Mit Heumilch in die Zukunft

29. September 2023

Die Berglandwirtschaft ist im Allgäu wie auch in Österreich ein unverzichtbarer Bestandteil der Landwirtschaft. ARGE Heumilch versucht, dieses Kulturgut zu schützen und zu unterstützen.

 

Der Hof von Familie Dietrich wurde erst in den 70er-Jahren durch eine geteerte Straße erschlossen. Fotos: Schiefer

Mit 18 Jahren haben Bernhard Dietrich und seine Frau Anette den Hof von seinen Eltern übernommen und in die dritte Generation geführt. Hierzu hat er einen kleinen Laufstall angebaut und eine Heutrocknung mit Dachabsaugung installiert. Nun ist es ein reiner Heumilch-Betrieb mit elf Kühen plus eigene Nachzucht. Zum Hof gehören 16 ha Grünland, die im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Bernhard Dietrich ist Zimmermann. Die weiblichen Kälber zieht die Familie Dietrich selber auf. Die Braunvieh-Bullen werden mit 120 kg geschlachtet. Dabei sind Anette Dietrich kurze Transportwege sehr wichtig. Immer öfter kommt auch gesextes Sperma zum Einsatz, um in schwachen Jahren gezielt weibliche Kälber zu produzieren. Über den Sommer, 100 Tage, sind alle Kühe auf der Alpe und die Familie kann sich in den Monaten Juni bis September voll auf die im Bergland sehr herausfordernde Futterwerbung konzentriert.

Es werden drei bis vier Schnitte eingefahren. Dabei müssen die über 70 % Steilflächen, die zum Betrieb gehören, teilweise mit Balkenmäher gemäht und mit dem Heubläser gerecht werden. Meist werden 2 bis 3 ha auf einmal gemäht. Nach 1,5 Tagen Feldtrocknung wird das Heu mit noch 30 % Feuchtigkeit in die hofeigene Heutrocknung gebracht. Die heiße Luft unter dem Dach wird angesaugt und etwa drei Tage lang in das Heu geblasen, bis es eine Restfeuchte von 13 % aufweist. Anschließend wird es zwei Wochen nachbelüftet. Nach der gelungenen Trocknung findet keine Fehlgärung oder Nacherwärmung mehr statt. Der Wasserentzug nimmt Bakterien und Pilzen die Lebensgrundlage und erhält somit die Futterqualität über viele Monate. Dann wird das Heu in Ballen gepresst und eingelagert. 

Die Luft wird von der Sonne unter dem Dach erhitzt und anschließend von einem Lüfter abgesaugt und in das Heu geblasen. Das so getrocknete Heu wird anschließend in Ballen gepresst und gelagert.

Durch die Heutrocknung werden die Bröckelverluste auf dem Feld weitestgehend vermieden und die Futterqualität bleibt enorm hoch. Pro Kuh werden bei Familie Dietrich zwischen 7 000 und 8 500 l gemolken. Bei 3,5 kg Kraftfutter pro Tag bleibt eine Milchleistung von ca. 5 000 l rein aus dem Grundfutter. 

Nutzintensität an die
Bodenleistung angepasst

Nach der Betriebsbesichtigung hielt der Umweltökologe Dr. Andreas Bohner von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein einen Vortrag zum Thema Humus und Klimawandel. 

Die Landwirtschaft erbringt eine enorme Leistung für die Kulturlandschaft. Von Natur aus wären die Alpen bis zu einer Höhe von 2 000 m mehr oder weniger dicht bewaldet. Doch seit über 1 000 Jahren werden in den österreichischen Alpen Almen betrieben. So konnte sich auf Almweiden und -wiesen eine große Artenvielfallt ansiedeln. Es haben sich einige Pflanzen sogar speziell an die Almwirtschaft angepasst und sind nur in Almnähe zu finden. Generell hängt die Biodiversität von mehreren Faktoren ab:

Standort: In Deutschland und Österreich gibt es mehr Kalkstandorte als Silikatstandorte. Die Anzahl an Arten ist in Kalkgebieten höher. 

Stress: Sowohl Hitze und fehlende Wärme als auch zu viel Wasser (Sauerstoffmangel) oder Trockenheit führen zu Stress bei Pflanzen. Aber es kann auch zu chemischem Stress kommen. Z.B. führt ein sehr niedriger pH-Wert zur Freisetzung von Aluminium, welches giftig auf die Pflanzen wirkt. In Mitteleuropa haben wir mehr Niederschlag als Verdunstung. In der Atmosphäre befindet sich CO2, das sich mit Wasser verbindet und so Kohlensäure entsteht. Deshalb hat alleine der Regen einen pH-Wert von 5,6. In einem Ökosystem werden immer Säuren von außen eingetragen. Im Silikatgestein ist wenig Kalk vorhanden, besitzt so weniger Pufferkapazität und wird dadurch immer saurer. Sind die Bodenporen mit Wasser vollständig gefüllt, wie beispielsweise in Mooren, ist der Gasaustausch 10 000 Mal langsamer. Da Pflanzen Sauerstoff für die Verstoffwechslung benötigen, ist hier die Artenarmut sehr hoch. Lediglich Spezialisten mit hohlen, luftdurchlässigen Pflanzenteilen können hier wachsen.

