Biogas-Infotage Ulm – Wichtige Kontaktbörse für die Branche
Die aktuelle politische Verdrossenheit in der Landwirtschaft war auch auf den Biogas-Infotagen 2024 zu spüren. Neben den jüngsten Entscheidungen bezüglich Agrardiesel und Steuerbefreiung sind es vor allem die zunehmenden bürokratischen Hürden, das zu geringe Ausschreibungsvolumen und die unzureichenden Vergütungssätze, die den Anlagenbetreibern Sorgen bereiten. Dennoch zeigten sich die rund 1200 Fachbesucher an den beiden Messetagen in Ulm innovationsbereit und zupackend. Am Stand des veranstaltenden Vereins renergie Allgäu ging es immer wieder um die Frage „Wie mache ich weiter?“ Und auch die knapp 140 Aussteller berichteten von guten Gesprächen und nutzten vielfach die Möglichkeit, sich frühzeitig ihren Standplatz für die Biogas-Infotage 2025 zu sichern.
Mit dem Ende der EEG-Vergütung führt für die meisten der Anfang der 2000er Jahre in Betrieb gegangenen Biogas-Anlagen der Weg in die Ausschreibung. Dafür gilt es viele Entscheidungen zu treffen, „die wohlüberlegt sein wollen“, wie Fachanwalt Dr. Helmut Loibl in seinen beiden bestens besuchten Fachvorträgen im Praxisforum, einem von drei Vortragsräumen auf der Messe, betonte.
Der Verein renergie Allgäu bietet darum regelmäßig Ausschreibungs-Workshops an, bei denen interessierte Betreiber gründlich vorbereitet und durchs Verfahren begleitet werden. Fachberaterin Jenny Knittel stellte dieses Dienstleistungsangebot im Detail vor, verwies unter anderem auf die neue Höchstbemessungsleistung von 45 Prozent der installierten Leistung, auf die Notwendigkeit der Direktvermarktung, auf das verpflichtende Flexgutachten, den stetig niedriger werdenden Maisdeckel – und die Schwierigkeit, zum Zuge zu kommen: Von den 52 Betreibern, die im Herbst mit Hilfe von renergie Allgäu knapp 35000 kW Strom angeboten haten, hatten nur 16 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 17000 kW tatsächlich einen Zuschlag bekommen.
„Um alle Anbieter berücksichtigen zu können, müsste das Ausschreibungsvolumen verdreifacht werden“, formulierte Jenny Knittel eine von vielen Forderungen an die Politik. Die Realisierungsfrist ab Zuschlag beträgt 2 bis maximal 60 Monate – Anlagenbetreiber können sich also bereits 5 Jahre vor dem Ende der EEG-Vergütung erstmals an der Ausschreibung beteiligen und damit ihre Chancen auf Berücksichtigung erhöhen. Gleichzeitig warnen alle Fachleute vor überstürzten Aktionen: „Ihr Gebot muss wirtschaftlich Sinn machen“, mahnte Jenny Knittel ausdrücklich, vor der Ausschreibung genauestens zu prüfen, wie hoch die Vergütung ausfallen muss, um alle Kosten decken zu können.
Im vergangenen Jahr war das Höchstgebot bei 19,83 ct/kWh für Bestandsanlagen gelegen – für heuer gibt es noch keine Zahlen. „Die Bundesnetzagentur wird das vermutlich erst im März bekannt geben“, sprach der Regensburger Fachjurist Loibl von einem „Drama für die Biogasbranche“.
Alternative zur Ausschreibung kann die Güllekleinanlagenanschlussregelung für die nächsten 10 Jahre sein, die allerdings nur für Anlagen bis zu 150 kW bei mindestens 80 Prozent Gülleanteil gilt und eine rechtzeitige Anmeldung bei der Bundesnetzagentur bis zum 30. September 2024 voraussetzt. Oder die Umrüstung zur Neuanlage, was erneut eine Vergütungssicherheit von 20 Jahren erbringt. In Verbindung mit Zusatzerlösen aus dem Wärmeverkauf könne auch eine Investition in einen Satelliten durchaus Sinn machen, rechnete Loibl in seinen Vorträgen vor.
„Zumal es für den Bau und die Erweiterung von Wärmenetzen interessante staatliche Förderungen gibt“, wie renergie-Fachberaterin Isabel Rues in ihrem Vortrag über das BEW-Programm zu berichten wusste. Nach einer kurzen Unterbrechung aufgrund der Haushaltssperre können Betreiber, Kommunen, Vereine und Genossenschaften nun wieder Anträge für den Direktzuschuss vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle stellen. Geld fließt dabei in vier verschiedenen Modulen für die Machbarkeitsuntersuchung, den Neubau, die Erweiterung und die Betriebskostenförderung. Zu beachten ist: Das BEW greift nur für Netze mit mindestens 17 Anschlussnehmern und erlaubt keinen vorzeitigen Maßnahmenbeginn. Aktuell dauere es rund 6 Monate von der Antragsstellung bis zur Bewilligung, berichtet Isabel Rues von einer hohen Nachfrage. Allein im vergangenen Jahr hat sie mit ihrem Kollegen Felix Hofele 34 neue Netze projektiert und bearbeitet.
„Die Biogas-Branche lässt sich nicht so leicht unterkriegen“, hieß es beim Messe-Rundgang immer wieder an den verschiedenen Ausstellerständen. Trotz zunehmender politischer Frustration sei nach wie vor die Bereitschaft zu Innovation und Investition spürbar. „Aber dafür brauchen die Betreiber Planungssicherheit und eindeutige Signale aus Berlin, die in die Zukunft weisen“, berichtete Carolin Langwieser, beim Biogas-Fachverband zuständig für den Mitgliederservice, von vielen sehr emotionalen Gesprächen mit zum Teil stark verunsicherten Land- und Energiewirten. Sie sei an ihrem Stand immer wieder mit der Forderung konfrontiert worden, sich als Verband aktiv in die aktuelle Politik einzumischen.
Diesem Appell schließt sich auch der Verein renergie Allgäu an. Vereinsvorsitzender Thomas Hartmann und Geschäftsführer Florian Weh suchen immer wieder das Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern und arbeiten gemeinsam mit Vertretern des Landesverbandes Erneuerbare Energien an einem Positionspapier, mit dem sie die Unverzichtbarkeit der Branche für die dringend notwendige Strom- und vor allem Wärmewende im Land erklären und unterstreichen. „Biogas ist die einzige Erzeugungsart im Mix der Erneuerbaren, die flexibel, saisonal steuerbar und gleichzeitig speicherbar ist“, begründet Energie-Experte Thomas Hartmann sein Plädoyer für die Biomasse-Vergärung.
pm