Trockenstellen: So geht’s richtig
Aus wirtschaftlicher und ernährungsphysiologischer Sicht sind hohe Milchleistungen bis zum Ende der Laktation sinnvoll. Gerade beim Trockenstellen können sich daraus aber Schwierigkeiten ergeben. Mit ein paar einfachen Tipps, lassen sich diese aber leicht überwinden.
Für hohe Milchleistungen bis zum Ende der Laktation gibt es gute Gründe, u.a. eine entsprechend hohe Effizienz von Grundfutter, Stallplatz und Arbeitsaufwand sowie das Vermeiden von Stoff-wechselstörungen (Verfetten & resultierende Ketosen). Je nach Rasse und Marktlage ist es auch von Vorteil, wenn Kühe dank guter Persistenz längere Zeit am Stück gemolken werden und somit weniger schlecht bezahlte Bullenkälber zu vermarkten sind. Gängiges Ziel ist daher ein Leistungsabfall von weniger als 9 % pro Monat. In Verbindung mit den üblichen Milchleistungen hat das Erreichen dieses Ziels zur Folge, dass die tägliche Milchleistung nach 300 Laktationstagen oft noch 25 bis über 30 kg beträgt. Derart hohe Tagesleistungen bereiten beim Trockenstellen oft Probleme, u.a. die Gefahr vermehrter Mastitis. So steigt das Infektionsrisiko wissenschaftlichen Studien zufolge um ca. 77 %, wenn die Milchleistung beim Trockenstellen statt 12,5 kg je Tag bei 17,5 kg liegt. Als Ursache geben die Forscher an, dass die Strichkanäle durch austretende Milch unvollständig geschlossen sind. Dazu passend ermittelten andere Forscher für Kühe mit »Milchleckage während der Trockenperiode« ein vierfach erhöhtes Mastitisrisiko. Weiterhin bereitet der zunächst noch hohe Euterdruck den Kühen, die trotz hoher Milchleistungen trockengestellt werden, Schmerzen und Unruhe. Das hat u.a. kürzere Liegezeiten zur Folge. Schließlich werden beim Trockenstellen »voller Euter« oft auch Zitzenversiegler wieder ausgeschwemmt. Mithin fehlt eine weithin geschätzte Maßnahme zum Infektionsschutz.
Milchleistung nicht mit radikalen Maßnahmen senken
Bei einer solchen Fülle möglicher Probleme ist es verständlich und richtig, nach Möglichkeiten zu suchen, die Milchleistung rechtzeitig vor dem gewünschten Trockenstelltermin zu senken. Dazu gibt es auch mehrere Möglichkeiten, von denen einige jedoch unzulässig bzw. nicht ratsam sind. So ist der immer wieder diskutierte und auch teils angewandte zeitweilige Entzug von Futter und/oder Wasser absolut tabu! Denn er bedeutet einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und QS-Richtlinien. Zudem ist eine solche »radikale Diät« mit dem Risiko von Stoffwechselerkrankungen (bes. Ketosen) verbunden. Zumindest kritisch ist der Einsatz leistungshemmender Hormone (z.B. Anti Prolaktin). Das nicht nur aufgrund möglicher Nebenwirkungen bei den Kühen, sondern auch wegen der zu erwartenden Ablehnung durch die Mehrzahl der Verbraucher. Das Letzte, was die Milcherzeuger zurzeit gebrauchen können, sind Diskussionen über »Hormonkühe«.
Verlängerung der Zwischenkalbezeiten
Wesentlich unkritischer ist es da schon, Kühe mit hohen Milchleistungen bewusst erst später als üblich zu besamen, sodass am Ende der entsprechend längeren Laktationsperiode die Milchleistungen trotz guter Persistenz nicht mehr zu hoch zum Trockenstellen sind. Eine solche Vorgehensweise lohnt sich naturgemäß vorwiegend bei milchbetonten Kuhrassen, nicht aber unbedingt bei Zweinutzungsrassen, wie z.B. Fleckvieh. Bei HF-Kühen und anderen »Milchrassen« hat es sich jedoch durchaus bewährt, die Zwischenkalbezeit um ca. 60 Tage zu verlängern, also auf ca. 420 Tage. Denn bei guter Persistenz ist das nicht nur profitabel, sondern oft auch mit weniger Stoffwechselerkrankungen und besserer Fruchtbarkeit verbunden. Das nicht zuletzt, weil weniger Kühe zwischen dem 60. und 100. Laktationstag unter dem sonst üblichen Energiedefizit leiden.
Restriktive Fütterung in der Spätlaktation
Eine weitere und recht unkritische Möglichkeit, um die Milchleistung bis zum Trockenstellen auf ein unbedenkliches Niveau zu senken, besteht darin, in der letzten Phase der Laktation Futterratio-nen mit reduziertem Nährstoffgehalt zu verabreichen. Am besten lässt sich das bei der heute üblichen TMR-Fütterung in Betrieben mit großen Herden durchführen. Denn dort kann am ehesten eine separate Gruppe eingerichtet werden, in der die Kühe z.B. über 40 Tage eine eigene Futterration erhalten. Doch auch in Milchviehbetrieben mit vergleichsweise kleinen Kuhzahlen ist eine restriktive Fütterung vor dem Trockenstellen möglich. Hier kann es sogar von Vorteil sein, wenn entgegen des Trends eine tierindividuelle Kraftfutterzuteilung erfolgt, wie z.B. in Betrieben mit Melkrobotern.
Melkzeiten auslassen?
