Kälberdurchfall behandeln

18. September 2023

Kälberdurchfall oder auch Neugeborenendurchfall bzw. medizinisch »neonatale Diarrhö« (ND) ist heute die häufigste Jungtiererkrankung. Sie tritt vor allem in den ersten zwei bis drei Lebenswochen auf, oft bestandsweise gehäuft. Es handelt sich dabei um eine klassische Faktorenkrankheit, das heißt bei der Entstehung spielen sowohl Krankheitserreger als auch Managementfaktoren eine Rolle.

Bei Kälbern mit Fieber und blutigem Durchfall steigt die Gefahr einer Blutvergiftung.Fotos: Dr. Ingrid Lorenz

Allerdings ist es manchmal schwierig, das Auftreten von Durchfall unter unseren intensiven Haltungsbedingungen völlig zu vermeiden. Daher ist es auch wichtig, beim Auftreten von Durchfallerscheinungen beim Kalb richtig zu reagieren.
Neugeborenendurchfall wird fast immer von Parasiten (Kryptosporidien) oder Viren (Rotaviren, Coronaviren) ausgelöst. Diese Erreger verursachen Durchfall dadurch, dass sie die Darmschleimhaut schädigen und sie so in ihrer Funktion stören. Das bedeutet auch, dass die Kälber so lange Durchfall haben, bis die Darmschleimhaut ausgeheilt ist. Die dafür benötigte Zeit ist abhängig von der Schwere der Erkrankung. Es gibt keine Medikamente, die die Heilung beschleunigen können.

Elektrolytgetränke können den Nährstoffgehalt der Kälber nicht decken. Es ist wichtig, sie weiterhin mit ausreichend Milch zu versorgen, damit sie nicht abmagern.

Parasiten und Viren können die Darmschleimhaut der neugeborenen Kälber schädigen.

Flüssigkeitsverlust führt zu
Austrocknung

Sehr starker Durchfall verursacht Flüssigkeitsverlust und birgt die Gefahr, dass die Kälber austrocknen. Der Austrocknungsgrad lässt sich an den Augen erkennen.Unabhängig von den jeweiligen Ursachen gehen dem Kalb als Folge des Durchfalls mehr oder weniger große Mengen an Flüssigkeit, Elektrolyten und Puffersubstanzen verloren.
Der zusätzliche tägliche Flüssigkeitsverlust des kranken Kalbes liegt bei mittelschwerem Durchfall bei ca. 10 % des Körpergewichts (das sind etwa 4 l bei einem 40 kg schweren Kalb). Bei sehr starkem Durchfall können die täglichen Flüssigkeitsverluste aber auch das Doppelte betragen. Daraus ergibt sich für das Kalb die Gefahr der Austrocknung. Diese lässt sich anhand der Augen am besten abschätzen: Fangen die Augäpfel an einzusinken, hat das Kalb bereits ca. 8 % seines Körpergewichtes an Flüssigkeit verloren. Sind die Augen so weit eingesunken, dass man fast den kleinen Finger in die Augenhöhle legen könnte, sind es mindestens 20 %. Diese Beobachtungen sind sehr wichtig, da bei einem Austrocknungsgrad von 8 % davon ausgegangen werden muss, dass in aller Regel eine Infusionstherapie nötig ist, um das Kalb zu retten.

 

Eine weitere Folge des Durchfalls ist eine Blutübersäuerung. Diese entsteht durch den Verlust von Puffersubstanzen und der Ansammlung von zusätzlichen Säuren durch vermehrte Gärungen im Darmtrakt. Kälber mit Blutübersäuerung zeigen ein zunehmend depressives Verhalten: Sie sind müde, schläfrig oder komatös; außerdem ist ihr Stehvermögen beeinträchtigt. Solange sie noch stehen können, wirken sie bisweilen wie betrunken. Bei Fortschreiten der Übersäuerung kommt es zum schlaffen Festliegen ohne jede Körperspannung. Auch in diesem Zustand ist alleinig eine Infusionstherapie erfolgsversprechend.

 

Parasiten wie Kryptosporidien oder Viren (Rota- und Coronaviren) lösen Neugeborenendurchfall aus.

