Automatisierte Rinderfütterung

16. August 2022

Auch vor der Rinderfütterung macht der Einzug der Technik keinen Halt. Immer mehr Arbeitsprozesse werden teilweise oder vollständig automatisiert – so auch bei der Fütterung. Neben arbeitswirtschaftlichen Gründen, bringen automatische Fütterungssysteme auch Vorteile für die Tiere.

In Ställen mit einem automatischen Futtervorlagesystem verändert sich das Fressverhalten der Tiere dadurch, dass es kaum noch »Stoßzeiten« gibt, zu denen alle Kühe gleichermaßen fressen wollen, weil mehrfach am Tag frisches Futter in derselben Qualität vorgelegt wird. Werkfoto

Während schon seit vielen Jahren die Automatisierung des Melkprozesses in zahlreichen Betrieben etabliert ist und sich immer mehr Milchkuhhalter zu diesem Schritt entscheiden, findet in der Gegenwart auch die automatisierte Fütterung zunehmend mehr Befürworter, wobei in diesem Bereich viele Schritte bereits mechanisiert, z.B. durch den Futtermischwagen, bzw. automatisiert sind, wie z.B. die tierindividuelle leistungsbezogene Kraftfutterzuteilung am Automaten oder das automatische Anschieben der vorgelegten Mischration, z.T. in Verbindung mit einer Kraftfutterzuteilung als Lockfutter.

Nun geht es aber bei dem letzten Schritt in die Richtung einer Voll-Automatisierung der Futtervorlage, also um nahezu sämtliche Prozesse vom Silo bis auf den Futtertisch. Dieses umfasst sehr verschiedene Mechanisierungsstufen und zahlreiche unterschiedliche Techniken für die einzelnen Verfahrensschritte. Auch sind viele Details, wie z.B. bei der Zwischenlagerung von Silagen, aber auch bei den Misch- und Verteileinrichtungen, gerade in jüngerer Zeit stets verbessert worden.
Mittlerweile lässt sich sagen, dass auch diese Technik potenziell störungsfrei arbeiten kann. Daher widmen sich die nachfolgenden Ausführungen weniger den technischen Details oder arbeitswirtschaftlichen Gesichtspunkten bzw. den Kosten dieses Verfahrens, sondern vielmehr den Auswirkungen einer automatisierten Fütterung auf das Tierverhalten und die Stoffwechselphysiologie der Tiere sowie den grundsätzlichen Anforderungen an den Menschen im Umgang mit den Futtermitteln.

Auswirkungen auf das Tierverhalten

Rinder zeichnen sich allgemein durch ein vergleichsweise stark synchronisiertes Verhalten aus. Das bedeutet, dass sie gewisse Aktivitäten gerne gemeinsam ausüben. Besonders bei der Futteraufnahme auf der Weide wird die hohe Synchronisation bei den Tieren sichtbar. Unter Stallhaltungsbedingungen nehmen sogenannte anthropogene – also »durch den Menschen verursachte bzw. beeinflusste« – Zeitgeber, wie z.B. die Futtervorlage oder das Melken, einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Verhaltensmuster der Tiere. So lässt sich auch im Stall u.a. das ausgeprägte synchrone Fressverhalten von Kühen beobachten. Daher besteht ja vielfach die Forderung nach einem möglichst engen Tier- zu Fressplatz-Verhältnis, damit im besten Fall jede Kuh einen Fressplatz findet und alle gemeinsam fressen könnten.

