Österreichische Milchwirtschaftliche Tagung 2023
»Nachhaltig zum Erfolg« – unter diesem Titel fand am 14. und 15. September 2023 die Tagung der österreichischen Milchwirtschaft statt. Dazu hat die HBLFA Tirol mit der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, unterstützt vom Verein zur Förderung der Österreichischen Milchwirtschaft und der Tirol Milch Wörgl, einem Werk der Berglandmilch eGen, eingeladen. Dass Nachhaltigkeit auch für die Milchwirtschaft eine sportliche Herausforderung ist, unterstrichen die Veranstalter mit der Wahl des Tagungsraumes – die Milchwirtschaftler und interessierten Gäste trafen sich in der schönen Sporthalle der HBLFA Tirol in Strass im Zillertal.
Der Veranstaltung vorgelagert war eine Pressekonferenz, bei der Dir. Helmut Petschar, Geschäftsführer der Kärntnermilch reg. Gen.m.b.H. und Präsident der VÖM, DI Josef Baumgartner, Generaldirektor Tirol Milch und Berglandmilch eGen sowie Mag. DI Johann Költringer, Geschäftsführer der VÖM, zum Thema »Nachhaltig zum Erfolg« sprachen und den Medienvertretern Rede und Antwort standen. Dabei fasste Johann Költringer zusammen, dass österreichische Milchprodukte ihren Preis wert sind, wobei Nachhaltigkeit und Herkunft immer wichtiger werden. Dabei streifte er vom Druck am Milchmarkt über strengere Auflagen bei Bio und sparsameres Einkaufsverhalten der Verbraucher, bis zur notwendigen Herkunftskennzeichnung und dem sehr nachhaltigen wirtschaften der österreichischen Milchwirtschaft, das gesamte Themenspektrum, das die Branche herausfordert. Helmut Petschar lieferte, gewohnt gut aufbereitet Zahlen, Daten und Fakten von den Notierungen für Milchprodukte in Deutschland, über Preise für Milchleistungsfutter bis zur Entwicklung der Unternehmen und der Magermilchpulverpreise. Er schloss mit dem Statement: »Wir sind stolz auf unsere Milch!«
Perspektiven für die Milchwirtschaft in Österreich
Johann Költringer führte kurz in das Thema ein und forderte die Teilnehmer auf, insbesondere in ihren Funktionen öfter über den Tellerrand hinauszuschauen. Költringer kündigte dann den Bundesminister Mag. Norbert Totschnig mit seinem Thema, Perspektiven für die österreichische Milchwirtschaft im europäischen Kontext, an. Die Agenda des Bundesministers war unterteilt in die Entwicklung der Märkte, Unterstützung für die Milchwirtschaft und deren Perspektiven. Zur Entwicklung der Märkte betrachtete Totschnig die heimische Milchwirtschaft mit Blick auf Europa. Dabei ging er auf das globale Bevölkerungswachstum, sich ändernde Ernährungsgewohnheiten, Auswirkungen des Green Deals und die globalen Handelsbeziehungen mit der Sondersituation Ukraine sowie den Handelsverträgen mit Australien, Neuseeland und MERCOSUR ein. Der Minister ging auf das europäische Milchaufkommen, die rückläufigen Milch- und Verbraucherpreise ein, glaubte aber, dass eine Stabilisierung in Sicht ist. Als große Störfaktoren sah Totschnig die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die sich häufenden Extremwetterereignisse.
