Digitale Erntehelfer im Einsatz

25. Juli 2023

Wer in engen Zeitfenstern hohe Futterqualitäten einfährt, muss schlagkräftig und effizient arbeiten. Digitale Helfer können den Landwirt dabei unterstützen.

Um Ernteketten effizient zu koordinieren, kann sich der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln lohnen. Fotos: Innovation Farm Wieselburg

Schlagkräftige und futterschonende Erntetechnik ist mittlerweile Standard in der Landtechnik. Diese aber mit maximaler Effizienz einzusetzen, ist gerade in kleinstrukturierten Gebieten wie Österreich oder Süddeutschland eine Herausforderung. Mit der App Harvest Assist von Pöttinger, ein Projekt in Zusammenarbeit mit Farmdok, soll die Planung durch die digitale Koordination während der Ernte unterstützt werden. Das vorderste Ziel: Die Silagequalität soll durch eine ideal koordinierte Anlieferung am Silo optimiert werden. Welchen Einfluss die App auf die Erntearbeit hat und wie sich diese digitale Lösung auf den gesamten Prozess der Futtereinbringung auswirkt, wurde in Zusammenarbeit mit Pilotbetrieben der Innovation Farm untersucht.

Kurze Erntefenster in Kombination mit hohen Qualitätsansprüchen verlangen der Grünlandernte viel ab. Das Potenzial der Wertschöpfung aus dem Grundfutter ist hoch, in der Praxis jedoch oft schwierig, dies voll auszuschöpfen. Die Grünlandernte soll möglichst rasch über die Bühne gehen, so kann die Qualität durch den richtigen Trockenmassegehalt hochgehalten werden. Die Stundensätze für leistungsstarke und schlagkräftige Maschinengespanne sind dementsprechend hoch. Darum gilt die Devise, die Erntetechnik möglichst effizient einzusetzen. Zur Kostenreduktion sollen mit Harvest Assist für Tablet und Smartphone unter anderem auch die Standzeiten und unnötige Fahrten vermieden werden.

Erntekette festlegen

Der erste Schritt ist das Erstellen einer Gruppe, welche alle an der Ernte beteiligten Personen mit der jeweiligen Maschine zusammenfasst. Dafür wird nach dem kostenlosen Download keine Anmeldung oder Registrierung benötigt. Man kann gleich mit der Gruppenbenennung und der Auswahl einer Maschine starten. 

Eine Bildschirmoberfläche mit vier Reitern »Gruppe«, »Felder«, »Karte« und »Planung« gilt es zu bedienen. Letzteres verlangt vor dem Start vier Schritte. Auch wenn es auf den ersten Blick verwirrend oder nach großem Aufwand erscheinen mag, sind die nötigen Einstellungen jedoch relativ rasch umgesetzt. Der erste Schritt ist mit der Wahl des Standorts für das Silo am eigenen Hof bereits getan. Schritt zwei ist, weitere Personen über das Versenden eines Links in die Gruppe einzuladen. Im Zuge dessen kann Schritt drei – die Zuteilung eines Ladewagens – gleich erledigt werden. Die Eingabe der zu erntenden Flächen kann gegebenenfalls etwas mehr Aufwand sein, beschränkt man sich jedoch auf die Auswahl des Schlages und die Schlagbezeichnung, ist je nach Anzahl der Flächen auch Schritt vier in wenigen Minuten erledigt. Empfehlenswert ist jedoch, zu den Feldern zusätzliche Informationen einzutragen.

In diesem Diagramm werden alle Fuhren des Erntetages, wie sie von der dynamischen Routenplanung von Harvest Assist für eine gleichmäßige Anlieferung vorgeschlagen wurden, dargestellt. Der Massenstrom ist dabei konstant. Die Y-Achse bildet den Zeitbedarf der jeweiligen Fuhre in Minuten ab.

Gerade die am Hof geläufige Schlagbezeichnung ist ein Muss, da die Orientierung deutlich einfacher wird. Im Zuge dessen kann auch die Geländeeigenschaft »steil« oder »nass« gesetzt werden, dies hilft Maschinenführern bei der Erstfahrt. Die Auswahl der Felder bleibt dabei sehr simpel, es muss lediglich ein Feld angeklickt werden, die Schlaggrenzen aus der INVEKOS-Datenbank werden für Österreich automatisch generiert. Bei der Nutzung in Deutschland oder anderen europäischen Ländern werden die Konturen des Schlages via Satellitendaten erfasst. Auf Wunsch können die Feldeinfahrt und die Feldgeometrie mit einem weiteren Klick auf die Fläche noch adaptiert werden. Ein Computer bzw. der Import von Flächen ist dafür nicht nötig. Es läuft alles über ein Betriebssystem – Android oder IOS auf Smartphone oder Tablet. Wird die App auch mal etwas zweckentfremdet und nicht bei der Ladewagenernte eingesetzt, so könnte ein Zusatz zum Feldnamen ans Ziel führen. Wird die Kulturfrucht hinzugefügt, z.B. »Hausacker Gerste« oder »Waldacker Mais in Wieselburg«, kann die App auch außerhalb der Grünlandernte gute Dienste leisten.

