), damit der passende Impfstoff und das richtige Impfschema eingesetzt werden können.

Impfempfehlungen der StiKo Vet

Die Experten der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) geben regelmäßige Impfempfehlungen für Rinder heraus.
Die sogenannte Impfampel zeigt, für welche Bestandssituation die Impfung empfohlen wird (grüne Punkte), nach behördlicher Genehmigung möglich (gelb), oder grundsätzlich verboten ist (rot).
Im folgenden kurze Erläuterungen zu ausgewählten Krankheiten, angelehnt an die Empfehlungen der StiKo Vet.
Blauzungenkrankheit: Die behördliche Genehmigung liegt vor. Wegen der aktuellen Seuchensituation wird seit Dezember 2016 die Immunisierung gegen BTV 4 und BTV 8 empfohlen.

BHV I: Deutschland ist amtlich frei von BHV I. Die Impfung ist verboten.

Bovine Virusdiarrhoe (BVD): Durch die staatliche Bekämpfung mittels Ohrstanzenbeprobung schreitet die Tilgung des Virus fort. Allerdings wird BVD nicht in allen Nachbarländern bekämpft und es treten auch in Deutschland noch PI-Tiere (persistent infizierte Tiere, Virämiker) auf. Ob eine Impfung sinnvoll ist, hängt angesichts des komplexen Infektionsgeschehens von vielen Faktoren ab. Es ist wichtig, die Situation im eigenen Bestand kritisch zu bewerten. In einem geschlossenen Bestand mit strengen Biosicherheitsmaßnahmen und einer konsequenten Überprüfung der Zukäufe ist das Risiko eines Erregereintrags geringer als bei unkontrollierten Zukäufen, Gemeinschaftsweiden oder anderen Kontaktmöglichkeiten zu bestandsfremden Tieren. Eine individuelle Risikoabschätzung für jeden einzelnen Bestand ist erforderlich, um daraus gegebenenfalls Impfempfehlungen abzuleiten.

Bronchopneumonie (Rindergrippe): Sie ist vorwiegend eine Kälber- und Jungtiererkrankung, die zu den Faktorenkrankheiten gehört. In betroffenen Milcherzeugerbetrieben kann es sehr sinnvoll sein, Kälber und Jungrinder zu impfen. Für Kälber in den ersten Lebenswochen ist die intranasale Impfung vorzuziehen, da sich die Antikörper daraufhin lokal an den Schleimhäuten bilden und nicht von den noch im Kalb zirkulierenden Antikörpern aus der Biestmilch beeinflusst werden.
Eine weitere Variante, das Problem der maternalen Antikörper nicht nur zu umgehen, sondern sogar auszunutzen, ist die Muttertierimpfung. Diese kann auch mit den Rindergrippeimpfstoffen analog zu dem Vorgehen beim Neugeborenendurchfall durchgeführt werden. Aussagekräftige Untersuchungen zur Wirkung in der Praxis gibt es allerdings noch nicht.
Wichtig bei saisonal gehäuft auftretenden Erkrankungsfällen im Aufzuchtbetrieb ist das richtige Timing! Die Grundimmunisierung (meist zwei Impfungen im Abstand von drei bis fünf Wochen) ist so rechtzeitig vorzunehmen, dass zu Beginn der Risikoperiode der maximale Impfschutz bereits vorhanden ist.

Mastitis: Derzeit sind Impfstoffe gegen die Mastitiserreger Staphylococcus aureus, Escherichia coli und Streptococcus uberis in Deutschland zugelassen. Nach erfolgtem Erregernachweis kann die Impfung ggf. ein Teil eines umfassenden Programms im Rahmen der Bestandssanierung sein. Dabei muss das Hauptaugenmerk auf die Optimierung der Haltung, der Fütterung und des Hygienemanagments gelegt werden. Einwandfreie Melktechnik und Melkhygiene gehören ebenso dazu wie konsequente Behandlungsstrategien, gutes Trockenstellmanagment und die Entfernung chronisch euterkranker Kühe aus dem Bestand.

Neugeborenendiarrhoe: Auch der Neugeborenendurchfall ist eine Faktorenerkrankung, bei der u.a. Rota- und Corona-Viren sowie verschiedene E.coli-Stämme beteiligt sein können. Zur Vorbeuge sind optimale hygienische Bedingungen sowie eine gute Versorgung der Kälber mit maternalen Antikörpern unerlässlich. Der Antikörpergehalt in der Biestmilch kann durch eine Muttertierimpfung gesteigert werden. Damit diese erhöhte Immunwirkung dem Kalb auch zugute kommt, muss es unmittelbar nach der Geburt ausreichend mit dem Kolostrum der geimpften Mutter versorgt werden. Optimalerweise trinkt das neugeborene Kalb innerhalb der ersten zwei Lebensstunden drei Liter Biestmilch. Die Kühe sollten nach einer entsprechenden Grundimmunisierung jeweils zum Zeitpunkt des Trockenstellens zur Wiederholungsimpfung kommen.

Trichophytie (Flechte): In betroffenen Beständen soll die gesamte Herde zweimal im Abstand von 10 bis 14 Tagen geimpft werden. Die Trichophytie ist eine Zoonose, kann also auch auf den Menschen übergehen. Eine Impfung mit dem Ziel der Bestandssanierung ist nur dann erfolgversprechend, wenn sie konsequent und längerfristig – d.h. über mehrere Jahre – durchgeführt und von entsprechenden Hygienemaßnahmen begleitet wird.
Besprechen Sie das für Ihren Betrieb passende Impfkonzept mit Ihrem Hoftierarzt oder lassen Sie sich von den Tierärzten des TGD beraten (Tel. 089 / 90 91 260). Dr. Susanne Seidl,

Tiergesundheitsdienst Bayern e.V.

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