Biosicherheit in der Milchwirtschaft
Dass wir unseren wertvollen Rinderbestand vor Risiken schützen müssen, rückt immer mehr in den Fokus der Milchbauern. Zunehmend rückt darüber hinaus ins Bewusstsein der meisten, dass eine Gesundheitsgefahr oft für das bloße Auge unsichtbar sein kann und vor allem gutes Management und Hygiene meistens die beste Prävention sind.
Biosicherheit war in der Rinderhaltung lange kein großes Thema, auch, weil bei Erkrankungen im Rinderbestand immer noch vor allem das Einzeltier ins Auge gefasst wird, da zu meist auch nur das Einzeltier behandelt wird. Biosicherheit ist Gesundheitsmanagement auf Herdenebene, ohne dabei das Einzeltier aus den Augen zu verlieren. Eine Praxis, die in anderen Produktionszweigen durchaus schon lange Alltag ist.
Dabei sind Rinder nicht von Natur aus gefeit vor ansteckenden Krankheiten und Seuchen, welche die ganze Herde oder eine bestimmte Tiergruppe betreffen können. Typische Bespiele von Erkrankungen, welche vor allem aufgrund von mangelnden Vorkehrungsmaßnahmen im Betrieb ausbreiten können wären u.a. Kälberflechte, Mortellaro, Rindertuberkulose oder auch Staphylokokkus Auers Mastitiden, um nur einige zu nennen. Letztere, die Aureus Mastitis, ist dabei keine wirkliche Seuche, oder seuchenartige Erkrankung, jedoch kann sich gerade dieser Erreger bei mangelnden Kontroll- und Hygienemaßnahmen rasend schnell in einem Betrieb ausbreiten.
Ein Schlüsselfaktor für eine gesunde Herde ist demnach, das Aufkommen von Erregern am Betrieb zu vermeiden (äußere Biosicherheit) und ebenso die Verschleppung innerhalb des Betriebes (innere Biosicherheit).
Biosicherheit umfasst alle Maßnahmen, um die Gefahr der Einschleppung und Ausbreitung von Infektionserregern zu minimieren!
Äußere (Externe) Biosicherheit
Maßnahmen, die verhindern, dass Krankheitserreger in den Betrieb kommen (oder ihn verlassen), zählen zur äußeren Biosicherheit. Dazu zählt das Einschränken vom Verkehrsfluss am Betrieb genauso wie die Gesundheitskontrolle von Zukaufstieren.
Innere (Interne) Biosicherheit
Wie sind einzelne Tiergruppen am Betrieb von einer möglichen Ansteckung durch andere Tiere am Betrieb geschützt. Wenn eine erkrankte Kalbin von der Gemeinschaftsweide kommt, kann sie ohne weiteres die Kälbergruppe oder die Altkühe anstecken? Gibt es Quarantänebereiche oder Krankenbuchten? In wie weit besteht die Möglichkeit, dass der Landwirt selbst, z.B. über verschmutzte Stiefel, Krankheitserreger von einer Gruppe zur nächsten überträgt?
Risikofaktoren
Gerade Betriebe, die besonders sind, oder irgendetwas besonders gut machen, haben viel betriebsexternen Verkehr am Hof. Was dabei nicht aus dem Auge zu verlieren ist, ist welches von Urlaub am Bauernhof Gästen oder Hoffesten oft ein weitaus geringeres Risiko ausgeht als von Fachexkursionen mit Berufskollegen. Viele Erkrankungen sind tierspezifisch für Rinder oder Wiederkäuer im Allgemeinen. Menschen, die häufiger im Kontakt mit anderen Rindern sind und viele Rinderbetriebe besuchen, haben ein höheres Potenzial mit Erregern in Kontakt zu kommen und diese auf einen anderen Betrieb mitzunehmen. Ganz vorne stehen da neben den Berufskollegen Tierärzte, Zuchtberater und Kontrollassistenten. Diese sind zwar selbst gut geschult in Bezug auf Biosicherheit und wissen um die Vorkehrungsmaßnahmen, in der alltäglichen Praxis können sie nicht immer ohne weiteres umgesetzt werden.
Auch Futtermittellieferanten, Tiertransporteure oder überbetriebliche Klauenschneider sind viel und oft auf anderen Rinderbetrieben tätig und können dort mit Erregern in Kontakt kommen. Nicht nur der direkte Kontakt Mensch-Tier kann dabei zum Verschleppungsrisiko werden, sondern auch das ledigliche Befahren der Hofstätte kann reichen um pathogene Keime von einem Betrieb auf den nächsten zu verschleppen. In Zeiten der Maul-und-Klauen-Seuche wurden in manchen Fachschulen in betroffenen Gebieten Seuchenteppiche angelegt, um ein Verschleppen von Erregern auf den Schulbetrieb zu unterbinden.
Der Schutz des Betriebes nach außen, sprich die externe Biosicherheit, lässt sich durchaus verstärken.
Äußere Biosicherheit stärken
Oft wird erst im Anlassfall wieder an die äußere Biosicherheit gedacht. Ein Betrieb, der eine Kuh von der Schau oder der Gemeinschaftsweide mit Mortellaro heim holt, hat davor vielleicht noch nicht daran gedacht, die eigenen Biosicherheitsmaßnahmen zu überdenken. Wenn ein Fall von Brucellose oder einer anderen Tierseuche durch die Medien geht, wird wieder vermehrt ein Augenmerk auf die Sauberkeit des Gemeinschaftsviehanhängers gelegt.