Um den Überblick während der Ernte zu behalten, werden vier verschiedene Bearbeitungsstadien in verschiedenen Farben angeführt:

  • Nicht bearbeitet
  • In Arbeit Schwader (zu diesem Feldstatus wird automatisch gewechselt, sobald die Fläche mit einem Schwader befahren wird)
  • Bereit für Ladewagen
  • Ernte abgeschlossen

Alle Erntehelfer im Blick

Während der Versuche war der Reiter »Karte« das am meisten geöffnete Fenster. Der gute Überblick über die Felder und der LIVE-Standort aller an der Ernte beteiligten Personen sind eine große Erleichterung und bergen auch das größte Potenzial für Einsparungen. Die Pilotbetriebe, einige Lohnunternehmer und auch das Team der Innovation Farm haben dieses Werkzeug als das Beste eingestuft. Ein Blick auf die App verrät den aktuellen Standort von allen an der Ernte beteiligten Fahrzeugen und man kann die Fläche unkompliziert anfahren. Telefonanrufe wie »Wo bist du gerade?« oder »Wo geht’s jetzt weiter« fielen durch die App fast zur Gänze weg, womit der Fokus auf die Maschinenauslastung gelegt werden konnte und nicht auf Dispositionstätigkeiten. Bevor die App bei allen Fahrern der Erntekette installiert war, kam es bei einem Abfahrer beim Feldversuch zu einer zusätzlichen Fahrzeit von etwa 15 Minuten.

Bei einem Stundensatz von 100 € wären die Zusatzkosten von ca. 25 € mit der Harvest Assist Anwendung zu vermeiden gewesen. Ist man bereits auf der Straße unterwegs, kann gleich auf das nächste Feld überstellt werden, wodurch ein unnötiger Weg eingespart wird und auch die Staugefahr auf Engstellen reduziert wird. Für die richtige Wahl der Feldeinfahrt hilft die gesetzte Markierung des Feldes. Speziell auf sehr großen Schlägen, beim Anhäckseln von Maisflächen oder bei der Arbeit in der Dunkelheit hilft der eigene Standort bei der Orientierung.

Der Live-Standort ist mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden und der marginalen Abweichung vom DGPS-Signal des Mobilgeräts ausreichend genau. Bei den Praxiseinsätzen lief die App absturzsicher. Trotzdem ist auf einige technische Fehlerquellen Rücksicht zu nehmen. Bei manchen Handys wird die Datenverbindung zum Telefonieren gedrosselt oder ganz unterbrochen. Weitere Fehlerquellen sind möglicherweise Funklöcher, ein beendeter Task, ein ausgeschalteter Standort oder ein leerer Handyakku. Darum sind für die sichere Anwendung ein Plausibilitätscheck des Standorts sowie ein Ladekabel und eine Handyhalterung ratsam.

Ist man neu in der Gegend und nicht ortskundig, kann auch die Navigation zum Feld Zeit und Geld sparen. Mit einem Klick auf das Feld und unter Einbezug von Google-Maps kann man Blindfahrten sicher vermeiden. Gewichts- oder Höhenbeschränkungen werden durch die Datennutzung von Google Maps nicht berücksichtigt.

Vor Erntebeginn planen

Für die Zuteilung mehrerer Schwader oder Ladewägen vor Erntebeginn bietet der Reiter »Planung« eine Lösung. Damit kann mit dem Setzen von Haken eingeteilt werden, welches Fahrzeug welche Felder bearbeiten soll. Da auch Mehrfachnennungen möglich sind, kann ein Feld vom kleinen wendigen Schwader vorbereitet werden und ein schlagkräftiger Vierkreiselschwader erledigt den Rest. Gleichzeitig können gewisse »Spielregeln« vordefiniert und vermieden werden, dass bei der dynamischen Routenführung ein kleiner Ladewagen auf weit entfernte Pachtflächen fährt oder ein schweres, großes Gespann in extreme Hanglagen geschickt wird.

Live Standort der Abfahrer. Fotos: Innovation Farm Wieselburg

Mit einem Ladewagen hat man gegenüber einer Häckselkette die Möglichkeit, nach jeder Fuhre das Feld zu wechseln. Gerade in solchen Situationen kann die Ladewagen-Ernte ihre Vorteile ausspielen, denn so kann ideal auf die Auslastung des Walzfahrzeugs im Silo reagiert werden. Das Ziel ist ein konstanter Massenstrom bei der Anlieferung am Silo. Das Walzfahrzeug muss immer genug Zeit haben, das Futter gleichmäßig zu verteilen und dementsprechend zu verdichten. Hier passiert in der Regel wegen Zeitdruck die größte Fahrlässigkeit, die dann auch zu Fehlgärungen führt. Hier kann die Harvest Assist App stark unterstützen. Für den Ladewagen kann eine automatische Route erstellt werden: Alle Felder, die mit dem Status »Bereit für Ladewagen« versehen sind, werden abwechselnd vorgeschlagen.