Ein frühzeitiges Erkennen des Durchfalls ist Voraussetzung dafür, dass durch rasch erfolgende und geeignete Therapiemaßnahmen eine derartige Verschlechterung der Situation der Kälber und dadurch eine sehr aufwendige Behandlung verhindert werden kann.
Die wichtigste Therapiemaßnahme besteht darin, die Verluste, die das Kalb über den Durchfallkot erleidet, zu ersetzen. Zu den bereits beschriebenen zusätzlichen Flüssigkeitsverlusten bei Durchfall kommt ein normaler Flüssigkeitsbedarf von etwa 4 l, den auch ein gesundes Kalb hat. Das bedeutet, dass ein Durchfallkalb am Tag 8 bis 10 l Flüssigkeit aufnehmen muss, um nicht auszutrocknen. Etwa die Hälfte davon sollte den Kälbern in Form einer Elektrolyttränke guter Qualität verabreicht werden (s. Kasten).

 

Elektrolyttränken haben einen niedrigen Energiegehalt und können den Nährstoffbedarf der Kälber nicht annähernd decken. Es ist daher für die rasche Erholung des Kalbes wichtig, dass es weiterhin mit ausreichenden Mengen Milch getränkt wird. Der früher empfohlene Milchentzug führt dazu, dass die

Sehr starker Durchfall verursacht Flüssigkeitsverlust und birgt die Gefahr, dass die Kälber austrocknen. Der Austrocknungsgrad lässt sich an den Augen erkennen.

Kälber rasch abmagern und ihre Abwehrkräfte zusätzlich geschwächt werden. Auch weiß man mittlerweile, dass die Nährstoffe in der Milch bei der Heilung der Darmschleimhaut helfen.

 

Behandlungsmöglichkeiten

Idealerweise werden 2 l der Elektrolyttränke zwischen den Milchmahlzeiten verabreicht. In jüngerer Zeit werden auch Systeme propagiert, bei denen die Elektrolyte in Milch verabreicht werden. Dies kann nur dann gefahrlos funktionieren, wenn die Kälber von den ersten Lebenstagen an freien Zugang zu Wasser gewöhnt sind. Steht den Kälbern kein Wasser zu Verfügung, kann durch die Verfütterung von Elektrolyten in Milch eine lebensgefährliche Kochsalzvergiftung ausgelöst werden.

Elektrolytgetränke können den Nährstoffgehalt der Kälber nicht dekcen. Es ist wichtig, sie weiterhin mit ausreichend Milch zu versorgen, damit sie nicht abmagern.

Wenn das Kalb sehr müde oder matt ist und nicht mehr trinkt, oder wenn die Augen beginnen einzusinken, ist es unwahrscheinlich, dass es nur mit Elektrolyttränken wieder auf die Beine kommt. In diesem Fall kann der Tierarzt zusätzlich gezielt durch Infusionen Flüssigkeit, Elektrolyte und Puffersubstanzen zuführen. Eine Behandlung mit einem Schmerzmittel kann ebenfalls helfen, das Allgemeinbefinden zu verbessern. Der Tierarzt wird auch entscheiden, ob eine antibiotische Behandlung angezeigt ist. Da die häufigsten Durchfallerreger Parasiten und Viren sind, ist eine antibiotische Behandlung von unkomplizierten Durchfallerkrankungen nicht sinnvoll und würde nur zur verstärkten Entwicklung resistenter Bakterien beitragen. Vor allem über das Maul verabreichte Antibiotika können die Durchfalldauer auch verlängern. Bei Durchfallkälbern mit schweren Allgemeinstörungen, Fieber oder blutigem Durchfall steigt allerdings eine Gefahr des Übertretens von Bakterien ins Blut (Blutvergiftung), sodass hier die Verabreichung eines Antibiotikums ratsam sein kann.
Der TGD Bayern bietet eine umfassende Untersuchung und Beratung bei Kälberproblemen im Rahmen von durch das StMELF und die Bayerische Tierseuchenkasse geförderten Projekten an. Bei Interesse wenden Sie sich bitte telefonisch an den Rindergesundheitsdienst in Grub unter 089/9091260 oder an Ihre regionale TGD Geschäftsstelle.

Dr. Ingrid Lorenz
Tiergesundheitsdienst Bayern e.V.

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