Einigkeit der Milchbauern

10. Oktober 2023

BDM lud die Landtagskandidaten vom Oberallgäu und Lindau zu Diskussionsrunde auf den Bio-Betrieb Heiligensetzer Unterschwarzenberg/Oy-Mittelberg ein.

Bei der Diskussion mit den Kandidaten für den Landtag mit dabei (v.l.) Martin Riedmiller, Otto Bertele, Franz Heiligensetzer, Erwin Reinalter, Joachim Konrad, Simon Schwendiger, Markus Reichart, Markus Böckler, Alexander Hold, Erich Beißwenger, Hans Jürgen Ulm und Thomas Gehring. Foto: Franz Kustermann

Franz Heiligensetzer (34, verheiratet mit Lehrerin, kleine Tochter) hat den elterlichen Betrieb 2020 von seinem Vater übernommen; ist bereits 2015 in den neu erbauten Laufstall – samt Laufhof im Süden – eingezogen. Aktuell verfügt der Betrieb über 50 ha Grünland (920 m NN) sowie 55 Milchkühe plus 40 Stück Jungvieh. Seit 2021 ist der KULAP-Betrieb ein »Biobetrieb«. Für den Besuch der Landtagskandidaten hat der Agrartechniker seine Kühe extra von der Weide geholt. Seine Biomilch liefert er zur Allgäu Milch Käse e.G. in Kimratshofen. Als große Belastung empfindet der Landwirt die ab 2025 geforderte bodennahe Gülleausbringung: »Keiner hat Lust drauf; keiner findet einen Sinn darin«. Beim aktuell niedrigen Milchpreis – weder konventionell noch im Biobereich kostendeckend – wisse man nicht, ob die Talsohle schon erreicht sei. Der 34-jährige mahnte die Landtagskandidaten: »Wir tun die Arbeit zwar gern, aber es wäre schön, wenn wir damit auch ein gutes Auskommen hätten!« Aktuell liegt bei dem Biobetrieb der Milchpreis bei 54 ct. Auf die Frage von Hans Jürgen Ulm (SPD) nach weiteren Einnahmequellen verneinte der Landwirt dies: Da seine Frau als Lehrerin arbeitet, ist er mit seinem Milchviehbetrieb arbeitsmäßig schon sehr gut ausgelastet.

BDM-Vorsitzender Oberallgäu-Lindau, Markus Böckler, machte bei der anschließenden Diskussionsrunde im nahgelegenen Vereinehaus deutlich, dass aktive Milcherzeuger dem 1998 gegründeten Bundesverband Deutscher Milcherzeuger (BDM) angehören und rund 40 Prozent der deutschen Milch produzieren. Er möchte seinen Milchviehbetrieb in die Zukunft führen, doch die Situation sei »eindeutig verbesserungsfähig«. Wie auch vom Bundeskartellamt festgestellt, sei die »fehlende Marktstellung der Milchviehhalter« das größte Problem der Erzeuger: Marktkrisen wie etwa 2015/16 würden immer auf die Bauern abgewälzt, während Molkereien und Handel auch bei kritischen Situationen immer ihre Gewinnspannen beibehalten. Nachdem jetzt die Milchmengen wieder wahnsinnig gestiegen sind, gab es einen drastischen Preisverfall bei den Erzeugerpreisen. Es dürfe nicht sein, dass dies immer alleine die Milchviehbauern bezahlen müssen.

Aktuell gebe es noch 52 000 Milchviehhalter in Deutschland: Vor 14 Jahren waren es noch rund 100 000 Milchbauern. Wie der 33-jährige betonte, sei leider »kein nennenswerter Wettbewerb um Rohmilch« vorhanden. Die Bauern bräuchten eine höhere Wertschöpfung aus dem Verkaufserlös; allein durch Prämien und Förderprogramme lasse sich dieser eklatante Mangel nicht lösen! Angesichts des Klimawandels werde flächendeckende Milchviehhaltung immer wichtiger; nicht nur zur Versorungssicherheit mit Lebensmitteln, sondern auch zum Erhalt der Artenvielfalt. Die Programme zur Entwicklung des ländlichen Raumes seien zwar schön, doch allein dies konnte den Strukturbruch und eine Halbierung der Milchviehalter nicht abwenden. Daher sei extrem wichtig: »Angebot und Nachfrage bei der Milch zusammenbringen« Also ein »Rahmen in der sozialen Marktwirtschaft, der eine Preisbildung ermöglicht, der für alle Marktpartner auskömmlich ist«.

