Pflichten und Zugeständnisse

17. März 2021

Jedes Jahr veranstaltet der Landesverband Bayerischer und Sächsischer Molkereifachleute und Milchwirtschaftler e.V. (LBM) seine Erzeugerberatertagung. Die Tagung 2020 fand allerdings erst im Januar 2021 statt. Mehr Pflichten für Molkereien, gutes Milchmanagement und ein Kompromiss zwischen Lebensmitteleinzelhandel und Milcherzeugern, sind wohl die drei wichtigsten Erkenntnisse des Online-Seminars. Worum es sonst noch ging.

Um mehr Realität für die Herkunft von Tierprodukten zu schaffen, kategorisierte der LEH auf Basis der Initiative Tierwohl seit 2019 bereits Fleischprodukte, nun soll es endlich auch eine für Erzeuger tragbare Lösung für die Kennzeichnung von Milch geben.

Seit Jahren ist die Erzeugerberatertagung des LBM ein fester Bestandteil im Veranstaltungsjahr. Eigentlich schon für November in Herrsching geplant, wurde die Präsenzveranstaltung von den Ausrichtern letztendlich doch erst im Januar als Online-Seminar ausgerichtet. Dennoch war sie nicht weniger aufschlussreich und bot diverse spannende Referenten, Vorträge und Diskussionen.

Die neu RohmilchGüVO

Den Anfang des Online-Seminars machte Dr. Christian Baumgartner, Geschäftsführer des Milchprüfring Bayern (mpr), mit seinem Vortrag über »Die neue Rohmilchgüteverordnung«. Die 37 Seiten umfassende deutsche Rohmilchgüteverordnung ist einmalig in Europa und tritt zum 1.7.2021 in Kraft. Dem geht ein langer Weg voraus. Bereits im Juli 2020 wurde der letzte Entwurf des BMEL bei der EU-Kommission zur Notifizierung eingereicht, der im Oktober mit kleineren Anmerkungen positiv abgeschlossen wurde. Die »Verordnung zur Fortentwicklung des Rohmilchgüterechts« wurde schließlich am 5. November 2020 in den Bundesrat eingebracht und am 18. Dezember 2020 einstimmig von den Ländern verabschiedet.

Mehr Pflichten für Molkereien

Mit der Einführung der neuen Rohmilchgüteverordnung wird die MilchGüV= außer Kraft gesetzt. Die Novellierung der Verordnung soll eine bessere Verknüpfung zum europäischen Lebensmittelhygienerecht schaffen. So soll es kein reines Eigenkontrollsystem mehr geben, sondern ein »staatlich vorgeformtes Kontrollsystem« durch ein hoheitliches »Zulassungssystem« von beteiligten Prüfungen und Untersuchungsstellen. Aber was heißt das für die Praxis? In Bayern ist aktuell noch der mpr vom Staat beauftragt, die Rohmilch zu überprüfen. Künftig liegt die Verantwortung fast ausschließlich bei den Molkereien. Insbesondere die Rückstandskontrollen (Hemmstoff- und Antibiotikatest) und die Zuständigkeiten werden vom Staat an die Lebensmittelunternehmer übertragen. Das bedeutet aber insgesamt auch einen höheren Aufwand durch vermehrte Kommunikation, Überwachung, Dokumentation und die Analytik von Hemmstoffen.

Die Pflicht der Molkereien wird darin bestehen, eine Rückverfolgung positiver Chargen zum Verursacher zu gewährleisten. Die Lösung könnte eine obligatorische Beprobung, z.B. durch Schnelltests, bei jeder Milchannahme direkt aus dem Hoftank durch den Sammelwagenfahrer sein. Dafür sei es laut Baumgartner wichtig, dass sich die Fahrer einer Schulung zur richtigen Güteprüfung unterziehen und einen entsprechenden Schulungsnachweis mitführen müssen. So soll gewährleistet werden, dass schon bei der Anlieferung an der Molkerei mindestens viermal pro Monat ein Screening der angelieferten Milch erfolgt.

Die Verbände haben sich mit Verwaltung und mpr schon im Januar 2020 darauf geeinigt, dass das bewährte Gesamtverfahren in Bayern so weit wie möglich beibehalten werden soll. Der mpr will deshalb ein »Dienstleistungspaket RohmilchGütVO« für Molkereien anbieten, das – soweit möglich – alle Verpflichtungen eines Abnehmers abdeckt. Besonders wichtig sei es laut Baumgartner, dass die Erzeuger bei Hemmstofftest genau angeben sollten, welches Medikament verwendet wird bzw. wurde. Denn beispielsweise ß-Laktam-Schnelltests können nicht jedes Medikament (z.B. Tylosin oder Trimetoprim / Sulfonamid) anzeigen. Dann könnte zwar das Einzelergebnis unauffällig sein, die gesamt Milchmenge aber Werte überschreiten. In der anschließenden Diskussion kam daraufhin die Frage auf, wie es sich künftig mit dem Risikoabzug bei Hemmstoffen verhält. Mit der Einführung der High-Sense-Test sei dies schon teilweise vorgezogen worden, erklärte Christian Schramm, Leiter Milcheinkauf bei Zott. »Mit der höheren Empfindlichkeit gibt es zwar mehr positive Testergebnisse, allerdings werden die Hemmstoffbefunde in den letzten Jahren insgesamt immer weniger«, sagt Schramm.

