Die Milch macht‘s!

21. Dezember 2020

So viel Vollmilch wie das Kalb will – nach diesem Motto funktioniert die immer beliebter werdende ad libitum-Tränke. Was es damit auf sich hat und welche Vorteile sich ergeben, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

In den ersten Lebenswochen sollte die Tränkemenge, egal ob männlich oder weiblich, nicht begrenzt werden. ©BLE, Bonn/Foto: Dominic Menzler

Es ist also der ideale Zeitpunkt um die in den letzten Jahren entwickelte und in der Praxis mehrfach erprobte ad libitum-Tränke für Kälber mit Vollmilch auszuprobieren.

Was ist die ad libitum-Tränke?

„ad libitum“ ist lateinisch und steht für „nach Belieben“ – das Kalb wird also über einen gewissen Zeitraum nicht wie bisher gewohnt mit einer fix vorgegebenen Menge Milch gefüttert, sondern erhält Vollmilch zur freien Aufnahme. Es kann also so viel trinken wie es will. In der Praxis hat es sich bewährt die weiblichen Aufzuchtkälber die ersten drei Lebenswochen ad-libitum zu tränken und ab der vierten Woche auf rationierte Tränke umzustellen. Männliche Mastkälber können auch länger ad-libitum getränkt werden. Während der ad-libitum-Phase trinken die Kälber bis zu 16 Liter Milch täglich und tägliche Zunahmen von 1.100 g sind keine Seltenheit. Damit die größeren Milchmengen gut vertragen werden, wird die Milch angesäuert.

Welche Vorteile bringt die ad libitum-Tränke?

  • Bessere Kälberentwicklung: durch die höheren Milchmengen in den ersten Lebenswochen erreichen die Kälber hohe Zunahmen (bis zu 1.100 g/Tag). Dies kann bei rationierter Tränke und zusätzlichem Futterangebot nicht erreicht werden, da der Kälbermagen in den ersten 3 Lebenswochen kaum pflanzliche Nahrung verdauen kann.
  • Vitalere, robustere Kälber: ein 50 kg schweres Kalb benötigt für Erhaltung und 800 g Tageszunahme 22 MJ ME pro Tag, was 9,2 Liter Vollmilch entspricht. Allerdings enthält dieser Wert noch nicht die zusätzlich benötigte Energie bei Kälte oder Hitze bzw. für das Immunsystem. Zur Bekämpfung einer E. coli-Infektion werden z.B. 8-16 MJ ME zusätzlich benötigt, was nochmal zusätzlichen 3-6 Liter Vollmilch entspricht. Ad libitum getränkte Kälber haben also mehr Energie für Thermoregulation und das Immunsystem zur Verfügung und sind dadurch robuster gegenüber Krankheitserregern.
  • Geringeres Durchfallrisiko: Krankmachende Keime können sich in der angesäuerten Milch kaum vermehren. Die angesäuerte Milch ist bekömmlicher und wird von den Kälbern langsamer getrunken. Durch die bessere Versorgungslage wird das Kalb mit Durchfallinfektionen leichter fertig. Auch die Biestmilch kann angesäuert und vollständig vertränkt werden.
  • Arbeitserleichterung: Die Arbeit rund um die Kälbertränke wird erleichtert und beschleunigt. Die Tränketemperatur von 38°C muss nicht mehr exakt eingehalten werden.
  • Höhere Aufnahme von Heu und Kraftfutter: Während die Kälber während der ad libitum-Phase nur wenig festes Futter aufnehmen, fressen sie im Anschluss an die ad libitum-Tränke deutlich mehr, als rationiert getränkte Kälber. Das liegt an der deutlich besseren körperlichen Entwicklung und höheren Vitalität der ad libitum getränkten Kälber. Die ad libitum-Tränke wirkt sich nachweislich positiv auf die Pansenentwicklung, Futteraufnahme und Anlage des Eutergewebes aus.

Wie funktioniert die ad libitum-Tränke in der Praxis?