Lieferverzicht

Laut Böckler wurde 2016 ein Programm zum freiwilligen Lieferverzicht angewandt: »Aktuell wäre es jetzt der richtige Zeitpunkt, dies wieder einzusetzen!« Die kurze Zeit mit 50 bis 60 ct Milchpreis sei nämlich nur »ein kurzer Moment der Hochpreisphase« gewesen, wo die Kosten für Boden, Arbeit und Kapital gedeckt waren. Daher brauche man jetzt »strukturiert organsierte Systeme«, die dem entgegenwirkten: »Damit dies die Milchpreisschwankungen nicht in dem Ausmaß ausufern lassen!« Böckler meinte: »Alles was nix kostet, ist nix wert«

Laut dem BDM-Ehrenvorsitzenden, Romuald Schaber, wurden 2016 für den Milchlieferverzicht 16 ct Entschädigung bezahlt; heute müsste man den Milchviehhaltern seiner Schätzung nach – wollte man zur Preiserhaltung wirksam eingreifen – etwa 30 bis 35 ct anbieten. Der BDM fordere schon seit vielen Jahren die Einführung einer Umlage, wo die Milcherzeuger in einem Solidaritätsprogramm permanent pro kg Milch etwa ein Zehntel Ct einzahlen, mit dem im Krisenfall der dringend notwendige, freiwillige Lieferverzicht finanziert würde. Das Instrument sei nach wie vor vorhanden, es müsste nur »aktiviert« werden. Wie Böckler berichtete, brauchen die Milchbauern Vorgaben über verbindliche Verträge zwischen Molkereien und Milchviehhalter, welche Liefermengen, Milchpreis, Dauer und Qualitätsmerkmale verbindlich festlegen. In keinem anderen Wirtschaftsbereich sei es so, dass der Preis der Lieferung erst am 10. des Folgemonates mitgeteilt werde: »Ein Knackpunkt, wo angesetzt werden muss!«

Der BDM beschäftige sich aber auch mit dem Wolf, der Düngeverordnung mit der 170-kg-N-Grenze: Hier gibt es laut dem BDM-Vorsitzenden Untersuchungen, dass gutes Grünland 300 kg Stickstoff problemlos verwerten kann. Mit der derzeitigen Regelung werde das Grünland »ausgehungert«. Aus fachlicher Sicht spreche nichts dagegen, dass 230 kg N mit organischem Dünger gegeben werde. Der BDM sei zwar nicht komplett gegen die bodennahe Gülleausbringung, doch eine »Verpflichtung« dazu lehne die bundesweit agierende Vereinigung der Milcherzeuger strikt ab: Für viele Betriebe wäre dies nämlich eine sehr große Herausforderung, mit sehr hohen Investitionen, weil meist die dazu nötigen, großen Schlepper auf den Betrieben gar nicht vorhanden seien. Auch Futterverschmutzung sei hier auch ein wichtiges Thema. Deshalb müsse den Landwirten die »Wahlfreiheit über das Ausbringsystem« gewährt werden. Böckler betonte: »Wenn die bodennahe Ausbringung gut ist, dann machen die Bauern dies freiwillig; dann braucht man ihnen das nicht aufzwingen!«

Unter der Moderation von Johannes Fritz durften die Landtagskandidaten dazu Stellung nehmen: Hans Jürgen Ulm (SPD) bezeichnete sich als »nicht gerade so der Landwirtschaftsexperte«. Er wollte das Treffen auf dem Hof dazu nutzen, sich mehr über Landwirtschaft zu informieren. Simon Schwendiger (FDP) plädierte dafür, das Verbraucherbewusstsein besser zu schärfen. Joachim Konrad (CSU, Bürgermeister von Altusried) sah ein großes Gefälle zwischen Stadt und Land. Er beteuerte: »Ihr könnt euch auf mich verlassen!« Alexander Hold (Freie Wähler) machte deutlich, dass die große Rolle der Bauern in den Gemeinden weit über die Funktion der Landwirtschaft hinausgeht. Heimenkirch‘s Bürgermeister Markus Reichert (Grüne) mahnte, »Tue Gutes und rede darüber!« Thomas Gehring (Grüne) befürchtet eine Spaltung zwischen den Bauern und dem BUND. Er mahnte: »Es braucht den Dialog mit der Bevölkerung«. Da die Marktstellung der Landwirte sehr schlecht sei, forderte Eric Beißwenger (CSU): »Die Einigkeit der Bauern ist ganz wichtig!«

Franz Kustermann

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