Entzerrte Stoßzeiten

In Ställen mit einem automatischen Futtervorlagesystem verändert sich das Verhalten der Tiere zwar nicht grundlegend, aber es wird erkennbar, dass deutlich weniger Kühe gleichzeitig bei erfolgter Futtervorlage zum Futtertisch kommen, weil ja innerhalb kürzester Zeit wieder eine erneute Futtervorlage erfolgt. Sogenannte »Stoßzeiten-Aktionen« werden dadurch entzerrt, genauso wie auch beim automatischen Melken (mit Melkrobotern). Die Anwesenheit der Kühe am Futtertisch verteilt sich also etwas gleichmäßiger über den Tag. Daher ist tendenziell ein etwas weiteres Tier-Fressplatz-Verhältnis möglich bzw. muss sich nicht nachteilig auf die Futteraufnahme auswirken. Dennoch wird das Fressverhalten der Tiere immer nach frischer Futtervorlage am intensivsten sein.
Die Gesamtliegezeit der Tiere bleibt nahezu unverändert gegenüber Kühen in Stallhaltungssystemen mit konventioneller Futtervorlagetechnik und damit einer ein- bis zweimaligen täglichen Futtervorlage in Kombination mit mehrfachem Futternachschieben.
Jedoch kann sich die Anzahl der einzelnen Liegephasen der Kühe dadurch erhöhen, dass sie öfter zwischen ihren Liege- und Fressplätzen wechseln, wenn eine sehr häufige Vorlage immer frischen Futters erfolgt.

Vorteile für die Kühe

1. Leistungsgruppenfütterung:

  • bessere, am jeweiligen Nährstoffbedarf der Tiere ausgerichtete, Versorgung
  • auch Kleingruppen, wie z.B. die der Trockensteher oder Transitkühe, können bedarfsgerechter gefüttert werden, weil auch geringe Futtermengen (von z.B. 60 bis 100 kg) homogen angemischt und zugeteilt werden können
    die Anzahl an zu fütternden Tiergruppen ergibt sich weniger aus systembedingten Gründen dieser Futtervorlagetechnik, als vielmehr anhand haltungsbedingter Gegebenheiten

2. große Rationskonstanz:

Das in den Vorratsbehältern gelagerte Grobfutter wird so lange in den mit einer Wiegetechnik ausgestatteten stationären Mischer oder Verteilwagen übergeben, bis die eingestellte Menge erreicht ist. Daraufhin stoppt dann die weitere Zudosierung, sodass zumindest gegenüber einer Fremdbefüllung konventioneller Futtermischwagen eine deutlich höhere Dosiergenauigkeit erreicht wird.

3. Sozialverhalten:

  • Auch rangniedere Tiere erhalten durch die häufigere Futtervorlage nahezu stets die Möglichkeit einer ungestörten Futteraufnahme, da sie nicht so oft verdrängt werden. Da alle Tiere ohne Zeitdruck fressen können, wird die Herde insgesamt ruhiger.
  • Mehrfach täglich frische Rationen fördern eine ruhige, kontinuierliche Futteraufnahme.

4. stets frisches Futter:

  • Allgemein üblich und bewährt haben sich sechs bis acht Futtervorlagen pro Tag und Futtergruppe, wobei i.d.R. über Nacht (ca. zwischen 23 Uhr und 3 bis 5 Uhr) eine Vorlagepause erfolgt, weil, dem Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere folgend, in dieser Zeit deutlich seltener Futteraufnahmen dieser zu beobachten sind.
  • Untersuchungen der Landwirtschaftskammer S.-H. zum Fressverhalten von Milchkühen zeigten, dass laktierende Kühe bei zweimal täglicher frischer Futtervorlage um 6 und 17 Uhr (aber stets ad libitum) insgesamt drei Hauptfresszeiten aufwiesen: vormittags zwischen 6 und 10 Uhr, nachmittags zwischen 13 und 15 Uhr, allerdings mit deutlich abgeschwächter Intensität (gemessen an der Anzahl an Futtertischbesuchen) und abends zwischen 17 und 20 Uhr und dieses mit der insgesamt größten Aktivität, also den meisten Futtertischbesuchen und den größten aufgenommenen Futtermengen, in der Zeit zwischen 3 und 6 Uhr kaum eine Fressaktivität bei den Tieren vorherrschte und dieses mit sehr großer Wiederholbarkeit zwischen den Tagen.
  • Auch wenn diese Aussagen, gleichermaßen wie Untersuchungsergebnisse aus Grub, aus bestimmten Bewirtschaftungsregimen resultieren und damit dem menschlichen Einfluss unterliegen, können sie als Anhaltspunkt für die Einschätzung des allgemeinen Nahrungsaufnahmeverhaltens der Tiere dienen.