Die ad libitum-Tränke setzt das Ansäuern der Milch voraus. Durch das Ansäuern der Milch wird einerseits die Vermehrung von Krankheitserregern unterdrückt und andererseits Verdauungsstörungen vorgebeugt. Zum Ansäuern können entweder fertige Präparate in Pulverform, reine Säuren (z.B. Ameisensäure) oder Apfelessig verwendet werden. Werden reine Säuren verwendet, müssen diese vorher entsprechend verdünnt und deren Einsatz laut Futtermittelrecht dokumentiert werden. Angesäuert wird auf einen pH-Wert von 5,5. Damit die Milch nicht zu stark ausflockt beträgt die ideale Tränketemperatur 15-25°C.
Direkt nach der Geburt muss jedes Kalb innerhalb von drei Stunden mindestens drei Liter beste Biestmilch erhalten. Die erste Biestmilchgabe wird nicht angesäuert. Ab der zweiten Milchmahlzeit wird dann bereits angesäuerte Milch vertränkt. Die ersten Gaben müssen noch nicht auf pH 5,5 angesäuert werden und zunächst brauchen die Kälber noch Hilfe beim Trinken. Sobald sie allerdings den Nuckel allein finden, meist ab dem zweiten Lebenstag, bleibt der Eimer mit der angesäuerten Milch den ganzen Tag beim Kalb hängen. Die nächsten drei Wochen wird einfach morgens und abends der Nuckeleimer mit frisch angesäuerter Milch aufgefüllt und die Kälber können den ganzen Tag über trinken. Bleibt Milch im Eimer übrig, kann diese an ältere Kälber verfüttert werden.
Ab der vierten Lebenswoche ist die ad libitum-Phase abgeschlossen. Die Kälber werden weiterhin mit angesäuerter Milch, jetzt allerdings mit abnehmenden, rationierten Mengen gefüttert.

Haltung und Ergänzungsfütterung

Während der ad libitum-Tränke müssen die Kälber einzeln gehalten werden. Auch die Umstellung von ad libitum auf rationierte Tränke sollte noch in der Einzelhaltung erfolgen. Ab der fünften Lebenswoche können die Kälber dann in Gruppen gehalten werden.
Um die Versorgung mit Eisen, Vitaminen und Spurenelementen in den ersten Lebenstagen zu verbessern, ist die Verwendung eines Vollmilchaufwerters sinnvoll. Sobald die Kälber festes Futter aufnehmen, ist eine zusätzliche Aufwertung der Milch nicht mehr notwendig.
Ab der zweiten Lebenswoche sollten den Kälbern zusätzlich auch Wasser und festes Futter, Heu und Kälberstarter oder Kälber-TMR, zur freien Aufnahme angeboten werden. Fressen die Kälber mehr als 1,5 kg Kälberstarter bzw. 2,0 kg Kälber-TMR am Tag, können sie von der Milch abgesetzt werden. Da sich ad libitum getränkte Kälber während der Tränkeperiode sehr gut entwickelt, kann die Ration nach dem Absetzen extensiver gestaltet werden.

Dr. Marco Horn
Landwirtschaftskammer
Niederösterreich

So sieht der optimale Tränkeplan aus:

  • Mindestens 3 Liter Kolostrum in den ersten Stunden
  • Kolostrum des Muttertieres 3 bis 5 Tage weiter füttern
  • Anschließend Vollmilch oder hochwertigen Milchaustauscher in einer Menge von mehr als 20 Prozent der Körpermasse über 5 (bis 8) Wochen geben
  • Kraftfutter und Heu (oder Kälber-TMR) sowie Wasser anbieten
  • Langsames Abtränken (2 bis 3 Wochen)

Die Ansicht, man könnte durch begrenzte Milchmengen die Kraftfutteraufnahme steigern, ist mittlerweile in etlichen Versuchen widerlegt worden. Festfutter (Kraftfutter, Heu) wird im ersten Lebensmonat noch nicht ausreichend verdaut. Die Aufnahme ist in dieser Phase – unabhängig von der vertränkten Milchmenge – noch sehr gering. Die Entwicklung des Vormagensystems wird durch hohe Milchgaben lediglich etwas verzögert. Nach dem Abtränken nehmen Kälber, die Milch bis zur Sättigung (ad libitum) bekamen, sogar mehr Festfutter auf als restriktiv getränkte Kälber. Die Pansenentwicklung ist daher besser.

Der höhere Milchverbrauch in den ersten Monaten wird durch höhere Zunahmen und besserer Gesundheit und Leistung kompensiert.
©BLE, Bonn/Foto: Dominic Menzler

Moderne Tränkemethode

Aktuelle Untersuchungen legen die Empfehlung nahe, allen Kälbern – männlich und weiblich – in den ersten Lebenswochen die Tränkemenge nicht zu begrenzen. Viele Betriebe in Österreich haben auf Empfehlung der LK-Fütterungsberater in den letzten Jahren bereits gute Erfahrungen mit höheren Tränkemengen gemacht. Durchwegs wurde 3 Wochen lang Milch (nach Empfehlungen von Dr. Hans-Jürgen Kunz, LK Schleswig-Holstein, Versuchszentrum Futterkamp) zur freien Aufnahme angeboten. Diese Phase ist jedoch zu kurz, zumindest 5, besser 8 Wochen sollte Milch unbegrenzt angeboten werden. Der höhere Milchverbrauch wird durch hohe Zunahmen und bessere Gesundheit und Leistung in der Jugendentwicklung und bei den erwachsenen Tieren kompensiert. Ad libitum Tränke ist die richtige Tränkemethode, die mit angesäuerter Tränke oder arbeitstechnisch noch einfacher mit Tränkeautomaten in der Praxis umgesetzt werden sollte.
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