Die Milchleistung kann schließlich auch über verlängerte Zwischenmelkzeiten und/oder absichtlich erhöhte Restmilchmengen deutlich gesenkt werden. Das gilt nicht nur, aber auch für die Zeit vor dem Trockenstellen. Möglich ist eine solch gezielte Leistungssenkung aufgrund der physiologischen Regulierung der Milchbildung, die in Fachkreisen als »autokrine Steuerung der Milchsekretion« bezeichnet wird. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, können Sie im Kasten lesen. Die Reduzierung der Milchleistung über lange Melkintervalle oder erhöhte Restmilchmengen funktioniert zwar zuverlässig, ist aber im Vergleich zu einer reduzierten Nährstoffzufuhr vor dem Trockenstellen und insbesondere gegenüber einer Verlängerung der Zwischenkalbezeiten auch das Verfahren mit den höchsten Risiken! Nicht zuletzt, weil die Gefahr von Euterentzündungen durch seltenes bzw. unvollständiges Ausmelken kurz vor dem Trockenstellen genauso steigt wie in der vorhergehenden Laktation.
Wer dennoch die Milchleistung seiner Kühe rechtzeitig zum Trockenstellen durch verlängerte Melkintervalle senken will, macht das in konventionellen Melkanlagen in der Regel durch das Überspringen einzelner Melkzeiten. Beim automatischen Melken kann man hingegen das sogenannte »Melkan-recht« hinauszögern. Dazu ist am Melkroboter das Mindestintervall zu verlängern. Dieser frühestmögliche Zutritt zum Melkroboter nach einem vorhergehenden Melkvorgang kann je nach Modell entweder auf Basis von Gruppen oder tierindividuell eingestellt werden. Absichtlich unvollständiges Ausmelken lässt sich hingegen sowohl in konventionellen als auch in automatischen Melksystemen am besten über eine vorzeitige Abnahme der Melkzeuge bzw. Melkbecher erreichen. Dazu bedarf es einer tierindividuell gesteuerten Abnahmeautomatik, da das Verfahren sonst willkürlich und somit unsicher wäre. Üblich ist es in diesem Zusammenhang, den Abnahmeschwellenwert deutlich zu erhöhen, z.B. von den üblichen 0,3 kg/min auf ca. 1 kg/min oder mehr.
Eine Verkürzung der Verzögerungszeit ist hingegen meist nicht ratsam bzw. kaum möglich. Denn diese wird oft ohnehin relativ kurz eingestellt (< 15 s), um Blindmelken zu vermeiden. Ebenfalls nicht ratsam ist es, hohe Restmilchmengen über mangelhaftes Melken zu provozieren, wie z.B. ungenügende Stimulation, sehr geringes Zitzenvakuum während der Saugphasen (< 38 kPa) oder zu geringe Saugphasenanteile (< 45 %). Solche Maßnahmen haben eine unsichere Wirkung und bergen die üblichen Risiken mangelhaften Melkens.
Alternative Verfahren noch nicht praxisreif
Als Alternative zu den bisher üblichen Methoden könnte ein neues Verfahren mit dem Namen »AutoDry« in Betracht kommen. Dieses patentierte Verfahren unterscheidet sich von den zuvor erläuterten Methoden dadurch, dass die Melkzeuge nicht in Abhängigkeit des Milchflusses abgenommen werden, sondern bei Erreichen einer voreingestellten Milchmenge. In Verbindung mit einer Anpassung der Fütterung an sich etwaig ändernde Milchleistung, dem angeblich weiterhin vorhandenen »Spüleffekt des Melkens« und einer fortwährenden Eutergesundheitskontrolle mittels Sinnfälligkeitsprüfung soll so eine stufenweise Reduzierung unerwünscht hoher Milchleistungen vor dem Trockenstellen ohne erhöhte Mastitisgefahr erreicht werden. Erfahrungen scheinen das zu bestätigen.
Dr. Dirk Hömberg
Spezialberater für Melktechnik und Eutergesundheit
Autokrine Steuerung der Milchsekretion
Dass die Milchleistung durch unvollständiges Ausmelken oder zu seltenes Melken sinkt, ist allgemein bekannt. Warum das so ist, wissen jedoch auch viele Fachleute nicht. Lange Zeit herrschte die Überzeugung, dass mit zunehmender Euterfüllung die weitere Milchbildung eingeschränkt wird, da der Euterdruck steigt. Studien schottischer Wissenschaftler aus den 1990er-Jahren widerlegten diese These jedoch und ergaben, dass die Steuerung der Milchsekretion über einen Bestandteil des Molkenproteins der Milch erfolgt. Dieser sogenannte Alveoleninhibitor wirkt sowohl in Abhängigkeit seiner Konzentration als auch seiner Verweildauer negativ auf die Tätigkeit und die Anzahl der Milchbildungszellen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass durch unvollständiges Ausmelken (hohe Restmilchmengen) ebenso wie durch lange Melkintervalle schon kurzfristig die Milchsekretionsrate (also die Bildung frischer Milch pro Stunde) deutlich vermindert wird. Bei wiederholt unvollständigem bzw. seltenem Melken leidet zudem die Persistenz. Insbesondere Melkintervalle von mehr als ca. 14 Stunden sind hier von Bedeutung. Denn der Schaden derart langer Melkintervalle überwiegt den Nutzen kurzer Melkintervalle (< 9 h). Daher führt selbst dreimal tägliches Melken im Vergleich zum üblichen 12-Stunden-Rhythmus nicht zu einer Leistungssteigerung, sondern sogar zu Leistungseinbußen, wenn es in stark unterschiedlichen Zeitabständen erfolgt. Dieses Phänomen, das während der Laktation von Nachteil ist, kann man sich zur gezielten Leistungssenkung vor dem Trockenstellen zu Nutze machen.