Kälbergesundheit: Signale deuten
Kälber reagieren besonders empfindlich auf Krankheitskeime und schlechtes Stallklima. Sie senden Signale aus, bevor sie richtig krank werden. Wer seine Tiere beobachtet, kann frühzeitig reagieren.
»Wenn Kälber krank sind, geht es schnell abwärts«, sagt Pirmin Zürcher von der Fachstelle Rindvieh des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen (LZSG) in der Schweiz. Umso wichtiger sei es, dass man möglichst schnell erkennt, wenn ein Tier krank ist. Es sind oft kleine Zeichen, für die man den Blick schärfen muss.
Deutliche und einfach erkennbare Körpersignale, die auf eine Krankheit hinweisen, sind ein krummer Rücken, ein eingezogener Schwanz, Tränen- oder Nasenfluss oder ein struppiges Haarkleid. Sie können verschiedene Ursachen haben, zeigen aber alle, dass es dem Kalb oder dem Jungrind nicht wohl ist.
Nicht so gut ersichtlich ist, wenn der Körperbau nicht harmonisch entwickelt ist, z.B. der Kopf im Vergleich zum Körper zu groß ist. Bei Tieren, die auffallen, ist nach dem FARM-Prinzip vorzugehen, rät Zürcher (siehe Abb. Seite 51). Fieber weist auf eine Abwehrreaktion des Körpers hin. Kranke Tiere liegen vermehrt. Ein praller Bauch, eingefallene Flanken, übelriechender Kot oder Durchfall sind Symptome für Fütterungsfehler oder Verdauungsstörungen.
Eingefallene Flanken
Gesund aussehende Kälber, aber mit eingefallenen Flanken, bekommen oft zu wenig Milch. Es beginnt mit der Fütterung der Kolostralmilch. »So früh, so viel und so lange wie möglich«, betont Zürcher. Bei Kälbern, die nach der Geburt keine Milch saugen wollen, soll man drenchen, das heißt dem Kalb mit einem Gummischlauch wenigstens 4 l Kolostralmilch eingeben. Dies ist aber nur bei Kälbern mit wirklicher Trinkschwäche und in den ersten 24 Lebensstunden anzuwenden. Am besten lässt man sich das richtige Einführen des Schlauches vom Tierarzt zeigen.
Komplikationen vorbeugen
Vor allem Kühe, die das erste Mal kalben, lassen sich nicht gleich nach der Geburt melken. Deswegen ist es angebracht, Kolostralmilch anderer Kühe einzufrieren und in Reserve zu haben. Nur wenn genügend Energie vorhanden ist, funktioniert das Immunsystem, betont der Jungviehspezialist, das heißt man sollte bei den Kälbern nicht mit der Milch sparen. Untersuchungen zeigen, dass es bei täglichen Milchgaben von unter 6 l deutlich mehr Erkrankungen und beträchtlich mehr Abgänge gibt als bei täglichen Milchgaben von über 8 l. »6 l sind zu wenig für ein drei Wochen altes Kalb, mindestens 8 besser 10 l pro Tag«, empfiehlt Pirmin Zürcher.
Kälber besaugen sich gegenseitig
Oft beobachtet man, dass sich Kälber vor allem nach der Milchaufnahme am Eimer gegenseitig besaugen. Um dies zu verhindern, lassen Landwirte ihre Kälber oft eine Zeitlang im Fressgitter eingesperrt. Das gegenseitige Besaugen ist eine Befriedigung des Saugtriebes am Ersatzobjekt. Das Saugen löst Endorphine, sogenannte Glückshormone, aus und macht das Saugen zusätzlich zum Stillen des Hungers attraktiv, erklärt Zürcher.