5. kaum Futterselektion:

  • Die homogen gemischten Rationen werden nur noch in geringen Mengen vorgelegt und unterscheiden sich damit im Tagesverlauf geruch- und geschmacklich nicht mehr voneinander.
  • Das »Beatmen« und »Muldenfressen« wird minimiert, die Tiere fressen gleichmäßiger.

6. kaum/geringe Gefahr der Nacherwärmung im Stall aufgrund der geringen Futtervorlagemengen

Anforderungen im Umgang

Diese aufgeführten Punkte können einen positiven Einfluss auf die Futteraufnahme und Verdauungsphysiologie der Kühe nehmen, vorausgesetzt das vorgelegte Futter, und hier insbesondere die Silagen, sind stets von guter hygienischer Qualität.
Insofern entscheidet die aerobe Stabilität der Silagen im Futterstock und letztlich im Vorratsbunker zum einen über die maximal mögliche Zwischenlagerung dieser Silagen in den Dosierern, zum anderen über die einzukalkulierenden Nährstoffverluste im Futter und die zu realisierende Futteraufnahme der Tiere. Die Höhe der täglichen Trockenmasseverluste in Abhängigkeit vom Ausmaß der Nacherwärmung verdeutlicht Tabelle 2.

 

Bedingt durch die zwangsläufige Zwischenlagerung der Grobfutterkomponenten in den Vorratsbunkern und den dadurch bedingten Sauerstoffeintrag ins Futter wird eine mögliche Nacherwärmung gefördert. Gerade daher ist bei der Silagebereitung größte Sorgfalt auf eine maximale Verdichtung, einen sofortigen und dauerhaften Luftabschluss und einen größtmöglichen Entnahmevorschub (Siloanschnittfläche muss in einem passenden Verhältnis zur Entnahmemenge stehen) zu legen.

Für Grassilagen werden, je nach TM-Gehalt, Zielwerte bzgl. der Dichte zwischen 200 und ca. 250 kg TM/m³ und für Maissilagen zwischen 230 und 250 kg TM/m³ angestrebt.

Untersuchungen, wie z.B. in Praxisbetrieben Schleswig-Holsteins, aber zeigen, dass diese Zielwerte in den meisten Silos nicht ansatzweise erreicht werden (Tabelle 1). Für diese beprobten Gras- bzw. Maissilagen mit den durchschnittlichen TM-Gehalten von 39,1 bzw. 32,1 % würde sich folglich ein Sollbereich zwischen 220 und 235 bzw. 235 und 250 kg TM/m³ ergeben. Die in den Praxissilagen erreichte Verdichtung lag jedoch deutlich darunter.
Hierin liegt also eine besondere Herausforderung.

Vorschub gewährleisten

Auch muss die Größe der Siloanlage unbedingt an den vorhandenen Tierbestand angepasst werden, um einen Entnahmevorschub bei jedem sich im Anschnitt befindlichen Silo von 2 m je Woche, in der kalten Jahreszeit von 1,5 m je Woche zu gewährleisten.
Vielfach sind die Anschnittflächen der Silos in der Praxis aber zu groß dimensioniert, folglich der Vorschub deutlich geringer und das kombiniert mit oftmals unzureichender Verdichtung. Dieses reduziert ganz empfindlich die aerobe Stabilität der Silage und entscheidet damit letztlich über die Häufigkeit der Befüllung der Vorratsdosierer. Damit beeinflusst dieses Qualitätskriterium nicht nur die Höhe der Futteraufnahme der Tiere, sondern auch maßgeblich den Arbeitsaufwand und die Arbeitsproduktivität dieses Futtervorlagesystems.

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge,
Fachhochschule Kiel

 

 

Gerade die aerobe Stabilität der Silagen entscheidet über die Häufigkeit der Befüllung der Vorratsdosierer sowie über die Höhe der Futteraufnahme der Tiere und bestimmt maßgeblich den Arbeitsaufwand und die Arbeitsproduktivität dieses Futtervorlagesystems. Fotos: Katrin Mahlkow Nerge

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