Im Versuch wurde zuerst ein Feld in Hofnähe vorgeschlagen, so bekommt das Walzfahrzeug gleich etwas Arbeit. Für die zweite Fuhre wurde eine Fläche mit größerer Feld-Hof-Distanz vorgeschlagen. Im weiteren Ernteverlauf wurden abwechselnd die arrondierten Flächen und jene mit längerer Fahrzeit vorgeschlagen. Damit wird tatsächlich vermieden, dass alle Felder mit kurzem Transportweg geblockt geerntet werden und so extrem hohe Erntemengen zu verdichten sind. Ist das Verdichtungsfahrzeug an der Auslastungsgrenze, muss entweder das Risiko einer schlechteren Verdichtung mit verbundenem Qualitätsverlust in Kauf genommen werden oder das Transportgespann muss vor dem Silo warten. Dies führt jedoch wiederum zu unnötigen Mehrkosten.

Die Versuche haben gezeigt, dass die Anlieferungsmengen zeitlich gut aufgeteilt wurden. Natürlich kennt dieses Tool auch Grenzen. Für die Kalkulation wird lediglich die Luftlinie und keine echte Wegstrecke mit Höhenprofil berücksichtigt. Weiters ergibt sich auch oft durch unterschiedliche Erträge und die damit verbundenen Ladezeiten eine natürliche Durchmischung. Zwei entscheidende Gründe für die Ablehnung der vorgeschlagenen Route kamen jedoch von den Testpiloten. Arbeitet man mit einem großvolumigen Ladewagen in Hanglagen, können manche Flächen nur leer angefahren werden. Ein Topographiemerkmal wie »steil« kann am Feld gesetzt werden, es wird aber noch nicht in der dynamischen Routenplanung berücksichtigt. Weiters wird für die Routenplanung der Abtrocknungsverlauf einer Fläche nicht berücksichtigt. Das könnte die gewonnene Qualitätssteigerung durch gleichmäßigere Verdichtung durch zu trockenes oder zu feuchtes Material wieder zunichte machen. Hier wird jedoch im Hause Pöttinger bereits daran gearbeitet, diese Parameter mit zu integrieren. Ist die Ernte abgeschlossen, wird der Feldstatus ein letztes Mal zu »Ernte abgeschlossen« geändert. 

Damit werden auch für jedes Feld die gefahrenen Fuhren und die m³ gelistet. Aber der Fuhrenzähler birgt Fehlerquellen. Ein Wendemanöver auf einer arrondierten Fläche hat den Zähler einmalig ausgelöst. Falls ein Wagen mal nicht voll wird, wird auf einem anderen Feld zugefüllt, die Anzahl der Fuhren erhöht sich jedoch nur am ersten Feld. Lediglich die m³ werden separat verbucht. Die Erntemenge in m³ wird durch das Ertragspotenzial des Feldes und der am Feld zurückgelegten Wegstrecke errechnet. Ertrag und Trockenmasse müssen jedoch zuvor per Hand geschätzt und dem richtigen Feld zugewiesen werden. Verschieden Faktoren und deren Kombinationen könnten somit zu fehlerhaften Ertragsdaten führen. Bis alle nötigen Features implementiert sind, bleibt der Fuhrenzähler nur eine Begleitinformation und kann nicht allen Anforderungen gerecht werden.

Fazit aus der Praxis

Viele Landwirte, Lohnunternehmer und auch unabhängige Beraterstellen sehen in Logistik und Planung großes Potenzial zur Auslastung eines schlagkräftigen Fuhrparks. Unnötige Standzeiten und Transportwege gilt es zu reduzieren. Mit der App Harvest Assist wird genau dort angesetzt. Da es kostenlos und auch ohne Registrierung läuft, ist es durch die einfache Bedienung ein digitales Werkzeug für jedermann. Man erhält nach Planung und Eingabe der Flächen einen guten Überblick und kann das Arbeitspensum besser abschätzen. Ein Werkzeug, das stetig und aktuell Standort der Ernte und die an der Ernte Beteiligten darstellt und die Ernte effizienter macht, ist ein Schritt in der Digitalisierung. Die weiteren Tools wie die Routenplanung für die Glättung von Anlieferungsspitzen im Silo oder die Fuhrenzählung, wird für die Routiniers wohl keinen großen Mehrwert liefern. Das Fingerspitzengefühl für flexibles Handeln kann die App in mancher Hinsicht noch nicht kompensieren. Kommen jedoch mehrere helfende Hände ins Spiel, bringt die App Vorteile in der Koordination. 

Georg Ramharter, Andreas Ettlinger,
Markus Gansberger

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Innovation Farm (www.innovationfarm.at), die von Bund, Ländern und der Europäischen Union im Rahmen des ländlichen Entwicklungsprogrammes LE 14–20 unterstützt wird.

 

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