Bei Mutterkuhkälbern, die 12- bis 20-mal pro Tag an ihrer Mutter saugen, kommt gegenseitiges Besaugen nicht oder kaum vor. Sie saugen mit einem Unterdruck von 60 kPa – Melkmaschinen arbeiten im Vergleich dazu mit einem Druck von 40 kPa. Da Mutterkuhkälber sich stark um die Milch bemühen müssen, produzieren sie viel Speichel, mit dem sie Verdauungsenzyme in die Milch abgeben. Das gegenseitige Besaugen ist ein Signal für den Landwirt, dem Kalb die Milch anders anzubieten, nämlich öfter und ähnlich wie das Kalb an der Mutter saugt. Es soll den Kopf nach oben halten, das fördere den Schlundrinnenreflex, sagt Zürcher. Die Milch gelangt in den Labmagen und nicht in den Pansen. Da es im Labmagen eines zwei Wochen alten Kalbes nur Platz für etwa 2 bis 2,5 l Milch gibt, sollte die Milchmenge aufs Mal nicht größer sein, also die Kälber mind. dreimal am Tag mit Milch füttern. Besser ist ein Milchautomat mit mehr Fütterungszeiten. Die Öffnung des Nippels sollte nicht zu groß sein, damit das Kalb die Milch gut einspeichelt. Wer die Kälbermilch mit Milchpulver anmischt, muss darauf achten, dass der Gehalt der Milch ähnlich ist wie bei natürlicher Milch, da diese sonst schlechter gerinnt.
Husten und Ausfluss
Husten ist ein gefürchtetes Signal oder Krankheitssymptom im Kälberstall, denn Kälber sind im Gegensatz zu Jungtieren anderer Säugetierarten besonders empfindlich auf Lungenentzündungen. Ihre Lunge ist erst im Alter von zehn bis zwölf Monaten ganz entwickelt. Auch hat das Rind im Verhältnis zu seinem Körpervolumen eine kleine Lunge. Um genügend Sauerstoff in seine Körperzellen zu transportieren, muss es mehr atmen. Dies macht das Rind, insbesondere das Kalb, besonders empfindlich auf eine hohe Keimbelastung der Luft. Im Kälberstall sollte es deswegen immer frische Luft haben. Die Vorboten einer Erkältung oder sogar Lungenentzündung sind eine wässrige oder sogar gerötete Nase sowie Nasen- und Augenausfluss. Das Tier schleckt sich vermehrt. »Kühe und Kälber im selben Stall kommt selten gut«, sagt Zürcher. Denn dort ist die Luft vom Atmen der Tiere meistens feucht und keimbelastet. Auch sollten Kälber, aber auch ausgewachsene Rinder, nicht auf einer hohen Tiefstreu liegen, da dort viel Ammoniak entweicht, was die Schleimhäute reizt. Auch beim Liegen sieht man es den Kälbern an, ob sie gesund sind. Halten sie den Kopf mit hängenden Ohren nach unten, stimmt etwas nicht. »Ich möchte Ohren, nichts als Ohren sehen«, habe es ein auf Kälbergesundheit spezialisierter Tierarzt ausgedrückt.
Durchfall oder übelriechender Kot
Es gibt Kälber, die viel Milch und später auch viel Raufutter aufnehmen, einen dicken Bauch haben, aber doch geringe Zunahmen aufweisen. Hier müsse man an einen Kokzidienbefall denken und möglichst schnell entwurmen. Oft seien es »Dreckfresser«, das heißt, sie nehmen viel Schmutz und damit Bakterien auf.
Die Kotbeschaffenheit ist ein wichtiges Signal, ob die Verdauung in Ordnung ist. Durchfall, übelriechender und zu fester Kot lassen sich auf falsche Fütterung, aber auch auf Infektionen oder innere Parasiten zurückführen. Ein bisher kaum beachtetes Signal sind nasse Stellen am Bauch. Diese entstehen, weil die Kälber sich dort schlecken. Sie lassen auf Bauchweh schließen, weil der Pansen-pH wegen Übersäuerungen schwankt.
Aufgrund eines Signales allein lässt sich oft noch kein sicherer Rückschluss ziehen, aber es macht den Tierhalter aufmerksam und er kann reagieren, z.B. Kotproben nehmen oder die Fütterung anpassen. Wie erwähnt, mit Kälbern geht es schnell abwärts, wenn sie krank sind. Darum ist es wichtig, frühzeitig Signale zu erkennen und schnell zu reagieren.
Dr. Ing. Agr. Michael Götz