Veränderung der Tierhaltung braucht klare Ziele
Branche bietet auf der EuroTier Innovationen für aktuelle Herausforderungen – Politik soll Planungssicherheit schaffen – Vorschläge Borchert-Kommission umsetzen
Zur Eröffnung der EuroTier 2022, die vom 15. bis 18. November auf dem Messegelände Hannover stattfindet, hat DLG-Präsident Hubertus Paetow planbare Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gefordert. Im Rahmen der Verleihungsveranstaltung der Innovation Awards sagte Paetow vor hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Politik aus dem In- und Ausland: „Das Innovationssystem in unserem Sektor ist so stark und leistungsfähig, dass es die passenden Antworten auf die Fragen liefert, die die Gesellschaft berechtigterweise an die Tierhaltung stellt. Veränderung unter Druck muss aber planbar unterstützt werden.“
Die Politik habe sicherlich einen harten Job zu leisten in einer Zeit, in der Grundüberzeugungen liberaler Demokratien nicht mehr als „naturgegeben“ vorausgesetzt werden könnten. Dies verbinde die Politik mit den Landwirtinnen und Landwirten und mit der ganzen Agrarbranche. Denn auch die Agrarbranche müsse der Gesellschaft das eigentlich Selbstverständliche immer wieder erklären: dass unsere Lebensmittel nicht vom Himmel fallen, sondern dass sie Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit einer ganzen Kette sind.
Herausfordernde Zeiten
Die Zeiten für die Tierhaltungsbranche seien noch nie so herausfordernd und anstrengend gewesen, wie in den zurückliegenden Jahren und werden dies sicherlich, so Paetow, auch in der vor uns liegenden Zeit bleiben. Das gelte für die globale, die europäische und die deutsche Nutztierhaltung, allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Für den DLG-Präsidenten ist die Tierhaltung in Europa und in Deutschland wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Lebensmittelerzeugung. Fleisch, Eier und Milch seien wertvolle Komponenten der menschlichen Ernährung und ohne Tierhaltung wäre der Agrarsektor nicht existenzfähig – weder konventionell noch ökologisch.
„Insbesondere der so wichtige Sektor der Schweineproduktion steht aktuell im Sturm. Die Nachfrage nach Schweinefleisch sinkt, getrieben von sich ändernden Verbraucherpräferenzen und Inflationsdruck, die Exportmöglichkeiten sind wegen der Afrikanischen Schweinepest stark eingeschränkt und die Politik tut sich schwer mit einer konstruktiven Rolle“, betonte Paetow. Weder die zukunftsorientierten und vor allem gesellschaftlich breit abgestimmten Vorschläge der Borchert-Kommission noch die Rahmenbedingungen für eine verlässliche Investition in nachhaltige Zukunftstechnologien seien auf die Spur gesetzt worden, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ein Desaster sei. Es lägen gute Konzepte auf dem Tisch und große Teile der Schweinehaltungsbranche seien auch schon in Vorleistung gegangen und haben in modernen Stallbau oder Stallumbau investiert, der Tierwohl sicherstellt, die Emissionen aus der Tierhaltung substanziell verringert und die Produktivität auf einem wettbewerbsfähigen Niveau hält. Vieles davon könne man hier auf der EuroTier besichtigen.
Innovationen für die Zukunft wichtig
Branchen, die im Strukturwandel stehen, seien in besonderem Maße auf rentabilitätssteigernde Innovationen angewiesen, so Paetow. Es müssten alle Register der modernen Tierhaltungstechnik gezogen werden. Stallbau, Stalltechnik, Digitalisierung, Züchtung und Fütterung und Vermarktung, alles müsse bearbeitet werden, um die Betriebe für die Zukunft nachhaltig und stabil aufzustellen. Auf der EuroTier hätten die Aussteller und die DLG zu allen Fragestellungen die passenden Antworten und Angebote parat.
