Tiergerechter Stallbau

21. Oktober 2022

Nur gesunde Kühe, die sich wohl fühlen, können Höchstleistungen erbringen. Eine Umgebung, die das Wohlbefinden der Tiere steigert, ist deshalb enorm wichtig. Trotz hoher Investitionskosten für mehr Tierwohl lohnen sich diese Ausgaben insbesondere bei Stallneubauten – denn die Kuh zahlt es in Milch zurück.

Erstkalbin an der Kuhbürste Foto: GLATZ

Tierwohl spiegelt sich nicht nur in Gesundheit, Fruchtbarkeit, Wachstum, Schmerz- und Angstfreiheit wider, sondern auch im Verhalten. Tiere zeigen ihre positiven oder auch negativen Erfahrungen mit den Liegeflächen, den Kuhbürsten, bei der Wasseraufnahme und allen anderen Lebensbereichen. Ob es den Tieren gut geht, kann nur durch Beobachtung festgestellt werden und das kostet Arbeitszeit. Tierwohl ist nicht teurer, wenn die höheren Aufwendungen den Tieren gut tun, diese länger leben und leistungsfähiger sind.

Tiergerechte Gestaltung

Kühe sind Herdentiere, aber sie lieben Diskretion untereinander, benötigen zum Wohlfühlen eine bestimmte Ausweichdistanz. Daher werden für hornlose Kühe 3,50 m breite Fressgänge empfohlen. Aktuelle Bauzeichnungen sehen oft wesentlich breitere Fressgänge vor, jedoch können 0,5 m rund 44.000 EUR höhere Kosten verursachen. Dadurch entsteht ein Mehraufwand von bis zu 9 EUR je Kuh und Jahr. Wird unterstellt, dass in den nächsten zwanzig Jahren ein durchschnittlicher Milchpreis von 32 ct für 1 kg Milch gezahlt wird, so müsste durch die breiteren Fressgänge die Milchleistung um 32 kg je Kuh und Jahr verbessert werden oder die Nutzungsdauer verlängert sich bei gleichbleibendem Leistungsniveau um 24 Tage, um dieses noch mehr an Tierwohl auszugleichen (Tabelle).
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Gestaltung des Tier-Fressplatz-Verhältnisses. Aus Tierwohlgründen ist 1,2 bis 1,1:1 bei einer Fressplatzbreite von 65 cm gefordert. Ein Vergleich zeigt, dass ein TFV von 1,1:1 gegenüber 1,6:1 in einem dreireihigen Boxenlaufstall zu rund 300 EUR höheren Investitionskosten je Liegeplatz und mit 29 EUR laufenden Kosten je Kuh und Jahr eine teure Variante zur Verbesserung des Tierwohls ist, um allen Kühen gleichzeitig zum Wohlbefinden zu verhelfen (Tabelle).

Verbesserung des Stallklimas

Besonders in der warmen Jahreszeit sind die Tränken heiß umkämpft. Aus diesem Grund wird die Installation mehrerer kleiner Tränken mit einem ausreichend großen Aktionsradius empfohlen. Unter Einhaltung der erforderlichen Troglänge für den gesamten Bestand sind für den Einbau von zwei Tränken mit 1 m Länge gegenüber einer Tränke mit 2 m Länge nur 2 EUR je Kuh und Jahr höhere Kosten zu tragen. Teurer hingegen ist die Installation von Ventilatoren. Für die Ausstattung des Vorwartebereichs von vier Melkrobotern mit Ventilatoren sind rund 12 EUR Mehrkosten je Kuh und Jahr zu erwarten, wobei durch die Verbesserung des Klimas das Laufverhalten der Tiere positiv beeinflusst werden kann. Es fallen weniger nachzutreibende Tiere an, wodurch mehr Arbeitszeit in die Tierbeobachtung investiert werden kann.

Wichtige Tierbeobachtung

Ob es dem einzelnen Tier gut geht, zeigt sich nicht nur an der Gesundheit und Fruchtbarkeit, sondern auch im Verhalten. Anhand von Tierwohlindikatoren können die für die Tiere verantwortlichen Personen das Wohlergehen beurteilen und vor allem bei routinemäßigen Beobachtungen Veränderungen feststellen, um schnell reagieren zu können. Dazu zählt unter anderem die Feststellung der Anzahl von Technopathien, die Bewertung der Körperkondition (BCS-Benotung), Anzahl Lahmheiten (Locomotion Score), der Verschmutzungsgrad sowie das Liege-, Ruhe- und Wiederkauverhalten der Kühe. Für die regelmäßige Beurteilung dieser Indikatoren muss Arbeitszeit investiert werden.