Momentan wohl für viele ein bekannter Anblick, und auch die LBM-Erzeugerberatertagung fand in Form einer Video-Konferenz statt. Hier zu sehen sind Katrin Spemann von der Initiative Tierwohl und Georg Rauschmayer vom LBM. Screenshot

Modernes Milchmanagement

Im zweiten Vortrag von Georg Müller von den Naabtaler Milchwerke GmbH (Privatmolkerei Bechter) ging es um Modernes Milchmanagement in Molkereien. Er teilte viele praktische Beispiele aus seinem Arbeitsalltag. Beim Milchmanagement kommen verschiedenste Themen zusammen und viele Dinge zu beachten u.a. Beschaffung, Abgleich von Beschaffungs- und Absatzmengen, Qualität, Erfassung, Abgleich der Anforderungen von Erzeuger und Kunden.
Folglich müssen die verschiedensten Faktoren bedacht werden, um die Betriebskosten gering zu halte. Das fängt laut Müller bei der Auslastung der Fahrzeuge und Molkereitechnik an, gehe bei der vermehrten Milchsortentrennung weiter, bis hin zu Gesetzen und Verordnungen und ebenso gehöre es auch dazu, den Strukturwandel innerhalb der Branche zu beachten.

Die Milchsammeltouren bei den Naabtaler Milchwerken werden bspw. von einer Spedition geplant und im selben Sammelwagen – nach gründlicher Reinigung – sortenrein eingesammelt. Oft benötigt man auch besonderes Fingerspitzengefühl, wenn es um Änderungen während langfristiger Verträge geht. »Das erfordert viel Verhandlungsgeschick – nicht zu kurzfristig und v.a. muss man die Landwirte an der Diskussion beteiligen«, sagte Müller.
Außerdem gebe es bei den Naabtaler Milchwerken strenge Vorgaben für die Milcherzeuger, noch strikter als beim QM-Milch. Müller wünsche sich deshalb mehr Konsens beim QM-Milch, die Regeln dort seien seiner Meinung nach zu lasch. Er wünsche sich dort eine höhere Punktezahl für die Erteilung des QM-Standard und eine klare Distanzierung von nachlässigen Landwirten, die ein schlechtes Bild auf die ganze Milchbranche werfen. Das Grundproblem liege darin, dass Zahlungen an die PKT-Zahl gekoppelt sind. Dadurch komme es immer wieder zu Diskussionen mit Milcherzeugern. Habe man einen solchen Betrieb in seinem Einzugsgebiet, sollte man auch als Molkerei den Tierarzt einschalten und abschließend entscheiden lassen.

Initiative Tierwohl und Milch

Katrin Spemann von der »Initiative Tierwohl« (ITW) gab in ihrem Vortrag die neuesten Entwicklungen bei der Kategorisierung von Milch bei der ITW preis. Seit dem 1. April 2019 kennzeichnet der LEH Fleisch von Schwein, Hähnchen, Pute und Rind nach einer einheitlichen Kennzeichnung, die nach Kriterien der Initiative Tierwohl kategorisiert werden. Für Milch soll künftig ein ähnliches System etabliert werden. Spemann ist bei der Initiative im Bereich Qualitätssicherung tätig und damit direkt an der Kategorisierung der Standards für Milch beteiligt. »Es muss ein Tierwohl-Standard etabliert werden, der höher ist als QS & QM-Milch«, sagt sie zum Thema Milch und weiter: »Der Mehraufwand für bessere Haltungsbedienungen soll selbstverständlich entlohnt werden.« In den letzten Monaten fanden einige Gespräche zwischen der ITW, dem LEH und den Milcherzeugern statt, um den Standard gemeinsam weiterzuentwickeln. Und es hat sich einiges getan. »Mittlerweile gibt es auch schon ein Konzept, dieses ist aber noch nicht ganz ausgereift, weshalb wir es noch nicht offen nach außen kommunizieren«, erklärt Spemann. Dennoch konnte Expertin einige Details preisgeben, die besonders für die Landwirte im Süddeutschen Raum erfreulich sein werden.

Mittlerweile ist der LEH von einem generellen Anbindeverbot in Kategorie 2 abgerückt. Stattdessen habe man sich auf einen Kompromiss geeinigt – eine Kombinationshaltung. Wenn Rinder in Anbindehaltung gehalten werden, kann trotzdem die Kategorie 2 gewährt werden, wenn die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr für zwei Stunden für Bewegung z.B. durch Weidegang, Zugang zu einem Laufhof oder zu einer Bewegungsbucht bekommen.  Spemann geht davon aus, dass die Anforderungen des QM-Milch als Basis für die Kategorie 1 der ITW dienen sollen, damit diese auf lange Sicht zum Branchenstandard wird. Wann genau diese Regelung kommen soll, konnte Spemann zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht sagen. Auch beim Online-Seminar wurde viel Wissen vermittelt und fleißig diskutiert und die Teilnehmer waren durchweg zufrieden. Nichtsdestotrotz wären wohl alle Beteiligten froh, wenn die nächste Erzeugerberatertagung wieder in Präsenz stattfinden könnte. Den persönlichen Austausch kann eine digitale Veranstaltung eben nicht ersetzen.

Stefanie Nusser

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