Die Kuh zahlt es in Milch zurück
Gut verdauliche, leistungs- und wiederkäuergerechten Futterrationen verbunden mit einem ausgewogenem Verhältnis von Fressen und Liegen sind die Grundlage für eine effiziente Futterverwertung und damit die Basis einer effektiven Milchproduktion und einer professionellen Milchviehaltung.
Bei der Gestaltung der Funktionsbereiche Fressen und Liegen ist zu beachten, dass Kühe Herdentiere sind, die gern alles gemeinsam machen. Rinder wollen alle gleichzeitig und sofort fressen. Der Rhythmus in der Herde ergibt sich dabei aus dem Biorhythmus der Tiere, der sich auch in Betrieben mit automatischen Melksystemen nicht entkoppeln lässt. Abläufe im Pansen ebenso wie die Milchsynthese unterliegen einem täglichen Muster mit Aktivitätsspitzen in den frühen Morgen- bzw. Vormittagsstunden. Selbstverständlich sollten dennoch alle Reserven durch eine durchgehende Futterverfügbarkeit mit möglichst mehrmaligen Futtervorlagen und Futternachschiebungen aktiviert werden. Nur Futtervorlagen am späten Nachmittag oder Abend passen nicht zum Biorhythmus der Kuh.
Intensive Verdrängungen
Untersuchungen haben ergeben, dass die intensivsten Verdrängungen der Tiere am Futtertisch (ohne Fangfressgitter) stattfinden. Das ist ein Hinweis dafür, dass die Futteraufnahme für die Kühe höchste Priorität hat. Beim Fressverhalten sind auch individuelle Bedürfnisse der Tiere zu berücksichtigen. Kalbinnen und Jungkühe (Ka/Jk) fressen langsamer und weniger pro Mahlzeit. Werden diese in bereits überbelegte Herden integriert, fehlen ihnen die nötige Zeit und Ruhe ausreichender Grobfutteraufnahmen. Eine Ration mit einer Energiekonzentration, die für Kühe bezüglich Wiederkäuergerechtheit grenzbereichswertig ist, kann für Ka/Jk ein gesundheitsrelevantes Problem (Azidose) darstellen.
Spezielle Bedürfnisse
Nicht nur rangniedere Tiere haben spezielle Bedürfnisse hinsichtlich Futteraufnahme, sondern auch frisch abgekalbte und kranke Tiere verhalten sich am Futtertisch weniger aggressiv. Fressen und Liegen beeinflussen sich wechselseitig. Ein Tier, das die Erfahrung gemacht hat, nach dem Fressen keinen geeigneten Liegeplatz zu finden, frisst künftig weniger. Deshalb gilt: Eine weiche Liegefläche für alle Kühe und zu jeder Zeit ist die Voraussetzung für die Sicherung einer hohen Futteraufnahme. Ein Tier/Fressplatz und ein Tier/Liegeplatzverhältnis von 1:1 bedeutet letztendlich, dass das Tier jederzeit fressen und liegen kann. In Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass die Milchleistung so um bis zu 6 l täglich steigen kann. Zusätzlich sinken die Zellgehalte und Lahmheiten gehen bis zu 20 % zurück.
Mangel an Kuhkomfort
Unter dem Aspekt begrenzter Fress- und Liegeplätze werden Stoffwechselerkrankungen zu Kuhkomfortmangelerkrankungen. Die negative Energiebilanz nach dem Kalben wird durch eine künstlich eingeschränkte Möglichkeit der Trockenmasseaufnahme noch verschärft und kann zu einer Ketose führen. Die Struktur der Ration zur Vermeidung der Pansenazidose wird nur wirksam durch ausreichende Liegezeiten (Liegezeiten = Wiederkauzeiten). Ketosen und Azidosen stellen für die Betriebe insofern ein Problem dar, da sie in den meisten Fällen subklinisch auftreten und erst zeitverzögert an Folgekrankheiten (Mastitis, Klauenkrankheiten, Fruchtbarkeitsstörungen) zu erkennen sind. Kühe benötigen 70 % ihrer Zeit zur Futteraufnahme und zum Liegen. Das bedeutet, dass Kühe nicht mehr als drei Stunden außerhalb des Stalles (im Wartebereich, beim Melken) verbringen sollten.
Kämpfe vermeiden
Zeit raubende Kämpfe der Kühe um Fress- und Liegeplätze im überbelegten Stall, was zusätzlich noch ein Risiko für die Klauengesundheit sein kann, sollten unbedingt vermieden werden. Überbelegung ist für die Tiere als chronischer Dauerstress zu werten mit nachteiligen Effekten auf die Fruchtbarkeit und das Immunsystem. Stress reduziert die Fruchtbarkeitsleistung, da die Tiere weniger deutliche Brunstsymptome zeigen. Es kommt zu gehäuften Nachbesamungen. Schwächung des Immunsystems durch Stress bedeutet ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die Abwehr von Infektionserregern erfordert mehr Energie für das Immunsystem. Diese Energie geht für die Milchbildung verloren. Durch den überproportionalen Anfall von Kot in überbelegten Ställen verschlechtert sich automatisch die Hygiene im Tierbereich. Dadurch erhöht sich der Infektionsdruck z.B. für Mastitiserreger. Hoher Infektionsdruck und Schwächung der körpereigenen Abwehrkräfte führen unweigerlich zu Zellgehaltsproblemenn. Die Tierzucht stellt mit modernen Zuchtmethoden Tiere zur Verfügung, die eine Kombination aus einer entsprechenden ökonomisch notwendigen Milchleistung und Robustheit bei hohem TM-Aufnahmevermögen erwarten lassen. Höhere Milchleistungen erfordern eine höhere Futteraufnahme mit längeren Fresszeiten – was nicht zu Lasten der Liegezeiten gehen darf.
Gesundheitliche Folgen
Wenn Kühe insgesamt weniger als zehn Stunden (optimal 12 bis 14 Std.) liegen, gibt es Gesundheitsprobleme. Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Kühe steigen generell die Ansprüche der Tiere an die Haltungsbedingungen. Somit unterliegen Milchviehhalter einem ständigen Optimierungszwang. Haltungsoptimierung bedeutet Tiergesundheitsprobleme vermeiden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ein gutes Mensch-Tier-Verhältnis (ruhiger, leiser Umgang) positive Effekte auf das Wohlbefinden/Gesundheit der Tiere hat. Dieser entspannte Umgang mit den Tieren fällt im nicht überbelegten Stall leichter. Die Optimierung der Haltungsumwelt ist ein geeignetes Instrument, damit hohe Leistungen nicht zum Gesundheitsrisiko werden und ist damit ein Beitrag zur Verlängerung der Nutzungsdauer der Tiere. Es darf nicht vergessen werden, dass Kühe erst in der dritten bis fünften Laktation ihre maximale Leistungsfähigkeit erreichen. Ihre ökonomisch optimale Nutzungsdauer wird in der siebten Laktation erzielt. Eine Überbelegung der Ställe zahlt sich letztendlich nicht aus, auch wenn die absolute Milchproduktion gesteigert werden kann. Die Anpassung der Tierzahl an Fress- und Liegeplätze ist eine Maßnahme zur Gestaltung einer tiergerechten Haltung.
Dr. Stefan Paarmann,
Tiergesundheitsdienst Bayern e.V.