Bei Alarm Geburt

12. Juni 2024

Die Schwergeburtenrate bei Kühen wird international mit zwei bis sieben Prozent angegeben, wobei große betriebsindividuelle Unterschiede vorliegen. Eine funktionierende Geburtsüberwachung in Rinderbetrieben ist ein wichtiger Faktor zur Erkennung und Vermeidung von Geburtskomplikationen und zur Weichenstellung für ein gesundes Kälberleben und einen ungestörten Beginn der Laktation.

Geburtsmelder, der an der Schwanzwurzel befestigt wurde (l.). Rechts: Bei diesem Tier wurde ein vaginaler Geburtsmelder angebracht. Fotos: Uni Gießen

Eine Geburtsüberwachung kann über eine Tierkontrolle durch einen Menschen, eine vom Menschen durch Sensoren oder Kameras assistierte Kontrolle oder allein durch sensorbasierte Systeme durchgeführt werden. Dabei ist die Tierkontrolle durch eine qualifizierte Arbeitskraft als Goldstandard zu bewerten, diese ist jedoch ortsgebunden, unter Umständen mit Stress für das Tier verbunden und zeitlich aufwendiger als andere Verfahren zur Geburtsüberwachung. Bei der technisch-assistierten Überwachung finden Hilfsmittel wie Kameras Verwendung. Die Nutzung dieser Systeme muss aktiv erfolgen, es entfällt aber die örtliche Gebundenheit, wenn diese über das Internet angesteuert werden können. Sensorbasierte Systeme senden automatisch ein Signal, wenn ein festgelegter Schwellenwert des Sensors überschritten wird.

Technik im Einsatz

Die zunehmende Schwierigkeit, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, und die gleichzeitige Zunahme technischer Systeme im Rinderstall führen zu einer steigenden Relevanz der Verwendung dieser Systeme zur Geburtsüberwachung. Es fehlen allerdings Daten dazu, wieweit diese Systeme in der Praxis vertreten sind und ob sich diese auf den Betrieben bewährt haben. Aus diesem Grund wurde von Mai bis September 2022 eine Online-Umfrage durchgeführt, um die Verbreitung technischer Systeme zur Geburtsüberwachung zu erfassen und zu erfahren, warum Betriebe solche Systeme einsetzen, oder sich dagegen entscheiden.

Die Umfrage wurde von insgesamt 76 Teilnehmern vollständig durchgeführt. Die Teilnehmer verteilten sich auf 62 Betriebe mit Milchkühen, zwölf Betriebe mit Mutterkühen und zwei Betriebe, die Milch- und Mutterkühe halten. Etwa 42 % der befragten Betriebe haben aktuell technische Systeme zur Geburtsüberwachung im Einsatz.

Von diesen Betrieben setzen etwa 48 % das jeweilige System für die komplette Herde und 52 % für einen Teil der Herde oder bestimmte Einzeltiere ein. Auf die Frage, wonach die Tiere ausgesucht werden, wurden Verfügbarkeit der technische Ausstattung, »Problemtiere«, verfettete Tiere, Erstkalbinnen oder bekannte Zwillingsträchtigkeiten genannt. Die verwendeten Systeme und Systemkombinationen finden sich in der Tabelle. Etwa 58 % der Betriebe würden ihr System zur Geburtsüberwachung uneingeschränkt weiterempfehlen, circa 38 % mit Einschränkungen und ca. 4 % geben keine Empfehlung für das verwendete System.

Flexibler Einsatz

An den Systemen wird besonders geschätzt, dass ihr Einsatz nicht ortsgebunden stattfinden muss. Damit kann die Überwachung störungsfrei für die Tiere erfolgen. Die Zuverlässigkeit der meisten Systeme wird als positiv empfunden. Bei den Videokameras werden das Mitverfolgen des Geburtsverlaufes und die Möglichkeit einer retrospektiven Nachverfolgung über gespeichertes Bildmaterial ebenfalls als Vorteile gewürdigt.

Auf die Frage, ob sich am Geburtsmanagement etwas geändert hat, antworteten 17 % der Betriebe, dass Schwergeburten schneller erkannt und Geburtshilfe zeitnah geleistet werden kann. Positiv wurde die schnelle Nachsorge bei der Kuh zur Vorbeugung von Stoffwechselstörungen und die zeitnahe Versorgung des Kalbs mit Kolostrum erwähnt. Zusätzlich berichten Betriebsleiter von mehr Zeit für Familie und Hobbys. Je nach System wurde die Installation und Einrichtung als schwierig empfunden. Probleme können aus schlechter Netzabdeckung oder einem störungsempfindlichen WLAN resultieren. Als störend wird bei den Videokameras empfunden, dass keine Geburtsmeldung erfolgt, die Kontrolle also weiterhin durch den Menschen durchgeführt werden muss. Die Anbringung der Geburtsmelder am Schwanz wird von verschiedenen Teilnehmern als Problem identifiziert, da ein zu festes Anziehen des Sensors zu Abschnürungen des Schwanzes, ein zu loses Anziehen zum Verlust des Sensors führen können.

Für und wider

Betriebe, welche angaben, keine technischen Systeme zur Geburtsüberwachung zu verwenden, wurden gefragt, weshalb sie diese Systeme nicht verwenden. Als Gründe hierfür wurden Investitionskosten, die große Gesamtzahl technischer Systeme, die Meldungen abgeben, die Unfähigkeit der Kommunikation dieser Systeme, fehlende Informationen über verfügbare Systeme und die guten Erfahrungen mit der bisher durchgeführten Geburtsüberwachung genannt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Erfahrungen mit technischen Systemen zur Geburtsüberwachung generell positiv sind, auch wenn die verschiedenen Systeme Unterschiede in Bezug auf die Zuverlässigkeit und mögliche Schwachstellen aufweisen. Eine betriebsindividuelle Lösung kann die Arbeitskräfte des Betriebes entlasten und sich positiv auf das Tierwohl auswirken. Eine bessere Informationslage zu möglichen Systemen der Geburtsüberwachung und mehr Wissen über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der sich im Betrieb schon befindlichen Systeme könnte den Einsatz in der Praxis deutlich erhöhen.

Julia Maischak-Dyck, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
Lukas Trzebiatowski, Fachbereich Tierklinik für Reproduktionsmedizin und Neugeborenenkunde der Justus-Liebig-Universität Gießen

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