Die kritischen Kontrollpunkte für externe Biosicherheit gelten aber auch ohne Anlassfall:
- Wenn neue Tiere auf den Betrieb kommen, sollten sie erst in Quarantäne gehalten werden, bis der Gesundheitsstatus abgeklärt ist, erst dann dürfen sie in die Herde eingegliedert werden. (Schalmtest, BU, etc.)
- Dasselbe gilt für betriebseigene Tiere, sobald sie Kontakt mit Tieren eines anderen Betriebs hatten. (Gemeinschaftsweide, Almen, Tierschauen, zur Aufzucht ausgelagert)
- Wenn möglich, soll der Verkehr von Tiertransporten, Futtermittellieferanten, TKV u.ä. so eingeschränkt werden, dass nicht der ganze Betrieb befahren werden muss bzw. kann. Ebenso ist der Kontakt mit Tieren möglichst so gering wie notwendig zu halten.
- Für betriebsfremde Personen, die in den Tierbestand müssen (Tierärzte, Berater, Kontrollassistenten) sollte eigene Stallkleidung zur Verfügung gestellt werden. Zumindest das Bereitstellen von Stiefeln wäre hilfreich oder eine (unumgängliche) Möglichkeit zur Stiefelreinigung vor (und nach) Betreten des Stalles.
Innere Biosicherheit stärken
Einzelne Tiergruppen sollen sich nach Möglichkeit nicht untereinander anstecken können:
- Kälbergruppen getrennt von Kühen halten
- Stallachse so anlegen, dass die sensibelsten Tiere (Frischabkalber, Kälber u.ä.) kontrolliert und versorgt werden können, ohne, dass durch den ganzen Stall oder die andern Tiergruppen gegangen werden muss.
- Abkalbebucht nicht als Krankenbucht nutzen,
- Krankenbucht nach jeder Nutzung reinigen und desinfizieren.
- Kälberställe und Iglus nach jedem Umstallen reinigen und gegebenenfalls desinfizieren.
- Möglichkeit zur Stiefelreinigung zwischen den einzelnen Bereichen, ins besondere vor den hoch sensiblen Tieren einrichten.
- Futtertisch sauber halten und nicht mit verschmutzen Stiefeln begehen.
- Generell sollte die Verschleppung von Erregern durch Hygienemaßnahmen und strikte Trennung der Stallabteile minimiert werden. Handwaschbecken mit Seife und Warmwasser können in manchen Bereichen des Stalles sinnvoll sein. Wenn Warmwasser, Handtücher und Seife vorhanden sind, wäscht man sich eher die Hände. Wenn nur ein Wasserschlauch zur Verfügung steht, wird die Biosicherheit öfter dem Komfort geopfert.
- Dasselbe gilt für Einrichtungen zur Stiefelreinigung: Idealerweise sind sie bereits dort angebracht, wo sie gebraucht werden (z.B. Übergang vom Laufgang zum Futtertisch) und können möglichst bequem verwendet werden.
- Zwischendesinfektion und einwandfreie Melkhygiene
- Melkhandschuhe
- Separiertes Melken von erkrankten Kühen
- Milch von Staphylokokkus Aureus positiven Tieren nicht an weibliche Kälber verfüttern
Betriebsabläufe biosicher gestalten
Dass das Einschränken des Verkehrs von außerhalb sinnvoll ist, erscheint logisch. Aber auch innerhalb des Betriebes sollten die täglichen Wege und Abläufe unter die Lupe genommen werden. Ein großes Risiko ist die Futter(tisch)verschmutzung durch verschmutzen Stiefel oder Räder, weil zuerst der Stallbereich gereinigt und erst dann gefüttert wurde. Man würde ja auch nie mit der Mistgabel einfüttern.
Empfindliche und anfällige Tiergruppen, wie junge Kälber und Transitkühe sollten kontrolliert und versorgt werden können, ohne dass zu viel Kontakt zu anderen Tiergruppen notwendig ist. Auch sollte die Versorgung von erkrankten Tieren nicht zeitgleich mit dem Melken geschehen, sofern beide Arbeiten am gleichen Ort und von der gleichen Person durchgeführt werden. Behandlungen von erkrankten Kühen im Melkstand sollten möglichst vermieden werden, zum einen um die Ansteckungsgefahr von gesunden Kühen zu minimieren und zum anderen damit die behandelten Kühe nicht lernen, den Melkstand mit Angst und Stress (wegen der Behandlung) in Verbindung zu bringen. Gesunde Kälber sind zuerst zu füttern, ehe erkrankte Kälber behandelt werden. Wenn man zu einem erkrankten Kalb in die Box steigt, sollten die Stiefel gewaschen werden, ehe man weiter zum nächsten Tier geht.
Diese Liste lässt sich endlos weiterführen. Grundsätzlich sollten immer die anfälligeren Tiere geschützt werden. Robustere Tiergruppen, wie das Jungvieh, können oftmals ein Träger einer Erkrankung sein, die aber aufgrund des besseren Immunsystems beim Tier nicht ausbricht. Haben solche Tiere nun vermehrt Kontakt zu sensibleren Tieren, kann das für diese schlimme Folgen haben.
Betrieb biosicher einrichten
- Betriebsabläufe durchdacht anlegen
- Verkehr am Betrieb lenken (z.B. Kraftfuttersilos nicht mitten am Betrieb, sondern nahe an der Hofeinfahrt, Abstellplatz mit Umsperrmöglichkeit nahe an der Hofeinfahrt für Tiertransporteure)
- Eigene Stallkleidung für Tierärzte, Kontrollassistenten und Berater
- Stiefelwaschmöglichkeiten an Übergängen
- Handwaschbecken mit Warmwasser und Handtuch
- Quarantänebereich für Neuzugänge
- Abkalbe- und Krankenbucht getrennt