Landwirtschaft in Österreich
Land- und Forstwirtschaft in Österreich generieren einen Produktionswert von 13,5 Mrd. €, 2,9 Mrd. (22%) davon die Forstwirtschaft, 10,5 Mrd. € (78%) die Landwirtschaft. Den bedeutendsten Posten, im Bereich Landwirtschaft, trägt mit 1,9 Mrd. € die Milch bei. Damit ist die Milchwirtschaft der bedeutendste Sektor in der Landwirtschaft. 24.219 Milchviehbetriebe liefern ca. 3,5 Mio. t Milch. 85% davon werden in Bergbauernbetrieben erzeugt. Der Anteil der Biomilch liegt bei ca. 20%; Heumilch kommt auf 15%. Die Milchwirtschaft exportiert Waren im Wert von 1,7 Mrd. €, was bei einem Importwert von 1,1 Mrd. € einen Überschuss von 640 Mio. € bedeutet. In seinen weiteren Ausführungen ging der Minister auf Tierwohl und Tierhaltung und die Herkunftskennzeichnung ein. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung für Fleisch, Milch und Eier gilt seit dem 1. September 2023. Was die Versorgung mit Milchprodukten anbelangt, sprach Totschnig die Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Gesundheit an. Die Milch stehe oft zu Unrecht am Pranger, es brauche mehr sachliche Diskussion zur Gesundheit von tierischen Lebensmitteln. Die Unterstützung für die Milchwirtschaft sieht im nationalen GAP-Strategieplan 2023 bis 1027 1,86 Mrd. € pro Jahr vor. Gute Perspektiven für die Milchwirtschaft sah der Minister in der Fortführung der AT-Qualitätsstrategie und der Sicherung der Kulturlandschaft. Zum Ende kommend bekam der Veranstaltungsort noch ein kräftiges Lob ab. Hier würden, am Pionierstandort für Milchverarbeitung, Synergien von Lehre, Forschung und Service erzeugt.
Abschließend stellte der Minister noch die »Vision 2028+« vor, das Zukunftsbild für Österreichs Landwirtschaft und den ländlichen Raum. Die Vision soll in drei Phasen, unter starker Beteiligung der Bauern bis April 2024 erarbeitet werden. »Die Zeichen stehen auf Arbeit«, war die Botschaft.
Herausforderungen der Zukunft
Der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, Dir. Helmut Petschar stellte die aktuelle Entwicklung in der österreichischen Milchwirtschaft vor. Sein Beitrag war unterteilt in folgende Themen: Österreichische Milchwirtschaft 2023, Entwicklungen am Markt, Inflation und Teuerung, Zukünftige Herausforderungen und Resümee. Als die Herausforderungen der Zukunft nannte Petschar das Tierwohl, den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit, die Neue Verpackungs- und Verpackungsabfall-Verordnung (PPWR), Ernährungstrends, die Gentechnik und die Energieversorgung. Was das Tierwohl anbelangt sah der Referent die österreichische Milchproduktion bereits auf einem sehr hohen Standard. Trotzdem steige der Druck am Markt ausgehend vom deutschen LEH, weshalb weitere Anstrengungen zur Absicherung der Exportfähigkeit notwendig seien.
Auch bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit, so Petschar, hat Österreichs Milchwirtschaft schon sehr hohe Standards und hält die EU-weit besten Klimaschutzwerte. Er betrachtet es als notwendig, Konsumenten, denen Nachhaltigkeitsthemen wichtig sind, zu vermitteln, dass Milchkühe Pflanzen verwerten, die vom menschlichen Organismus nicht verwertet werden können. Gefahren sah der Referent in der Produktionsbeschränkung in der EU und zusätzlichen Importen aus Übersee. Hinsichtlich der PPWR-Verordnung erkannte Petschar gutklingende, aber überzogene Maßnahmen, die Gefahr der Ideologisierung durch Verbote anstelle von Klimaschutz und Mehrkosten für die Konsumenten, wobei der Umweltschutz dabei oft fraglich sei. Zudem setze Österreichs Milchwirtschaft ohnehin auf hochwertige und ökologische Verpackungssysteme. Im EU-Vorschlag zur neuen Gentechnik sah der Redner eine ernste Gefahr für Bio- und gentechnikfreie Produkte, da die Kennzeichnung und die Zulassung entfallen. Österreich will keine Gentechnik in Lebensmitteln. Petschar sieht große Herausforderungen in der Zukunft. Beim Tierwohl brauche es einen Schulterschluss zwischen den Verarbeitungsbetrieben, den Bauern, der Interessenvertretung, der Politik und dem LEH. Abschließend stellte er fest, dass es für die Erhaltung der flächendeckenden Milchproduktion Fairness entlang der Wertschöpfungskette braucht und das mehr denn je.