Boden kann fehlendes Wasser ausgleichen. Ein kapillarer Wasseraufstieg von 1,5 m ist möglich. Im Zuge des Klimawandels sinkt der Grundwasserspiegel aber. Daher sollten bestehende Drainagen unbedingt geschlossen werden, damit der Grundwasserspiegel nicht noch weiter sinkt, so Dr. Andreas Bohner.

In Europa gilt ein Ökosystem als artenreich, wenn auf 100 m2 mehr als 50 Pflanzenarten (inklusive Moose und Flechten) vorkommen.  Bei einer natürlichen alpine Rasenstufe kommt man auf 50 m2 auf ca. 30 Pflanzenarten. Die höchste Artenvielfalt gibt es bei den Bockhorner Wiesen, die extensiv bewirtschaftet werden. Hier lassen sich auf 50 m2 96 Pflanzenarten (ohne Moose und Flechten) finden.

Licht: Die allermeisten Pflanzen benötigen Licht zum Wachsen. Es gibt nur ganz wenige Schattenpflanzen. Daher ist die Artenvielfalt auf Grasland höher als im Urwald. Zudem haben extensiv bewirtschaftete Weiden sehr viele Standortnischen. Daher ist dort die Artenvielfalt auch deutlich höher als beispielsweise auf einer Mähwiese.

Störung: Bei der intensiven Grünlandbewirtschaftung werden fünf bis sechs Schnitte gemacht. Jeder einzelne davon ist als Störung anzusehen. Nur wenige Arten können unter so vielen Störungen existieren, daher sind hier nur wenige Arten zu finden. Viele Arten halten den ständigen Verlust von oberirdischer Pflanzenmasse nicht aus. Umgekehrt ist keine Bewirtschaftung ebenfalls nicht förderlich für die Artenvielfallt. Eine regelmäßige, extensive Bewirtschaftung mittlerer Intensität ist für die Artenvielfalt hingegen optimal. 

Anpassungsstrategien

Wird das Klima weiterhin wärmer und trockener, müssen die Pflanzen möglichst tief wurzeln können. Entsprechend muss dies gefördert werden, was eine extensive Bewirtschaftung von Grünland entsprechend ausschließt. Durch die ständige Entnahme der oberirdischen Biomasse verlagert die Pflanze ihre Energie weniger in den Wurzelaufbau als in den Wiederaustrieb. Mit einem tieferen Wurzelwerk könnten sie aber auch die tieferen Quellen und Ressourcen nutzen, was künftig von entscheidender Bedeutung sein wird.

Mit Hecken und Bäumen kann man versuchen, die Verdunstung zu senken. Eine Hausfrau weiß, Wäsche wird dann am besten trocken, wenn Wind weht. Die Feuchtigkeit kann bei Windgang in immer weiter nachkommende trockene Luft aufgenommen werden. Gut angelegte Hecken bremsen den Wind und verringern so die Verdunstung auf der Fläche.

Hier muss die Landwirtschaft unter anderem die Größe haben, sich einzugestehen, nicht alles richtig gemacht zu haben, um so künftig neue Wege gehen zu können und Fehler wie beispielsweise die Flurbereinigung wieder rückgängig zu machen. Ebenfalls sollte über eine Anpassung der Mähhöhe nach oben nachgedacht werden, wenn in den nächsten Wochen kaum Niederschlag zu erwarten ist. 

Neben Maßnahmen zur Verringerung der Verdunstung kann der Wasservorrat aufgefüllt werden, indem eine ideale Bodenstruktur geschaffen wird. Bei normalen Regen hört Wasser nach 5 cm auf zu versickern, dann geht‘s durch Regenwurmgänge (geringster Widerstand) und tiefwurzelnde Pflanzen schaffen ebenfalls senkrechte Kanäle nach unten für die ideale Versickerung und Auffüllung der Bodenwasserspeicherkapazität. Hier ist es auch sehr wichtig, die Bodenverdichtung als eine große Gefahr anzuerkennen. Durch die Bodenbelastung mit sehr schweren Maschinen werden die Grobporen im Unterboden weniger und Wasser kann nicht mehr versickern. Das Wasser staut sich auf den oberen 5 cm und verdunstet dann recht schnell wieder. Entscheidend wird künftig also sein, das Bodenleben gezielt zu fördern und die Nutzintensität von Grünland an die Bodenleistung anzupassen.

Abschließend wurde noch die Alpsennerei »Alpe Obere« auf 1593 m üNN besucht. Die Alpe wird von einer Agrargemeinschaft bewirtschaftet mit insgesamt 85 Kühen, 25 Mitgliedern und zehn Bauern, die ihr Vieh auftreiben. Insgesamt bewirtschaftet die Alpe 116 ha mit einer eigenen Jagd. Seit 20 Jahren ist die Alpe an das öffentliche Stromnetz angeschlossen, vorher wurde mit einem Dieselaggregat gearbeitet. Es wird Butter produziert und direkt vermarktet. Auch 3/4 des Käses gehen in die Direktvermarktung. Auch wird hier noch Alpziger erzeugt – nur noch drei Alpen tun dies. Alpziger ist reines, fermentiertes Eiweiß, das mit Kräutern weiterverarbeitet und aufs Brot geschmiert wird. Die bei der Käseherstellung entstehende Molke wird direkt an die alpeigenen Schweine verfüttert.

Manuel Schiefer 

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