Molkereien solidarisieren sich mit friedlichen Bauernprotesten
Beim Milchpolitischen Frühschoppen diskutiert die Milchwirtschaft jährlich am Rande der Grünen Woche die Themen, die die Branche bewegen.
Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Peter Stahl, ordnet die aktuellen politischen Entwicklungen aus Sicht der Molkereiwirtschaft ein: „Steigende Bürokratie bei sinkender Wertschätzung – wir können den Frust der Milcherzeuger sehr gut verstehen. Der MIV erklärt sich mit den Landwirten und dem Anliegen der Aktionswoche grundsätzlich solidarisch, sofern der Protest in einem friedlichen und demokratischen Rahmen stattfindet. Die Aktionen der Landwirte und die insgesamt große Zustimmung der Bevölkerung zeigen: Die Grenze des Zumutbaren ist teils überschritten, sowohl bei den Erzeugern als auch bei den Verarbeitern.“ Ausgangspunkt der Proteste waren die Mitte Dezember vorgelegten Vorschläge der Bundesregierung zur Agrardieselbeihilfe und zur Aufhebung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, um den Bundeshaushalt 2024 ins Gleichgewicht zu bringen.
Bürokratie belastet Molkereien
Molkereiunternehmen müssen massiv in Personal und Strukturen investieren, um der Einhaltung und dem Berichtswesen neuer Gesetzgebungen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu entsprechen – und dabei sind Teile der Verordnungsflut noch in der Pipeline. Dazu kommen Anforderungen der EU-Taxonomie im Sinne einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit sowie zur EU-Verpackungsverordnung PPWR. Im Bereich Verpackung kumulieren Bürokratie und doppelte Kosten für Verpackungslizensierung, Kunststofffond, Kunststoffsteuer sowie das neu eingeführte Pfand auf Milchflaschen aus Kunststoff. Ein Bürokratiemonster droht auch beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten EUDR. Für die in der Verordnung genannten Produkte wie Rinder, Soja, Kaffee oder Kakao sind Sorgfaltspflichten ab 2025 entlang der gesamten Lieferkette geknüpft. Für die WTO-Konformität gelten die Bedingungen aber auch für alle Produzenten in der EU. In Zukunft muss jeder Milcherzeuger daher eine Referenznummer haben und Stand heute Geokoordinaten seiner Stallungen und Flächen in ein eigenes System einpflegen.
Branche investiert in die Zukunft
Die Molkereien verarbeiten den wertvollen Rohstoff Milch zu gesunden und vielfältigen Produkten. Dafür benötigen sie planbare und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen. Doppellösungen von EU- und nationalem Recht sind in einem gemeinsamen EU-Binnenmarkt nicht förderlich und treiben die Kosten in die Höhe. Die Branche hat bei wichtigen Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Tierwohl und Zuckerreduktion bereits vor Jahren den Transformationsprozess angestoßen. Molkereien investieren in effiziente Verarbeitungstechnologien, Verpackungen und Rezepturänderungen. Milcherzeuger produzieren den Rohstoff Milch mit vielen wertvollen Inhaltsstoffen direkt vor der Haustür. Beim Tierwohl entwickelte QM-Milch mit dem Lebensmitteleinzelhandel entsprechende taugliche Modelle für ein Verbraucherlabel, bevor das Ministerium einen eigenen, neuen Vorschlag unterbreitete.
Heimische Lebensmittelproduktion schützen
Im Januar lenkte die Bundesregierung beim Agrardiesel ein Stück ein und nahm die Kfz-Steuerbefreiung auch für Milchsammelwagen zurück. Damit ist das Landwirtschaftsministerium dem wesentlichen Kritikpunkt des Milchindustrie-Verbandes an den Vorschlägen zu den Sparplänen zum Bundeshaushalt 2024 nachgekommen. Wir haben in Deutschland die großartige Situation, sehr vielfältige Lebensmittel direkt vor Ort herstellen zu können. Ansprüche von Gesellschaft und Politik an Erzeugung und Herstellung von Lebensmitteln werden reflektiert und fließen in die Arbeit ein. Eine einseitige Überforderung der heimischen Lebensmittelproduzenten wird mit Blick auf die Zukunft jedoch nur den Anteil an importierten Lebensmitteln steigen lassen und den Produktionsstandort Deutschland schwächen. Politik und Branche sollten gemeinsame Lösungen finden, um das zu verhindern.
MIV