Der Milchmarkt in der EU
Entwicklungen und Perspektiven am europäischen und weltweiten Milchmarkt, ein Thema für Monika Wohlfahrt von der Zentrale Milchmarkt Berichterstattung GmbH. Da die von Wohlfahrt, in gewohnt kompetenter Form, präsentierten Fakten in vielen Statistiken und Berichten jederzeit eingesehen werden können, direkt zu ihrem Fazit: Das Milchaufkommen in der EU ist leicht gestiegen, in Deutschland überdurchschnittlich, das Milchangebot am Weltmarkt ist weiterhin niedriger als 2021. Die Rekordmilchpreise von 2022 haben die Milchproduktion weniger stimuliert als frühere Hochpreisphasen. Ein verregneter Juli dämpft in der EU bislang den Rückgang der Milchanlieferung. Die Kosten sind nicht mehr so extrem hoch wie 2022, sind allerdings immer noch deutlich höher als in der Vergangenheit. Vor allem die Personalkosten sind signifikant höher. Es gibt Preisrückgänge bei Milch-Commodities seit Herbst 2022, vor allem durch verringerte Nachfrage und weniger durch die Erholung der Produktion.
Die Internationale Nachfrage dürfte bei niedrigeren Preisen wieder wachsen, allerdings herrscht große Unsicherheit über die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in China. Die Inflation beeinflusst auch den Konsum von Milchprodukten – Käse allerdings profitiert von den hohen Fleischpreisen. Ein Höchststand der Milchproduktion in der EU war vermutlich 2020 erreicht, die weltweite Milcherzeugung wird künftig voraussichtlich langsamer wachsen.
Nach der Kaffeepause wurde der Nachmittag mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen. Das kompetent besetzte Podium diskutierte das Tagungsthema aus den unterschiedlichsten Sichten, vom Milcherzeuger über die Verarbeiter bis zum Verbraucher. Ein wichtiges Statement von Katharina Koßdorff war: »Nachhaltigkeit, daran kommt man nicht mehr vorbei. Allerdings sollten die Anforderungen an die Unternehmen dosiert platziert werden, damit die Lösungen auch machbar umgesetzt werden können.«
Stefan Lindner, Obmann der Berglandmilch, brachte ein anderes Thema auf den Punkt: »Das Tierwohl ist gekommen, um zu bleiben.« Helmut Petschar bat darum, bei allen Ideen und Maßnahmen, den wichtigsten Mitspieler nicht zu vergessen: »Aktuell gibt der LEH den Takt vor.«
Kühe und Klimaschutz
Am zweiten Tag begrüßt Diskussionsleiter Dr. Klaus Dillinger zum ersten Vortrag. Mag. Petra Lackner (Österreichische Energieagentur) bearbeitet das Thema Auswirkung des neuen Energieeffizienzgesetzes und Angebote für Betriebe im klimaaktiv Programm. Lackners Vortrag begann mit der Vorstellung der Österreichischen Energieagentur, zeigte dann die wesentlichen Punkte des Bundes Energieeffizienzgesetzes und was sich dadurch für große Unternehmen geändert hat auf und sprach dann über Unterstützungsangebote von klimaaktiv, um die Energiewende zu schaffen. Die Österreichische Energieagentur ist das Bindeglied zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Politik. 1977 als gemeinnütziger wissenschaftlicher Verein gegründet, arbeiten dort heute rund 100 Mitarbeiter.