Viele Lösungsansätze in den Messehallen
Unter dem Motto der EuroTier 2022 “Transforming Animal Farming” habe sich die internationale Tierhaltungsbranche auf den Weg gemacht, um sich den drei Kern-Herausforderungen Produktivität, Klimawandel und Tierwohl zu stellen. Die EuroTier 2022 zeige, welche Innovationen die Ingenieurskunst in den letzten Jahren entwickelt habe, insbesondere beeindruckende technische Innovationen im Bereich von Digitalisierung, Automatisierung und Robotik.
Innovationen brächten Fortschritte bei der Tierbeobachtung, machten weniger Emissionen möglich und verbesserten die Arbeit für die Menschen in der Landwirtschaft. Auch systemische Ansätze in der Tierhaltung würden präsentiert, die auf Tiergesundheit, Tierhygiene und Tierwohl einzahlten, so Paetow. Auch der Zielkonflikt von Umweltschutz und Tierwohl könne mittels verfahrenstechnischer Innovationen deutlich entschärft werden. Moderne ganzheitliche Stallkonzepte mit einer schlüssigen Verbindung von Innen- und Außenbereichen erhöhten durch technische Innovationen Tierwohl und Tiergesundheit und verringerten die Emissionen. Neue Konzepte ermöglichten die Trennung von Kot und Harn, weniger Emissionen und verbesserten die Gesundheit der Tiere. Auch die Tierfütterung mache deutliche Entwicklungssprünge; hohe Tierleistung und verringerter Methanausstoß gingen Hand in Hand.
DLG-Präsident Paetow ging auch auf die Rolle von alternativen Proteinquellen, von Fleischersatzprodukten und pflanzenbasierter Milch ein. Diese Ansätze seien teils interessant und könnten je nach Rahmenbedingung durchaus sinnvoll sein. Sie könnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fleisch, Milch und Eier aus einer modernen und nachhaltigen Tierhaltung für die Mehrheit der Menschheit zentraler Bestandteil ihrer Ernährung und ihrer Lebenskultur sind und bleiben werden. „Eine Landwirtschaft ohne einen starken Tierhaltungssektor ist nicht überlebensfähig“, so Paetow.
Digitale Kommunikation ersetzt keine Messe
Paetow zog Lehren aus der Pandemie: Wenn es wirklich intensiv werden sollte, dann gehe das nur im direkten und persönlichen Austausch, der digital und in virtueller Kollaboration ergänzt werden könne. Aber das Vertrauen, die Transparenz und der soziale Kitt, das müsse im persönlichen Messekontakt vorbereitet werden. Digitale Kommunikation sei eine hocheffiziente Ergänzung des persönlichen Gesprächs und praktisch für die Erledigung zahlreicher Routineaufgaben. Auch für Messen seien digitale Plattformen eine perfekte Ergänzung in Vorbereitung des Messebesuchs, insbesondere in der Nachbereitung, so Paetow.
Tierhaltung sichert Ernährung
Der Zeitpunkt der Eröffnung der Weltleitmesse der Tierhaltung, der EuroTier, fällt 2022 mit dem Stichtag der UN zusammen, an dem auf der Welt der achtmilliardste Mensch geboren wird. Paetow betonte, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass dieser Mensch in einer Region aufwachse, in der eine gesunde und ausreichende Ernährung nicht selbstverständlich ist, erst recht nicht mit für heranwachsende Menschen so wichtigen tierischen Produkten. „Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass auch dieser Mensch sich in seinem ganzen Leben gesund ernähren kann – ohne stetige Sorge um die nächste Mahlzeit und ja, auch mit gesunden Nahrungsmitteln aus tierischer Produktion“, appellierte Paetow. „Die Tierhaltung wird in Europa und auf dem gesamten Erdball ein wesentlicher Bestandteil der Ernährungssysteme und auch der kulturellen Identität von Gesellschaften bleiben.“ Am Ende der Transformation werde eine Tierhaltung stehen, die sich aus eigener Kraft am Markt behaupten könne, mit Tierwohl und Nachhaltigkeit, mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, die dies wertschätzen und mit politischen Rahmenbedingungen, die Anforderungen von Gesellschaft und Wettbewerb gleichermaßen berücksichtigen: „Tierhaltung ist Zukunft!“, hielt DLG-Präsident Paetow zum Abschluss fest.