Mithilfe einer Arbeitszeitmessung für die BCS-Beurteilung einer Milchkuhherde wurde festgestellt, dass der Arbeitszeitaufwand bei einer gut geschulten Person 0,07 AKh je Kuh und Jahr betrug. Multipliziert mit einem Lohnaufwand von 18 EUR je Arbeitskraftstunde ergibt das gerade 1,30 EUR höheren Aufwand je Kuh und Jahr. Dafür stehen Informationen für die Rationsgestaltung der Leistungsgruppen und eine Entscheidungsgrundlage für den Trockenstelltermin zur Verfügung. Beides kann zur Optimierung der Futterkosten und zur Stabilisierung der Gesundheitslage führen.

Häufige Technopathien

Verschlissene Kuhkomfortmatten oder auch falsche Einstreu führen oft zu einem gehäuften Auftreten von Technopathien, vor allem an den Sprunggelenken. Bei sorgsamer Beobachtung der Tiere während des Treibens kann bei gehäuftem Auftreten dieser Läsionen zum Wohle der Tiere schnell gehandelt werden. So kann das Gemisch aus Sägespänen und Kalk diese bis zur Schmerzhaftigkeit gehenden Schäden verursachen. Eine einfache Reaktion wäre, nach Alternativen zu Sägespänen zu suchen. Nach eigenen Recherchen sind Strohmehl und Strohkrümelmehl nicht teurer (alle Materialien rund 35 EUR je dt), genauso wie der Verbrauch und die erforderliche Arbeitszeit zum Aufbringen auf die Matten ebenfalls nicht höher sind. Die Tierbeobachtung ist die günstigste Alternative, um Tierwohl zu gewährleisten, dem sollte Rechnung getragen werden, indem diese Kontrolle in die Tagesroutinen eingebunden wird.

Kuhbürsten

Zusätzliche Maßnahmen, wie die In-stallation von Kuhbürsten, fördern das Wohlbefinden der Tiere, denn sie können sich nicht nur von Staub und Schmutz befreien, sondern so auch den Stress rund um die Kalbung verringern. Der Aufwand für diese Tierwohlmaßnahme kann unter Umständen am Höchsten sein und hängt von der Anzahl, der Art und der Nutzungsdauer der Geräte ab.

Auslauf gefordert

Tierschutzverbände fordern, Kühen Weide zu gewährleisten, weil diese Form der Haltung tiergerecht sei. Untersuchungen zeigten, dass ergiebige Niederschläge und hohe Sonneneinstrahlung die Tiere eher dazu veranlassten, im Stall zu bleiben, der Auslauf wurde vorrangig nachts zum Ruhen genutzt. Eine andere Möglichkeit, den Kühen Bewegung an der frischen Luft zu gewähren, besteht in der Auslaufhaltung. Diese wiederum bedarf aber besonderer Maßnahmen zum Emissionsschutz. Von allen Haltungsverfahren weist die Liegeboxenaufstallung mit Auslauf die höchste Ammoniakemission auf, wodurch die Forderung nach einer planbefestigten Fläche mit regelmäßiger Beseitigung der Exkremente besteht. Dafür müssen Mehrbelastungen von ca. 36 EUR je Kuh und Jahr eingeplant werden. Damit ist diese Tierwohlmaßnahme eine der teuersten, kann aber durch die Premiumförderung im Rahmen des AFP mit 20 % der Investitionssumme des gesamten Stallneubaus gefördert werden, sodass dieses Plus an Tierwohl keinen zusätzlichen Aufwand verursacht. Da die Tiere den Auslauf in der Regel sehr gut annehmen, ist dieser eine Alternative zur Weidehaltung.

Ergebnisse für den Hofalltag

Tiergerechtere Haltungsverfahren sind mit höheren Investitionskosten verbunden, die sich durch höhere Milchleistungen und/oder eine längere Nutzungsdauer amortisieren müssen, wie in der Tabelle kalkuliert. Umfangreiche Umweltauflagen wie der Emissionsschutz, die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft und auch die Wasserrahmenrichtlinien erhöhen ebenfalls die Baukosten. Zum Teil können diese Aufwendungen durch Premiumförderungen aufgefangen werden. Tierwohl ist mehr als nur Liegeflächen, Laufgang- oder Futtertischgestaltung. Mit Tierbeobachtung und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen kann nicht nur das Wohlergehen der Tiere positiv beeinflusst werden, sondern auch Kosten reduziert werden. Im Besonderen sollten Forschungsergebnisse über die Wirkung von Maßnahmen auf das Tierwohl abgewartet werden, bevor diese zu tiefgreifenden Veränderungen im gewohnten Arbeitsablauf führen. Je öfter die Kühe beobachtet werden und je schneller ein Missstand beseitigt wird, desto besser geht es den Kühen, sie sind leistungsfähiger und bleiben länger im Bestand; was die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion verbessert.

Jana Harms, LFA für Landwirtschaft und Fischerei M-V

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