Es wurde, durch eine konstante Milchproduktion bei sinkendem Kuhbestand in den letzten Jahrzehnten, viel erreicht. Reduktionsmaßnahmen sind sehr vielfältig, bringen aber einzeln keine großen Effekte, weshalb Maßnahmenkombinationen notwendig sind. Methan-Reduktion ist wichtig, ultimativ muss Co2 reduziert werden, es ist eine ehrliche Diskussion erforderlich. Die Intensivierung alleine ist kein Lösungsansatz, extensive Betriebe bringen besonders hohe Ökosystemleistungen. Es ist wichtig Zielkonflikte zu beachten.
Unterschiedliche Produktionssysteme weisen spezifische Stärken und Optimierungspotentiale auf, deshalb muss dem Standort, der Betriebsstruktur etc. Rechnung getragen werden. Intensive Betriebe haben niedrige Treibhausgasemissionen je kg Milch und einen hohen wirtschaftlichen Umsatz. Extensive Betriebe weisen eine hohe Netto-Lebensmittelerzeugung auf und liefern viele gewünschte Ökosystemleistungen. Es braucht unbedingt eine Mischung. Den Fokus auf einzelne Merkmale zu richten ist ungeeignet, weil die Landwirtschaft multifunktional ist.
Bakterien in Rohmilchkäse
Staphylococcus aureus in Rohmilchkäsen der alpinen Region, war das Thema von Margaretha Buchner, die als Wissenschaftlerin der HBLFA Tirol ein Heimspiel hatte. Gleichzeitig durfte sie mit ihrem Vortrag die oemt2023 abschließen.
Der Staphylococcus aureus ist der bedeutendste Vertreter der Koagulase-positiven Staphylokokken. Er ist Infektionserreger und hat Bedeutung als bakterieller Lebensmittelvergifter. S. aureus zählt in Europa zu den häufigsten Verursachern lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche. Haupteintragsquellen in Käse sind die Staphylokokken-Mastitis, eine Kontamination der Mich beim Melken durch das Milchtier selbst (Haut, Wunden) oder das verarbeitende Personal. Die Alpung stellt durch den häufigen Kontakt zwischen Milchtieren verschiedener Talbetriebe oder kontaminiertes Melkzeug, einen besonderen Risikofaktor dar. Weitere Risikofaktoren sind – Zukauf von Kühen, nicht entsprechende Behandlung einer vorliegenden akuten Mastitis oder falsche Melktechnik. Grenzwerte für Käse sind in der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 geregelt. Um das Risiko zu minimieren, müssen notwendige Maßnahmen, bei der Herstellung von Rohmilchkäsen, insbesondere auf Almen beachtet werden. Es darf nur ausgewählte Rohmilch, mit lückenloser Dokumentation aller erhobenen Daten verarbeitet werden. Konsequente Beachtung der Eutergesundheit, selbst wenn kein konkreter Verdacht besteht. Es muss geschultes Personal eingesetzt, und es müssen aktive Säuerungskulturen verwendet werden. Der pH-Wert, 2 Stunden nach Abfüllung, muss als kritischer Kontrollpunkt (ccp) gesetzt werden. Ein Almkäser spricht aus Erfahrung, wenn er sagt: »Die einzige Waffe, die eine Käserei hat, ist das pH-Meter!« Unter der Überschrift – Fazit und nachhaltige Sanierungsstrategien s. aureus, stellt Frau Buchner fest – Es ist eine Sensibilisierung für die notwendigen Maßnahmen bei der Verarbeitung von Rohmilch notwendig. Eine Genotypisierung für nachhaltige Behandlungen und ein angepasstes Herdenmanagement sind erforderlich. Bei einer wiederkehrenden Mastitis Problematik, wird eine zielgerichtete Sanierung des betroffenen Betriebs empfohlen. Nachzulesen bei Graber-2019 – Sanierung von Staphylococcus-aureus-Genotyp-B-infizierten Milchviehherden.
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